Duisburg. . Das Spielwarengeschäft Roskothen ist mit seinen 132 Jahren das älteste Einzelhandelsgeschäft in Duisburg - und stellt sich ganz bewusst gegen den Trend: Spielekonsolen und Barbies sucht man bei Roskothen vergeblich.
Fernseher statt Bilderbuch, Computerspiel statt Eisenbahn, Handy-Game statt Bauklötze - kein Zweifel, die Spielkultur von Kindern hat sich im vergangenen Jahrhundert gewaltig verändert. Moderne Technik hat längst Einzug gehalten in die Kinderzimmer, auch in die der Kleinsten. Dass es auch anders geht, beweist das Spielwarengeschäft Roskothen: Mit seinen 132 Jahren ist es das älteste Einzelhandelsgeschäft der Stadt - und stellt sich ganz bewusst gegen den Trend.
Spielekonsolen und Barbies sucht man vergeblich in dem 400 Quadratmeter großen Spielwarengeschäft auf zwei Etagen. Stattdessen huscht das Besucherauge über nostalgisch gemusterte Greengate-Stoffe und Porzellanteile, kuschelige Schmusetiere, liebevoll drapierte Käthe-Kruse-Puppen und Unmengen bunter Holzspielzeuge. „Pädagogisch wertvoll“ ist seit den 70er Jahren die Firmenphilosophie.
Begonnen indes hatte alles unter ganz anderen Vorzeichen: Als Heinrich Roskothen sein Geschäft im Jahr 1879 eröffnete, damals noch in Hattingen, hatte er in erster Linie Korbwaren und -möbel im Angebot. Nach einem kurzen Zwischenstopp auf der Beekstraße/ Ecke Klosterstraße zog das Unternehmen 1884 zum Sonnenwall - wo es auch heute noch zu finden ist. In den Folgejahren erweiterten Heinrich Roskothen - und nach ihm Sohn Heinrich II und Enkel Willy - das Geschäft zusehends und weiteten das Sortiment auf Spielwaren und Kinderwagen aus. Vor 43 Jahren nahm dann Klaus Roskothen die Fäden des Traditionsunternehmens in die Hand - und läutete einen entscheidenden Wendepunkt in der Firmenphilosophie ein.
„Ich habe mich kurz nach unserem Hundertjährigen besonnen, einiges aus dem Sortiment zu nehmen“, erzählt der heute 74-jährige Seniorchef. Als es in den Kinderzimmern zu blinken und zu krachen begann, entschied sich die Familie bewusst, gegen den Strom zu schwimmen. Auslöser war die Auseinandersetzung mit der Waldorfpädagogik. „Es ist nie einfach, ein traditionsreiches Sortiment zu ändern, deshalb haben wir nach und nach auf pädagogisch wertvoll umgestellt“, so Klaus Roskothen. Rückblickend stellt er fest: „Es hat sich ‘rumgesprochen, dass wir konsequent dieses Sortiment führen. Die Umstellung hat gut geklappt.“
Wendepunkt in der Firmenphilosophie
In diesem Sinne leitet seit 1997 auch Sohn Boris in der fünften Generation die Geschicke des Geschäftes - und fährt damit weiterhin gut, wie Klaus Roskothen erzählt. „Natürlich ist es nicht leichter geworden“, gibt er zu. Die Zeiten, in denen vor Weihnachten noch die Ladentür geschlossen werden musste, „weil zu viele Leute rein wollten“, seien lange vorbei. Die veränderten Spielgewohnheiten, der Versandhandel und sinkende Geburtenraten seien nicht spurlos an den Roskothens vorbei gegangen. Aber heute wie damals gebe es sie noch, die von Sammlern geschätzten und von Kindern geliebten Spielwaren-Klassiker, allen voran die kuscheligen Steiff-Tiere, die weltbekannten Käthe Kruse-Puppen (für die es im Spielwarengeschäft ein eigenes Zimmer gibt), die Märklin-Eisenbahn oder auch die Haba-Holzspielzeuge. Auch (Bilder-)Bücher und Gesellschaftsspiele laufen weiterhin gut.
So sehen die Roskothens trotz aller Veränderungen auch nach 132 Jahren optimistisch in die Zukunft - und wollen ihrer Philosophie treu bleiben, ganz nach dem Motto: „Wir haben nicht alles, aber was wir haben, finden wir gut.“
Und um den Menschen „die Kunst zu spielen“ wieder näher zu bringen, verfolgt Boris Roskothen schon eine neue Idee: In Kooperation mit einer Kinderbetreuung soll im Herbst in der Königsgalerie ein neuer Shop entstehen, der sich „an alle ‘Kinder’, auch die Großen“, richtet, die Spaß am Spiel haben. Nur so viel will Boris Roskothen jetzt schon verraten: „Es wird kein bestimmtes Sortiment in den Regalen liegen und darauf warten entdeckt zu werden. Vielmehr werden wir auf einer kleinen Fläche ständig wechselnde Veranstaltungen bzw. Präsentationen rund ums Spielen haben.“
Hintergrund zum Duisburger Einzelhandel: Die Geburt der Königstraße
Bereits vor 177 Jahren (November 1834) beschloss der Stadtrat, vor dem Kuhtor einen Marktplatz und Anlagen zu errichten. Erst 1820 war das erste Haus außerhalb der mittelalterlichen Stadtmauern im Bereich der heutigen Königstraße entstanden. Nach Abriss des Kuhtors mit seinen beiden Türmen, Wachthaus und Innenhof 1853 bot sich eine Gestaltung des vor der Stadt liegenden freien Platzes an. Schon vor dem geplanten Marktplatz vor dem Kuhtor entstand eine Ulmenallee, die den Namen „Schwedenallee“ erhielt, nach 1834 „Mülheimer Straße“ hieß und seit 1850 zur Erinnerung an den Besuch des Preußen-Königs Friedrich Wilhelm IV bis heute „Königstraße“ heißt.
Mit dem Abbruch der letzten mittelalterlichen Häuser und Stadtmauerreste am Kuhtor nach dem Zweiten Weltkrieg bilden König- und Kuhstraße einen durchgehenden Straßenzug, der nach Beendigung der U-Bahn-Bauarbeiten zum fußläufigen Boulevard umgestaltet wurde.
Heute verbindet die „Duisburger Kö“ den mittelalterlichen Stadtkern samt Salvatorkirche und Rathaus im Westen mit Stadtautobahn und Bahnhof im Osten zu einer „Einheit von Vergangenheit und Gegenwart“, wie es der Einzelhandels- und Dienstleistungsverband Niederrhein beschreibt.