Duisburg. .

Vergangene Woche schrieb die Initiative „Zukunftsstadtteil“, die sich um die Lebenssituation in ihrem Hochfeld sorgt, einen offenen Brief an den zuständigen Dezernenten Karl Janssen. Darin beklagen die Verfasser um den Vereinsvorsitzenden Michael Willhardt die Zustände in Hochfeld, die durch den Zuzug von Menschen aus Osteuropa schlimmer geworden seien.

Die WAZ hat sich zusammen mit dem engagierten Vereinsvorsitzenden auf Spurensuche gemacht, um zu schauen, wie die Realität in Hochfeld aussieht - und erliegt dem Vorführeffekt. Die Straßenbahnlinie 903 fährt mitten durch das Herz des Stadtteils. An leer stehenden Geschäften und sanierungsbedürftigen Gebäuden mangelt es nicht. Von Müll und Unrat, in dem man knöcheltief versinken soll, wie es in dem Brief heißt, ist jedoch keine Spur. Spielplätze, Grünanlagen sind sauber und gut besucht, die Straßen voller Menschen. Auch in den Seitenstraßen ist von Müllkippen und Vandalismus nichts zu sehen. Laute Rapmusik dröhnt aus luxuriösen Autos.

Kaputte Kirchenfenster

„So sauber und ordentlich sieht es hier nicht immer aus. Die Stadtwerke waren offensichtlich kürzlich erst hier, um sauber zu machen“, sagt Willhardt und macht auf die Fenster der Pauluskirche an der Wanheimerstraße aufmerksam. Sechs kleine Fenster wurden zuletzt mit Steinen eingeschmissen. „Diese Probleme müssen angesprochen und politisch gelöst werden. Wir würden gerne dazubeitragen“, erklärt Willhardt.

Der Brandbrief der Initiative Zukunftsstadtteil hat Karl-August Schwarthans nachdenklich gemacht. Der Geschäftsführer der Awo-Integrations-gGmbH ist beruflich seit Jahrzehnten mit dem Thema Migration befasst. „Es stimmt nachdenklich, wenn eine einzelne Volksgruppe für Fehlentwicklungen als verantwortlich hingestellt wird.“

Fehleinschätzung der Stadtspitze

Er hat eine deutliche Fehleinschätzung bei der Stadtspitze ausgemacht. Man sei davon ausgegangen, dass die Zuwanderer aus Bulgarien oder Rumänien gleich weiterziehen, so wie man es zuvor in Bruckhausen erlebte. Die Wohlfahrtsverbände warnten jedoch schon vor zwei Jahren, dass es sich hier um Menschen handele, die bleiben wollen. Das sei auch so an den Oberbürgermeister herangetragen worden, erinnert sich Schwarthans.

Interkulturelle Kompetenz habe aber nur das Jugendamt gezeigt. Und erst seit Frühjahr 2011 habe die Verwaltung den Auftrag, ein Handlungskonzept zu erstellen. Stadtplanerisch gab es weitere Fehler, denn je mehr „Schrottimmobilien“ es in einem Stadtteil gibt, desto mehr Menschen werden von den günstigsten Mieten gelockt. „Die Blücherstraße hätte man vor 20 Jahren komplett abreißen sollen.“

4000 Neu-Zuwanderer in drei Jahren

Schwarthans schätzt 4000 Neu-Zuwanderer in den letzten drei Jahren. Zuwanderung sei kein abgeschlossener Prozess, in der Weltgeschichte habe es immer schon Wanderungsbewegungen gegeben, der schlichten Formel folgend: Geht es vielen sozio-ökonomisch schlecht, suchen sie ihr Glück anderswo.

Umgekehrt hätten einige Mittelschichtler der fehlgeleiteten Hoffnung aufgesessen, dass sich in Hochfeld eine Boheme-Szene entwickelt. „Diese Hoffnung gab es schon in meiner Jugend, nicht ohne Grund ist der älteste Bioladen Duisburgs in Hochfeld“, verdeutlicht Schwarthans.

Für eingeschlagene Fenster an der Pauluskirche hat er keine Erklärung, gibt aber zu bedenken, dass sich eine große Gruppe evangelikaler Bulgaren regelmäßig im Gemeindesaal der Pauluskirche treffe.