Berlin. "Soul Kitchen“ heißt der neue Film von Fatih Akin, der an Weihnachten angelaufen ist. Die Komödie, in der es um eine Hamburger Kneipe geht, nennt der Regisseur einen Heimatfilm der neuen Art - und spricht im Interview darüber, was Heimat für ihn bedeutet.
Einen Heimatfilm der neuen Art nennt Regisseur Fatih Akin sein neues Werk „Soul Kitchen“. Familie und Freunde spielen darin wichtige Rollen, es geht um Liebe und Loyalität. Akin ist Hamburger; er wurde als Sohn türkischer Eltern am 25. August 1973 im Stadtteil Altona geboren. Im Interview spricht der Regisseur über die authentischen Bezüge seiner Geschichte, die er in einer Hamburger Kneipe angesiedelt hat. Das Interview hat folgenden Wortlaut:
Was ist denn für Sie Heimat?
Akin: Meine Heimat ist im Augenblick Hamburg. Ich hab' ja mal gesagt, dass Heimat kein geografischer Ort ist. Heimat ist eher ein Zustand im Kopf, also der Ort, an dem man sich gerne aufhält. Es muss also nicht zwangsläufig der Ort sein, an dem man geboren wurde. Bei mir fällt das zufällig zusammen. Aber ich kann Menschen aus Kleinstädten oder Dörfern verstehen, die sich dort nicht heimisch fühlen und dann in die Großstadt gehen. Ich kann Leute verstehen, die sich in der Großstadt nicht wohlfühlen und dann aufs Land gehen. Und die kaufen sich dort einen Bauernhof und fühlen sich dann endlich heimisch.
Spielt der Film mit dem Begriff Heimatfilm?
Akin: Ja, weil er sich mit der Heimat auseinandersetzt, hier im Film ist das die Stadt Hamburg. Bei „Gegen die Wand“ und „Auf der anderen Seite“ waren die Städte, inklusive Istanbul, austauschbar. Strukturen und Mechanismen, von denen wir in „Soul Kitchen“ erzählen, gibt es in jeder Großstadt daher kann sich vielleicht jeder damit identifizieren... Der Film steht zwar in der Tradition von „Und ewig ruft der Berg“, aber er hat einen urbanen Kontext, keinen ländlichen Kontext.
Soul Kitchen
Deutscher Kinostart: 25.12.2009Regie: Fatih AkinDarsteller: Moritz Bleibtreu, Lucas Gregoriwicz, Adam Bousdoukos, Pheline Roggan, Demir Gökgol
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Gibt es in Hamburg bestimmte Orte, die Sie besonders lieben?
Akin: Natürlich kommen diese Orte im Film vor, weil ich mich bemüht habe, keinen Postkartenfilm zu machen. Also wir wollten es nicht so zeigen: hier die Alster, hier die Elbe. Es ging schon darum, ein erlebtes Gefühl wiederzugeben. Ich bin immer ein Club-Mensch gewesen. Seit ich zwölf Jahre alt war, habe ich mich in Diskotheken herumgetrieben. Bis jetzt. Jetzt bin ich langsam zu alt dafür und gehe in die schönen Museen, die wir ja auch haben. Mit diesem Lebensgefühl, das in dem Film geschildert wird, habe ich die Stadt erlebt: Also Party machen, in den Club gehen und auch mal den Plattenspieler klauen.
Drehorte in Vierteln mit Abriss-Plänen
Ist das auch ein persönlicher Blick zurück?
Akin: Ja, das ist nostalgisch, auf jeden Fall. Wir haben Drehorte ausgesucht, die es jetzt gar nicht mehr gibt, die abgerissen worden sind oder die abgerissen werden sollen. Der Mojo-Club ist ein legendärer Soulladen gewesen, wo auch Prince mal aufgetreten ist. Diesen Laden, der so wunderschön war, gibt es jetzt nicht mehr. Das Gängeviertel, das ist ein Gründerzeitviertel, ist an holländische Investoren verkauft worden, die das abreißen wollen, um ein Bürohochhaus zu bauen. (Anmerkung der Redaktion: Nach dem Protest von Künstlern sollen die alten Häuser doch bleiben.) Wir haben bewusst Objekte ausgesucht, die von der Gentrifizierung betroffen sind sie verändert ja auch die Heimat.
