Duisburg. .
In Duisburg sammelt ein Zusammenschluss mehrerer Bürgerinitiativen von Montag an Unterschriften für die Abwahl von OB Adolf Sauerland. Für einen Erfolg der Aktion müssten rund 60.000 Wahlberechtigte für ein Abwahlverfahren unterschreiben.
Bis Samstag hatte Werner Hüsken zusammen mit seiner Frau auf der Ostsee-Insel Rügen noch ein wenig Erholung getankt. Doch nun gilt es: Montag um 11 Uhr beginnt für den 59-jährigen Krankenpfleger in der Fußgängerzone am Livesafer-Brunnen ein neuer Marathonlauf um 60.000 Unterschriften. Ein Lauf um Stimmen und Zustimmung, ein Buhlen um formalisierten Protest der Duisburger Bürger gegen ihren Oberbürgermeister, den sie nach dessen Umgang mit der Katastrophe der Loveparade nicht mehr als ihren „ersten Bürger“ akzeptieren mögen.
60.000 Unterschriften müssen zusammen kommen
Es geht um die Einleitung des landesweit ersten Bürgerbegehrens zur Abwahl eines Oberbürgermeisters nach Änderung der Gemeindeordnung. Dafür will die Bürgerinitiative um Werner Hüsken Stimmen sammeln. Schon wieder, bzw. noch einmal. Denn im vergangenen Jahr hatte Hüsken schon einmal fünf Wochen lang rund 30.000 Unterschriften für einen Einwohnerantrag gesammelt, der am Ende aber nicht mehr als Symbolkraft haben konnte und bei dem 20 000 Unterschriften nicht anerkannt wurden. Dieses Mal soll es aber bitterer Ernst werden: Denn die neue rot-grüne NRW-Landesregierung hat in der Zwischenzeit die Gemeindeordnung geändert, die jetzt auch dem Bürger ein Initiativrecht für die Abwahl ihres gewählten Oberbürgermeisters zugesteht.
Doch der Gesetzgeber hat hohe Hürden eingebaut und verlangt die strenge Einhaltung von Regeln. „Und damit hat ja noch kein Mensch Erfahrung gemacht“, sagt Hüsken. „jede Unterschrift muss mit einem Datum versehen sein, das dann bei der Abgabe nicht älter als vier Monate sein darf.“ Das bedeutet: Spätestens am 20. Oktober muss die Hüsken-Truppe die 60.000 Unterschriften zusammen haben. „Gefordert sind gesetzlich ja circa 55.000 Unterschriften, 15% der am Abgabetermin Wahlberechtigten Duisburger,“ sagt Hüsken. Aber sicherheitshalber wollen sie 60.000 oder besser noch 64.000 Unterschriften zusammenkriegen. Das sind 500 Zustimmungs-Unterschriften pro Tag und dies 120 Tage lang. Und am Ende werde jede Unterschrift geprüft, auf Plausibilität, auf Lesbarkeit, ist sie die eines Duisburger Wahlbürgers, der älter als 16 Jahre ist, und so weiter. „Da können Fehler passieren und viele Unterschriften werden wieder aussortiert“, sagt Hüsken. Am Ende müssen es aber mindestens 54 900 übrigbleiben.
Sonst hätte der ganze 1. Akt, die geplante Dauerpräsenz in der City wie auch in allen Stadtbezirken, das Netzwerken in Firmen, Personal- und Betriebsräten, das Klinkenputzen auf Wochenmärken und Festen, bei der Mahnmal-Einweihung und beim MSV-Schalke-Benefiz-Spiel keinen Sinn gehabt. „Doch ich bin aber total optimistisch, dass wir das hinkriegen“, sagt Hüsken.
Bürgerentscheid braucht 92.000 Stimmen
Doch die 60.000 Unterschriften wären nur der erste Schritt. Ist diese Hürde übersprungen, kommt es zum Bürgerentscheid. Erst danach käme die Abwahl; ein Viertel der Wahlberechtigten, das sind 92.000 Duisburger, müssten in einer Abstimmung gegen den OB votieren. Das sind deutlich mehr Stimmen als Sauerland seinerzeit 2009 (75.000 Stimmen) benötigte, um ins Amt hingewählt zu werden.
Bürgerentscheid und Abwahlverfahren
Neben Nordrhein-Westfalen kennen nur die Bundesländer Brandenburg, Sachsen und Schleswig-Holstein die Bürgermeisterabwahl per Bürgerbegehren. Auch hier geht die Abwahlinitiative aber meist von den Räten aus. So wurden nach Angaben der Initiative „Mehr Demokratie“ von den 16 statistisch erfassten erfolgreichen Abwahlverfahren in Brandenburg nur sieben von den Bürgern gestartet. Ein noch deutlicheres Bild ergibt sich in Sachsen, wo von elf Verfahren gerade einmal zwei durch ein Bürgerbegehren veranlasst wurden. Beide Begehren unterlagen im Bürgerentscheid. In Schleswig-Holstein wurde seit 1997 noch kein Abwahlbegehren von den Bürgern eingereicht und nur zwei Verfahren durch den Rat veranlasst, die beide im Bürgerentscheid scheiterten. In NRW gab es seit 1994 drei Abwahlverfahren, von denen zwei erfolgreich waren.
Hüsken und seine Mitstreiter sind stolz darauf, Theo Steegmann mit im Boot zu haben. Den alten Kämpfer um das Stahlwerk in Rheinhausen, der Krupp-Betriebsrat, der wisse wie man Proteste organisiere und wie man sich in der Öffentlichkeit präsentieren müsse. Hüsken: „Wir wollen niemanden brüskieren, wir wollen keinen Parteien-Knatsch. Doch es geht um die Zukunft dieser Stadt, die so lange blockiert und gelähmt ist, wie sie von diesem Oberbürgermeister repräsentiert wird.“
Der Anti-Sauerland
Die dilettantische Vorbereitung der Loveparade, die Tote und Verletzte gefordert habe, das jämmerliche Wegducken des OB vor der Verantwortung, das Lavieren danach, die totale Handlungsunfähigkeit der Stadtspitze verlange einen Neuanfang – und einen neuen ersten Bürger. „Wir können weiterhin ganz fest mit Sauerlands Ungeschicklichkeit rechnen, er wird auch künftig für Negativ-Schlagzeilen sorgen wird“, meint der Mann, den der Spiegel einmal als den „Anti-Sauerland“ bezeichnet hatte.
Doch die Bürgerinitiative weiß, dass sie aus dem Rathaus mit Argusaugen beobachtet wird. „Wir müssen penibel die Formalitäten beachten und einhalten“, sagt Mitstreiter Günter Niel, „sonst kicken die uns weg.“
Noch müssen die Streiter im Kampf zwischen David und Goliath so banal-wichtige Dinge klären, wie die Postfachnummer oder wie die genaue Internet-Adresse lauten wird (irgend so etwas wie „duisburg hat die wahl.de ), wo sich der ganze Protest widerspiegelt und wo man auch Blanko-Listen herunterladen können soll. Denn seit Montag, 11 Uhr, läuft der Countdown. Abwarten, ob diese Protest-Rakete wirklich abheben wird.