Bochum.

Das Quartier Ehrenfeld ist Teil eines zukünftigen großen Kreativviertels der Stadt Bochum. Kreativviertel ist auch eines der Zauberwörter der Stadtentwicklung und der Aktivitäten von RUHR.2010.

Doch was hat das Ehrenfeld, laut des Rankings eines Stadtmagazins das Szene-Viertel Nummer Eins im Ruhrgebiet, damit zu tun? Die Antwort dürfte lauten: vieles und nichts. „Schwule mit Pudeln“ seien auch schon da, teilt der Protagonist in Michealangelo Antonionis Film „Blow Up“ von 1966 seiner Sekretärin mit, jetzt werde es schnell aufwärts gehen mit dem Viertel im „Swinging London“, in dem er gedenkt, eine Immobilie zu erwerben.

Floridas Thesen über die Kreativwirtschaft

Im Jahr 2002 ist es dann der amerikanische Ökonom Richard Florida, der dieser Wahrnehmung handfeste Theorie folgen lässt. In seinem Werk „The Rise of the Creative Class“, das zur Bibel der Apologeten der „Kreativwirtschaft“ wird, beweist er, dass die Anwesenheit einer „Kreativen Klasse“ in einer Stadt für ökonomischen Aufschwung sorgt. Nur Regionen, die diese Personengruppe (Musiker, Designer, Architekten, aber auch Rechtsanwälte, Softwareentwickler und sogar Friseure) halten könnten, würden langfristig erfolgreich sein.

Und um diese zu halten, seien drei Attraktoren entscheidend: Technologie, Talent und Toleranz. Die ersteren sind altbekannt, neu ist Toleranz. Dafür entscheidend sei der Umgang mit „Randgruppen“, zu denen nicht nur Künstler, sondern auch homosexuelle Communities gehören.

Bochum im Jahr 1997

Womit wir wieder in Bochum wären, im Jahr 1997, in dem das Ehrenfeld eine zwar zentral gelegene, aber von Leerstand gekennzeichnete Wohngegend ist.Doch dann siedeln sich innerhalb eines Jahres drei Gastronomien für schwules Publikum an. Ob dabei Pudel gesichtet wurden, ist nicht überliefert, doch das Ehrenfeld gewann deutlich an Attraktivität. Auch die Intendanz Leander Haussmanns an der Königsallee tat Wirkung.

Mit der Gründung der Aktions-Gemeinschaft „Viertel vor“ startete der Kiez dann durch, heute gehören 40 Unternehmen und Geschäfte aller Art dazu, Tendenz steigend, zumeist sind es urbane Geschäftsideen.

„Wir wollten gezielt ins Ehrenfeld“, erzählt etwa Petra von Randow, die mit Patricia Wieczorek 2006 hier die Agentur „Engel und Agenten“ aufgemacht hat. Sie sieht den derzeitigen Popularitätsboom gerne. „Es kommen sogar Leute aus anderen Städten gezielt her“, hat sie bemerkt.

Jetzt eine Fokusbrache

Doch die Aufstiegsgeschichte bekommt durch die Kulturhauptstadt einen anderen Geschmack. Die Kreativwirtschaft wird eine der Fokusbranchen Bochums und so kollidierten die Interessen von Wirtschaftsförderung und den Aktivisten des Viertels positiv. „Plötzlich nehmen wir sogar das Ordnungsamt als Berater wahr“, freut sich etwa Barbara Jessel, Betreiberin des „Orlando“ über angenehme Nebenaspekte der neuen Aufmerksamkeit. Daneben genießt die Aktivistin und Wirtin die jüngere Atmosphäre, das interessantere Straßenbild und die verbesserte Kommunikation. „Auch zwischen älteren, alteingesessenen Bürgern und den zugezogenen. Das war nicht immer so“.

Entsprechend werden billiger Wohnraum und günstige Ladenlokale langsam weniger; ob damit aber eine Gentrifizierung, das meint, die Verdrängung sozial schwächerer Anwohner durch gut verdienende „Kreative“, einher zu gehen droht - wie etwa am Prenzlauer Berg in Berlin oder im Hamburger Schanzenviertel - das wird diskutiert und bleibt abzuwarten.