Wie können Menschen, die sich zwischen zwei Kulturen bewegen, das Gefühl der Heimat definieren?
Akin: Ich hab' für mich erkannt, dass ich nicht mehr zwei Heimaten habe. Es hat auch mit Loslassen zu tun. Also, als ich ausgezogen bin von zu Hause, das war ein Drama. Ich für mich habe erkannt, so sehr ich die Türkei auch liebe, es ist das Land meiner Eltern, meine Heimat ist aber hier in Deutschland. Ich liebe meine Eltern, und das Verhältnis, was ich dem Land gegenüber habe, ist sehr familiär bestimmt. Ich fühle mich verantwortlich, weil ich mich meinen Eltern gegenüber verantwortlich fühle.
„Soul Kitchen“ ist eine Komödie; war die Zeit dafür gekommen?
Akin: Meine Filme spiegeln immer auch meinen Gemütszustand wider. Also, bei der Arbeit an „Gegen die Wand“ war ich sehr wütend, das war die Zeit nach dem 11. September... Während ich an „Auf der anderen Seite“ gearbeitet habe, wurde mein Kind geboren. Da bin ich mit der eigenen Vergänglichkeit konfrontiert worden, da hatte ich eine nachdenkliche Phase. In eine solche Stimmung zu kommen, geht nicht auf Kommando. „Gib uns mal den wütenden Türken, Alter!“, das geht nicht. Wenn er nicht da ist, ist er nicht da. Aber nach „Auf der anderen Seite“ hatte ich schon die Sehnsucht, etwas Fröhliches zu machen.
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Analog zum Thema Heimatfilm arbeiten Sie ja auch immer mit einer Art Familie, Moritz Bleibtreu gehört dazu, Birol Ünel. Ist das Ihre Filmfamilie?
Akin: Ja, es ist natürlich viel einfacher, mit Leuten zu arbeiten, die du kennst, du verlierst nicht so viel Zeit mit dem Kennenlernen. Es ist ja immer eine Melange von alten und neuen Leuten. Natürlich ist auch spannend, neue Leute kennenzulernen, aber man spart sehr viel Zeit, wenn man mit denen arbeitet, die man gut kennt.
Filmemachen ist wie HipHop
Deutscher, griechischer, türkischer Humor kommt in „Soul Kitchen“ vor; lachen wir denn alle über das Gleiche?
Akin: Oh, nee! Das ist schwierig. Daran habe ich am meisten während der Dreharbeiten gezweifelt. Ich wollte den Film nicht aus dem Effekt heraus komisch machen. Wir haben zum Beispiel schrille Klamotten wieder herausgenommen. Eigentlich haben wir gegen alles gearbeitet, was den Zuschauer provozieren soll zu lachen. Und dann kamen von den anderen beim Dreh so Sätze wie „Das ist doch keine Komödie, das ist doch'n Drama und nicht witzig.“
Also Mensch, ich sehe bei Wikipedia nach, was eine Komödie ist. Da steht: „Ein Drama mit positivem Ausgang. Und im günstigsten Fall lacht der Zuschauer über die Schwächen des Helden.“ Na, hab' ich gesagt, das ist doch genau das, was ich mache! Ich kann mich nur daran orientieren, was ich selber witzig finde: Türkische Komödien, Woody Allen, Charly Chaplin, die Coen-Brüder, Jim Jarmusch - finde ich lustig, also packe ich das in den Film hinein. Filmemachen ist wie HipHop. Du nimmst die besten Beats und die besten Sounds und dann sampelst du das. Es ist nicht Klauen oder Imitieren, es ist Adaptieren. Das macht es auch so universell.
Ihr Film kommt zu Weihnachten in die Kinos, was bedeutet denn Weihnachten für Sie?
Akin: Meine Frau ist aus Mexiko und hat einen katholischen Background. Und ich habe ein Kind, und das liebt Weihnachten also feiern wir Weihnachten.
Sind auch die Eltern dabei?
Akin: Nein, ich bin bei meinen Schwiegereltern. Meine Eltern sind meist zu Weihnachten in der Türkei. (apd)