Duisburg. . Seit seinem Amtsantritt als Ballettdirektor der Deutschen Oper am Rhein 2009 hat Martin Schläpfer geradezu besessen gearbeitet und kaum mehr gesehen als die Häuser in Düsseldorf und Duisburg von Innen.
Die dritte Uraufführung in dieser Spielzeit ist seine Choreographie „Unleashing the Wolf“ zur Musik von Paul Pavey, der in London lebt. Sie ist am Samstag zum ersten Mal in Duisburg zu sehen. Über „Den Wolf loslassen“ befragte Anne Horstmeier den Ballettchef.
Was ist zuerst da: Die Musik oder die Idee?
Martin Schläpfer: Die Musik meistens. Ich verhandele mit Paul Pavey früh – zwei Jahre vorher mindestens – frage ihn, für welche Instrumente er sich gerade interessiert. Diesmal hat er gesagt, er könne sich etwas mit Pauken vorstellen. Wir bereden, in welche Richtung es geht, er schickt ein Sample – und dann wird Pingpong gespielt. Paul schreibt, was er gedacht hat beim Schreiben und gibt mir Nahrung. Paul ist Komponist und Performer, im besten Sinne Theatermusiker. Die Musik blüht auf mit Tanz. Mich interessiert seine Welt und wie ich darauf reagieren kann.
Sprühen zwischen Ihnen die Funken?
Schläpfer: Er ist rebellisch-offen, ich innerlich rebellisch, unangepasst, eigenwillig. Ich bin eher geerdet. Wissen Sie, ich bin Steinbock, mir ist allein und ruhig am Wohlsten
Trägt Ihr Humor auch zur „Erdung“ bei?
Schläpfer: Humor ist wichtig fürs Leben. Ich habe gern den skurrilen Bruch. Und ich werde zunehmend humorvoll mit dem Älterwerden.
Wie oft hören Sie die Musik?
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Schläpfer: Täglich mindestens einmal komplett, dazu nebenher. Beim Hören kommen mir schon Bilder. Aber richtig in Bewegung kommt es erst bei der 1. Probe. Es springt mir zu – oder nicht – wenn ich beginne. Früher habe ich öfter gedacht, ich müsste das Wohin genauer planen. Heute denke ich das nicht mehr.
Und welche Rolle spielen die Tänzer?
Schläpfer: Man muss aufnehmen, was von den Tänzern kommt, aber immer filtern, damit es eine Farbe bekommt, die meine Farbe ist: Da muss es hin.
Und beim Wolf ist es die Farbe Rot?
Schläpfer: Ja. Ich arbeite sonst reduziert, eher farblos, aber hier gibt es einen roten Tanzteppich. Beim „Wolf rauslassen“ geht es ja um Energien, darum, Bereiche zu öffnen, die man verbirgt oder zurück hält. Wobei der Wolf nicht blutrünstig ist, sondern ein hoch sensibles, diszipliniertes, gut organisiertes Wesen. Der Titel kommt von Paul Pavey.
Wie ist Regina van Berkel mit ihren „Intermezzi“ dazu gekommen?
Schläpfer: Regina wollte immer schon ein Stück mit mir machen, weil sie glaubt, wir sind so konträr. Diesmal habe ich gedacht: Schläpfer, sag einfach mal ja, ich will es ausprobieren, wagen – ob ich es mag, ob ich es bin? Egal. Sie hat ihre Intermezzi dann sehr vorsichtig eingefügt, und in den letzten zwei Wochen haben wir es abgestimmt. Es war nicht zwingend notwendig, aber es war eine wunderschöne Erfahrung.
Hat es sich seit der Uraufführung geändert?
Schläpfer: Das Stück ist sehr gereift, die Duisburger Premiere hat einen ganz anderen Standard als die Uraufführung in Düsseldorf. Spannend ist, dass Paul auf der Bühne als treibende Kraft ist. Die Paukensequenzen sind nicht alle geschrieben, da reagiert er auf die Tänzer.
Wie empfinden Sie die Arbeit an einem Haus mit zwei Standorten?
Schläpfer: Was uns alle umtreibt: Das Ballett ist auch die Compagnie dieser Stadt. Die Duisburger sollen nicht denken, wir sind hier auf Besuch. Wir möchten das Ballett für Duisburg sein, und die Duisburger soll stolz sein auf ihr Ballett, auf diese wunderbare Compagnie. Die Unterschiedlichkeit der Städte gibt der Oper das Salz. Das ist viel Historie – und das müssen wir absolut verteidigen.