Duisburg. .
Plagiatsvorwürfe gegen Jürgen Meister bringen die Initiative Spendentrauermarsch in die Bredouille: Der Künstler soll den Entwurf der Stele zum Gedenken an die Loveparade-Opfer „geklaut“ haben. Die Lizenz zur Verarbeitung der Grafik hatte er wohl.
Duisburgs Alt-Oberbürgermeister Josef Krings war am Dienstagmittag „einfach ratlos und entsetzt. Wie kann uns das ein Künstler in einer Zeit solcher Offenheit verschweigen und dann noch glauben, dass so etwas unentdeckt bleibt?“ Peinlich berührt hatten ihn die Plagiatsvorwürfe gegen den Künstler Jürgen Meister. Am Montag erst hatte eine Jury der Initiative Spendentrauermarsch um den Alt-OB bekanntgegeben, dass sie Meisters Entwurf einer Gedenkstele für die getöteten und verletzten Opfer der Loveparade aus 39 Vorschlägen einstimmig ausgewählt hat.
Der genaue Vorwurf, den nach der Berichterstattung auch DerWesten-Leser formulierten: Der Grevenbroicher Künstler habe den Entwurf bei der Online-Bildagentur Fotolia geklaut. Dort bietet User „pdesign“ verschiedene Formate einer Schwarzweiß-Darstellung zum Himmel gereckter Hände zum Verkauf. Je nach Dateigröße und Umfang der Lizenzen verlangt der Anbieter für den Download zwischen 75 Cent und 26,25 Euro. Und: Die Silhoutte der Grafik ähnelt der von Meisters Entwurf bis auf zahlreiche Details genau. Die Vorlage erlaubt obendrein die vielfach gelobte Doppeldeutung: Auf den ersten Blick jubeln die Hände, auf den zweiten flehen sie um Hilfe. Haltung und Position einzelner Arme, Hände und Finger hat Meister sogar eins zu eins übernommen.
Konter mit Marcel Duchamps „Ready-made“
Nichtsdestotrotz verweist der attackierte Künstler, der seine Arbeiten zum Beispiel 2003 in der Galerie des Duisburger Lehmbruck-Museums ausstellte, auf seine künstlerische Eigenleistung: „Ich werde hier auf ungerechte Weise diskreditiert und verleumdet.“ Die Plagiatsvorwürfe seien „vollkommen haltlos.“
Dabei bestreitet der 57-Jährige gar nicht, mit der bei Fotolia angebotenen Grafik gearbeitet zu haben, verweist aber auf seine Arbeitsweise: „Früher haben sich Künstler von der Natur inspirieren lassen, ich lasse mich von der modernen Welt, von Grafiken, Fotos und Bildern inspirieren, wie sie auf solchen Internet-Plattformen zu sehen sind.“ Auf dem Weg zu „meinem Kunstwerk“ habe er Darstellungen feiernder Menschen im Internet gesucht, gefunden - und erworben. So auch die Fotolia-Dateien: „Ich habe alle Lizenzen gekauft und damit auch das Recht, daraus Derivate zu kreieren.“
Aus der (foto)grafischen Vorlage habe er „durch Bearbeitung, Ergänzung, Löschung und weitere Veränderungen meine Idee einer Silhouette entwickelt, die dann auch zum Schneiden der Stahlbramme verwandt werden wird.“ In das zwei mal sechs Meter große Stahlrelief will Meister zudem die Namen der 21 Todesopfer eingravieren.
Letztlich habe er also „zitiert, nicht geklaut“, frei nach Marcel Duchamp, der den Begriff des „Ready-made“ prägte: Sinngemäß ist danach bereits die Selektion existierender Objekte und deren Versetzen in einen künstlerischen Zusammenhang ein künstlerischer Akt. Mit dieser Argumentation kontert letztlich auch Jürgen Meister die Plagiatsvorwürfe.
Jury berät am Mittwoch
Wie dem auch sei: Einige der acht Jury-Mitglieder sehen sich in der Bredouille. Im Gremium sitzt neben Josef Krings jeweils ein Mitglied der Vereine, die der Initiative Spendentrauermarsch angehören (Pro Duisburg, Lions-Club Duisburg-Rhenania, Bürgerhaus Steinhof in Huckingen und Stadtsportbund). Und auch Sabine Siebenlist hatte mitentschieden: Ihre Tochter war bei der Loveparade ums Leben gekommen. „Und besonders die Angehörigen der Todesopfer“, erklärt Josef Krings, „haben sich für den Siegerentwurf eingesetzt, weil er nach ihrem Empfinden die Emotionen, die Antmosphäre so genau trifft.“
Trauermarsch für Mahnmal
Besonders darum übte sich Hermann Kewitz, Vorsitzender von Pro Duisburg, am Dienstagnachmittag in Gelassenheit: „Wir wollten kein Kunstwerk von Jürgen Meister, sondern eines, das die Gefühlslage trifft, eines, das uns geeignet scheint, an die Opfer zu erinnern und zu mahnen.“ All diese Kriterien erfülle der Siegerentwurf nach wie vor, „unabhängig davon, wer die Idee dazu hatte.“ Gleichwohl gestand Kewitz mit „besonderer Erleichterung vernommen zu haben“, dass Jürgern Meister auch die Lizenz zur künstlerischen Weiterverarbeitung der Vorlage erworben hatte.
Aus Spenden finanziert
Schon am Mittwoch wollen die Juroren zusammenkommen und beraten, welche Position sie vertreten wollen. Während Josef Krings am Dienstagmittag einen Neustart des Ideenwettbewerbs für möglich hielt, verweist Kewitz auch auf die juristische Beurteilung: Danach, so scheint es, hatte Meister das Recht zur Verwendung der Vorlage. „Aber auch das“, bilanziert Kewitz, „müssen wir ganz genau prüfen.“
In einer Pressemitteilung am späten Dienstagnachmittag bedeuert die Initiative Spendentrauermarsch „zutiefst, dass es in Zusammenhang mit der Gestaltung des Gedenkzeichens, das im Wesentlichen aus Spendenmitteln Duisburger Bürgerinnen und Bürger finanziert wurde, zu einer solchen Irritation gekommen ist.“