Duisburg. .
An eine Evakuierung dieser Größenordnung kann sich im Klinikum Duisburg niemand erinnern. Seit am Donnerstag bekannt wurde, dass in unmittelbarer Nähe des Krankenhauses ein Blindgänger aus dem zweiten Weltkrieg entschärft werden muss, laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Ein Krisenstab bestehend auf Klinikleitung und Ärzten hat einen detaillierten Plan für die Räumung ausgetüftelt – „eine koordinatorische und logistische Herausforderung“, wie Sprecherin Ute Kozber feststellt.
Durch sofortigen Aufnahmestopp und verstärkte Entlassungen, wo es verantwortbar war, müssen nur noch 200 Patienten evakuiert werden. 130 dieser Patienten sind stabil genug, um in eine Art „Auffangstation“ in die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik in Großenbaum gebracht zu werden. Dort stehen zwei Turnhallen und eine Station zur Verfügung. Bereits gestern wurden aus Wedau patientenfertige Betten für alle Evakuierten hierher transportiert. Heute ab halb acht sind dann 50 Rettungs- und Krankenfahrzeuge von Feuerwehr und Hilfsorganisationen etwa drei Stunden lang im Einsatz, um die Patienten in die BGU zu bringen.
Für die restlichen Patienten wäre dieser Transport jedoch zu strapaziös. „Das gilt etwa für Intensivpatienten, Frühchen oder Schwerkranke. Das Risiko, dass sie psychische oder physische Schäden davon tragen, ist bei einigen zu groß“, erläutert der koordinierende Notfallarzt Kian Moussazadeh. Daher sei man mit Ordnungsamt und Feuerwehr übereingekommen, rund 70 Patienten in einen als sicher geltenden Bereich des Gebäudekomplexes zu bringen: Im Kellergeschoss, möglichst weit weg von der Bombe und im Ernstfall durch andere Gebäudeteile geschützt.
Seelsorger und grüne Damen im Einsatz für Patienten und Angehörige
Helfer, etwa die grünen Damen oder Seelsorger sind seit dem Wochenende im Einsatz, um Patienten und Angehörige auf die Situation vorzubereiten. Die meisten reagierten entspannt , wo es Ängste gebe, versuche man Sicherheit zu vermitteln. „So wird die gesamte Führungsebene vor Ort bleiben“ – in einer eigens im Keller eingerichteten Leitstelle – „das ist ein wichtiges Signal: Wir sind uns sicher, dass alles gut geht“, so Moussazadeh. Davon überzeugt ist auch Manfred Kruse, der nach einer Beinamputation im Krankenhaus behandelt wird. Weil er so kurz nach der OP nicht sitzend transportiert werden kann, wird auch er während der Entschärfung im Klinikkeller warten. Er nimmt es mit Humor: „Ich kann ja eh nichts machen. Der Bombenentschärfer wird seinen Job schon gut machen.“
Jeder Evakuierte ist mit einem Zettel um den Hals ausgestattet: Dort ist nachzulesen, wo er untergebracht werden soll, welche Medikamente und Pflegemaßnahmen notwendig sind. „Lückenlose Dokumentation ist einfach sehr wichtig“, erläutert Moussazadeh.
Nahezu das gesamte Klinikpersonal ist auf den Beinen
Nahezu das gesamte der Klinik zu Verfügung stehende Personal wird morgen auf den Beinen sein: 200 Pflegekräfte, 30 Not- und 90 andere Fachärzte. „Das ist fast eine eins zu eins Betreuung. Aber in solch einer Ausnahmesituation wollen wir einfach alles tun, um die Patienten optimal zu versorgen“, so Moussazadeh. Ob Pfleger oder Ärzte während der Entschärfung in der Kellerstation im Klinikum bleiben möchten oder nicht, sei jedem freigestellt. Für viele, etwa für Stationsleiterin Nevenka Marjonovic steht indes fest: „Ich bleibe bei meinen Patienten, bis sie wieder auf Station in den Betten liegen.“
Läuft die Entschärfung nach Plan, wird der Rücktransport am Spätnachmittag abgeschlossen sein. Frühestens dann gilt es Bilanz zu ziehen, was all das gekostet hat. „Allein durch den Einnahmewegfall entsteht ein Schaden von 1 bis 2 Millionen Euro“, schätzt Geschäftsführer Hans-Joachim Erhardt. Die Kosten für die Räumung selbst sind da noch nicht eingerechnet.