Duisburg. . 600 begeisterte Zuschauer erlebten am Samstag das Tanztheater „In Forest“ im Theater am Marientor. Das Stück beleuchtet die Entfremdung des Menschen von der Natur und bot bei seiner ersten Aufführung seit 1993 einen kritisch-unterhaltsamen Abend.

Naturgeräusche und das Plätschern des Regens erfüllen den Saal, die Bühne des Theaters am Marientor ist in grünliches Zwielicht getaucht. Wie gebannt blicken 600 Zuschauer nach vorne, als plötzlich eine große Traube Urwaldbewohner herbeiströmt. Gleichmäßig schwingen sie ihre Arme durch die Luft, wirbeln im Staccato über die Bühne und bewegen sich wie ein lebendiger Organismus. So beginnt die einstündige Entführung in das Reich des Waldes: „In Forest“ heißt das Stück, das die Tanzwerkstatt Ulla Weltike am Samstagabend präsentierte.

Fortschritt zu Lasten der Natur

„Wir Menschen haben uns sehr weit von der Natur entfremdet“, sagt Ulla Weltike, Leiterin des Duisburger Tanztheaters, philosophisch. „Das ist sehr gefährlich. All der Fortschritt geht zu Lasten der Natur, auch der des Menschen.“ Eine brisante und hochaktuelle Thematik also, die die Community-Tanzgruppe künstlerisch hervorragend umsetzte.

In ruhigen, besinnlichen Passagen schleichen die Darsteller umher und treiben die Dramatik in die Höhe. Dann entlädt sich die gesamte Spannung mit einem Mal, mit Händen und Füßen trommeln die Tänzer auf den Boden und ziehen eine von ihnen wie eine Marionette an Fäden über die Bühne.

Urwald-Atmosphäre

Premiere hatte das Stück 1993 während der 17. Duisburger Akzente, wurde seitdem aber nie wieder aufgeführt. „2011 ist das Internationale Jahr der Wälder“, sagt Ulla Weltike. „Da passt das Stück hervorragend.“ Im vergangenen Jahr begannen Weltike und ihre Gruppe mit der Einstudierung. Die Choreographie stammt von Royston Maldoom, für die Musik ist Barry Ganberg verantwortlich, der eigens aus London angereist war. Mit Gitarren, Trommeln und Percussion sorgen die Musiker für die passende Untermalung. Besonders auffällig sind die baumähnlichen Klangskulpturen, die sich nahtlos in das Bühnenbild einfügen. Gemeinsam mit den Lichtverhältnissen und der Kostümierung der Tänzer sorgen sie für echte Urwald-Atmosphäre.

Kritisch-unterhaltsamer Abend

Ständig schlüpfen die fast achtzig Tänzer in andere Rollen, sind mal wilde Affenbande, mal High-Society-Ladys auf einer Cocktail-Party. Ulla Weltike: „Über die Tiere lachen wir, aber sind wir selbst nicht manchmal äffischer?“ Gerade noch ausgelassen, kippt plötzlich die Stimmung: Kreischende Motorsägen sorgen für ein bedrohliches Szenario, Hektik macht sich breit. Die Umweltverschmutzung hat den Urwald erreicht, ein Atommüll-Fass steht symbolträchtig inmitten der Künstler. Schützend tragen die Waldbewohner ihre tierischen Brüder von der Bühne - das Ende kommt abrupt und regt an zum Nachdenken.

Und Ulla Weltike bekommt zum Dank neben minutenlangem Applaus keinen Blumenstrauß, sondern passenderweise einen halben Urwald an Pflanzen. Ein kritisch-unterhaltsamer Abend.