Berlin/Duisburg/Oberhausen. .

„Es wäre gut, wenn Duisburg das Synonym für helfende Hände werden würde“, sagte Christian Wulff am Freitag im Schloss Bellevue. Der Bundespräsident zeichnete 200 Retter und Helfer für ihren Einsatz bei der Loveparade-Katastrophe aus.

Bundespräsident Wulff ehrt die Helfer der Loveparade-Katastrophe (von rechts): die Notfallseelsorger Pater Michael Stern, Angelika Koopmann, Richard Bannert und Jutta Unruh. Foto:  WAZ FotoPool
Bundespräsident Wulff ehrt die Helfer der Loveparade-Katastrophe (von rechts): die Notfallseelsorger Pater Michael Stern, Angelika Koopmann, Richard Bannert und Jutta Unruh. Foto: WAZ FotoPool

Notfallseelsorger tragen Lila. Damit man sie unter den Rettern gleich erkennt. Jutta Unruh hätte die Arbeitsweste also ruhig anziehen können, am Freitagmorgen im Berliner Schloss Bellevue. Sie steckt schließlich noch mitten im Einsatz: Die evangelische Seelsorgerin betreut seit der Katastrophe bei der Duisburger Loveparade Überlebende und Angehörige. Am Freitag wurde Unruh mit rund 200 anderen Rettern und Helfern von Bundespräsident Christian Wulff geehrt.

„Viele Angehörige“, sagt Jutta Unruh, „haben jetzt Angst vor Weihnachten.“ Sie haben Kinder oder Enkel verloren und fragen sich, was dieses Familienfest für sie noch bedeuten soll. „Um sie herum tobt Weihnachten, aber sie gehören nicht dazu.“ Unruh organisiert Gespräche, Treffen, ganze Wochenenden. Auch die Beratungs-Hotline der Landeskirche Rheinland (0800-2472010) bleibt bis zum Jahrestag des Unglücks im nächsten Sommer geschaltet.

Das Leben der Überlebenden muss weitergehen

Im Berliner Schloss Bellevue, nur ein paar Meter entfernt, sitzt an diesem Freitagmorgen auch Angelika Koopmann aus Oberhausen, Krankenhausseelsorgerin seit fast 25 Jahren. Sie erinnert sich an jede Minute des Katastrophentags vor knapp fünf Monaten. Koopmann hatte Bereitschaftsdienst. Gegen 17 Uhr hört sie eine Polizistin sagen: „Wir kriegen Stress.“ Eine Stunde später teilt sich die Seelsorgerin mit Pater Michael Stern, Prämonstratenser aus Duisburg-Hamborn, die ersten Fälle.

Koopmann spricht mit einem erschütterten 60-jährigen Polizisten, dann mit den jungen Beamten der Hundertschaft, die im Tunnel die Wege sichern sollte, später mit einer Mutter, in deren Arm ein fremdes Mädchen gestorben ist, die eigene Tochter hat überlebt. Die Seelsorgerin hat ein Bild für die psychische Überforderung in solchen Minuten: „Man steht an der Laderampe und muss fünf Siebentonner allein ausräumen.“ Sie hört zu - und fragt am Ende: „Was tust du morgen?“ Das Leben der Überlebenden muss weitergehen.

Auch Thomas Poschkamp vom Technischen Hilfswerk (THW) ist an diesem Morgen nach Berlin gekommen, auch er beendet seine Krisengespräche mit einer kleinen Wende: „Gab es auch irgendetwas Positives?“ fragt der Leiter des zuständigen Einsatznachsorgeteams seine Kollegen. Die Antwort am Abend des 24. Juli: „Man schaut sich jetzt anders an.“ Zum ersten Mal, sagt Poschkamp, hätte im Einsatz keiner mehr darauf geachtet „ob einer die richtige Uniform anhat oder nicht“, die Einsatzkräfte und Hilfsorganisationen unterstützten sich gegenseitig, wo es gerade ging.

