Duisburg. .
In der aktuellen Integrationsdebatte wird der Duisburger Stadtteil Marxloh als Paradebeispiel für rechtsfreie Räume und Problembezirke genannt. Die Wirklichkeit sieht jedoch ganz anders aus. Integration funktioniert dort besser als anderswo.
„Wenn ich die Nachrichten so verfolge, frage ich mich, ob ich im falschen Stadtteil arbeite.“ Das sagt einer, aus dessen Büro man auf das Pollmann-Eeck, Marxlohs „Epizentrum“, blicken kann. Das sagt Karl-August Schwarthans, der Geschäftsführer der AWO-Integrations gGmbH, und seit Jahrzehnten in die Arbeit mit Migranten involviert.
In die Integrationsdebatte rund um Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin hatte sich auch Bundeskanzlerin Merkel eingeschaltet und Marxloh als Symbol-Stadtteil für rechtsfreie Räume und Problembezirke benannt. „Das spiegelt sich aber in keiner Statistik wider“, betont Schwarthans. So sei die Jugendgerichtshilfe 2009 in 1660 Anklagen tätig gewesen, davon waren 37 Prozent Menschen mit Zuwanderungs-Geschichte. Das Verhältnis wird noch deutlicher, wenn man bedenkt, dass im Stadtteil über 60 % einen Migrationshintergrund haben.
Auch interessant
Schwarthans sieht das nüchtern: „Hier wohnen nicht die oberen Zehntausend, der Stadtteil ist von niedrigen und armen Lebensverhältnissen geprägt. Dreh- und Angelpunkt ist aber die gleichberechtigte Teilhabe. Wenn Menschen das Gefühl haben, immer vor der Tür zu bleiben, ohne Chancen, ohne Aussichten, dann bewegen wir uns in schwierigen Gewässern – egal, wo diese Menschen herkommen.“ Für den 57-jährigen Sozialarbeiter ist an Marxloh aber „nichts Dramatisches oder Gefährliches. Es fahren ja auch viele in New York durch Chinatown und erleben das als positiv“.
Laut Schwarthans fängt das Problem mit der Definition von Integration an. Für ihn ist es zunächst „die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben inklusive Bildungschancen, Arbeitsmarkt und politischer Beteiligung“. Das müsse verbindlich sein. In der Migrantenberatung der AWO gebe es nur wenige, die sich komplett verweigern würden. Die meisten seien an einer guten Schullaufbahn ihrer Kinder interessiert, deren Leistungen würden aber kaum anerkannt, „sie werden nicht mal wahrgenommen“, bedauert Schwarthans. Nur Negativ-Beispiele kursierten. Pauschalisierungen seien aber höchst ungerecht.
Nach seiner Beobachtung gehe es vor allem um die sozialen Milieus, in denen etwa Problemlösungs-Strukturen, Rollenverständnis von Mann und Frau etc. ähnlich seien – unabhängig von der Ethnie. Immerhin 95 Prozent aller Kinder besuchen Kindergärten, Defizite in der deutschen Sprache seien da auch bei deutschstämmigen Kindern aufzufangen. Also wieder ein Problem der Schicht und nicht der Ethnie. Das Schulsystem sei noch nicht geeignet, Kindern unterschiedlicher sozialer Herkunft gleichermaßen einen Aufstieg zu ermöglichen. Der demografische Wandel hin zu einer immer bunteren Gesellschaft zwinge hier aber zu schnellen Lösungen, fordert der Experte.
Die aktuelle Statistik der Polizei zur Kriminalität in Marxloh und anderen Stadtteilen gibt es hier.