Duisburg. . Nach einem Fahrradunfall war Markus Naß querschnittsgelähmt. Jetzt kann er wieder laufen.
„Über mir lag das Fahrrad. Ich konnte nur noch den Kopf bewegen. Sonst ging gar nichts mehr. Arme, Beine, alles weg. Da war mir sofort klar: Ich bin querschnittsgelähmt.“
Der 25. April 2010, an den sich Markus Naß (45) hier erinnert, hat sein Leben verändert. Vollständig, von einer Sekunde auf die andere. Aber er hat sich zurückgekämpft - und viele Menschen haben ihm dabei geholfen.
Am ersten schönen Wochenende im Jahr hatte sich der Neudorfer auf sein Rad geschwungen. „Vorher war eigentlich noch Winter. Dass es wärmer geworden war, hat mir das Leben gerettet“, weiß Naß. Denn er versteht etwas von Situationen, die die Gesundheit auf Messers Schneide bringen. Schließlich hat er 25 Jahre als Krankenpfleger gearbeitet, zuletzt in leitender Stellung am St.-Johannes-Hospital in Hamborn.
Halswirbelsäule gebrochen, Rückenmark gequetscht
Ein Ast, der quer über dem Weg lag, machte den Abendausflug im Duisburger Wald zum Desaster. Markus Naß stürzte und schlug mit seinem Kopf gegen einen Baum.
„Es passierte zwischen 18 und 19 Uhr. Zuerst war ich bewusstlos, ich weiß nicht wie lange.“ Als er wieder aufwachte, schien noch die Sonne. Die Gedanken schossen durch seinen Kopf, vor allem einer: „Du darfst auf keinen Fall einschlafen.“ Mit Selbstgesprächen hielt er durch. „Die ganze Nacht bis morgens um sieben.“
„Wenn man einschläft, kühlt man aus. Ich stand wirklich unter Strom“, sagt Markus Naß. Beim Ringen ums Überleben nutzten ihm auch seine Erfahrungen als Fallschirmspringer, die er sich aus der Wehrdienstzeit ins Gedächtnis zurückrief. „Es war mir nicht fremd, Nächte im Wald zu verbringen.“
Aus seiner Notlage auf dem kalten Waldboden holten ihn Forstarbeiter heraus, die seine Rufe gehört hatten. „Als ich die Sonne wieder aufgehen sah, wusste ich schon, jetzt wird dir geholfen. Ich hatte die Hoffnung, dass mich Spaziergänger oder Waldarbeiter finden würden.“
So kam es zum Glück, und der Notarzt brachte Markus Naß zum Klinikum Duisburg, wo er operiert wurde. „Meine Halswirbelsäule war gebrochen, das Rückenmark gequetscht.“ Nach der Operation kam er auf die Intensivstation der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik.
Eine Papierblume als Maskottchen
„Er konnte nichts mehr, gar nichts“, berichtet Vater Rolf Naß von diesen traumatischen Tagen und Wochen. Die ganze Familie mit Mutter Rita und Bruder Andreas brachte sich mit Leib und Seele ein, um ihren Markus auf dem Weg der Genesung zu unterstützen. Er wurde gefüttert, täglich mehrmals besucht.
Der damals vollständig Gelähmte dankt inbrünstig allen „die mich gerettet und mir wieder auf die Beine geholfen haben“. Was Forstarbeiter, Ärzte, Schwestern, Pfleger, Therapeuten, Mitpatienten, Familie und Freunde dazu beitrugen, dass er wieder zurückfand in den Alltag, wird er nie vergessen.
Er dankt auch der kleinen Chantal. Das Kind aus dem Bekanntenkreis seines Bruders bastelte ihm eine bunte Papierblume. „Das war mein Maskottchen, ich hatte sie immer am Bett. Bis Oktober 2010.“
Eiserne Disziplin
Sechs lange Monate verbrachte Markus Naß in der Klinik. Vier lange Monate ging nichts ohne Rollstuhl. Und dann kam „der schönste Tag“. Es war der Tag, „als ich zum ersten Mal aus dem Rollstuhl aufstehen und mich hinstellen konnte“.
Dazwischen lag Training Tag für Tag mit den Therapeuten der Klinik. Bis heute bestimmt eiserne Disziplin den Tageslauf des Neudorfers, dem die täglichen Übungen - mit und ohne Unterstützung - irgendwie in Fleisch und Blut übergegangen sind.
Tatsächlich kann er wieder gehen, sogar Treppen steigen. Er sieht - von den Ärzten ermutigt - eine gute Chance, auch die letzten kleineren Beeinträchtigungen los zu werden. „Mein Ziel ist, wieder zu arbeiten“ , sagt er und resümiert: „Dadurch, dass ich wieder laufen und mich bewegen kann, habe ich eine ganz andere Wahrnehmung fürs Leben bekommen. Ich genieße jeden Tag, egal was er bringt oder wie er ist.“