Poschkamp, der Helfer für die Helfer, hatte ausgerechnet am Tag der Loveparade Geburtstag, der Anruf aus der Leitstelle erreichte den 38-Jährigen beim Einkauf für seine Gäste. Im Nachhinein, sagt der THW-Mann, hätte er sich gefreut, wenn das Land oder die Stadt Duisburg den Helfern deutlicher ihre Anerkennung gezeigt hätten. Das tut jetzt der Präsident.

Auch die Helfer selbst wurden verletzt

Im großen Saal von Schloss Bellevue sitzen sie nebeneinander: Feuerwehrleute und Polizisten, Johanniter und Malteser, die Retter vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) und vom Arbeiter-Samariter- Bund (ASB), die Gruppe vom Technischen Hilfswerk (THW), Ärzte, Pfleger und Schwestern aus Duisburger Krankenhäusern, evangelische und katholische Seelsorger und eine Hand voll Menschen ohne besonderen Auftrag, die an jenem Sommerabend Ende Juli einfach an der richtigen Stelle das Richtige taten.

„Das Land“, so Wulff, „kann froh sein, dass es Sie gibt.“ Die Erinnerungen an die Loveparade seien nicht nur durch Angst und Entsetzen geprägt, sondern auch durch die beeindruckende Arbeit der Retter. „Es wäre gut, wenn Duisburg das Synonym für helfende Hände werden würde.“ Ganz besonders dankte der Präsident den Notfallseelsorgern. „Unzählige Menschen sind an Leib und Seele verletzt worden, auch die Helfer selbst.“

Björn Rodeike, Zugführer beim THW, hat damals seine Leute in die Einsatznachsorge zu Thomas Poschkamp geschickt. „Im Einsatz überlegt man nicht, da ist man einfach eingeschaltet“, sagt der 32-Jährige. Aber danach, das Abschalten, das fiel schwer: Einen Monat hat Rodeike gebraucht, um wieder zur Ruhe zu kommen. Trotzdem kann er sich mit der Ehrung noch nicht recht anfreunden: „Wir haben da einfach unseren Job gemacht.“ Die Auszeichnung des Präsidenten, sagt er, „nehme ich zu hundert Prozent für meine Leute mit.“

Wie Duisburg nach der Loveparade trauerte

Was am Ende übrig bleibt: ein rotes Stoffherz, das auf dem Boden liegt. 21 Menschen werden es später sein, die ...
Was am Ende übrig bleibt: ein rotes Stoffherz, das auf dem Boden liegt. 21 Menschen werden es später sein, die ... © ddp
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... beim Unglück von Duisbug ihr Leben lassen mussten. Die Parade der Liebe endet ... © ddp
... trifft das Unglück bis ins Mark. Die Party hatte die größte sein sollen, ...
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... die dort jemals gefeiert wurde. Stattdessen wird sie zur Todesfalle. Das Kopfsteinpflaster des kargen Geländes wird auf ewig verbrannte Erde sein. Am Tag, ...
... die dort jemals gefeiert wurde. Stattdessen wird sie zur Todesfalle. Das Kopfsteinpflaster des kargen Geländes wird auf ewig verbrannte Erde sein. Am Tag, ... © ddp
... nach dem das Unfassbare Wirklichkeit geworden ist, kehren die Menschen zurück an den Ort des Geschehens. Ganz so,...
... nach dem das Unfassbare Wirklichkeit geworden ist, kehren die Menschen zurück an den Ort des Geschehens. Ganz so,... © ddp
... als könne die Unglücksstätte selbst eine Erklärung liefern. Wie nur hatte das passieren können? Der dunkle Karl-Lehr-Tunnel...
... als könne die Unglücksstätte selbst eine Erklärung liefern. Wie nur hatte das passieren können? Der dunkle Karl-Lehr-Tunnel... © Markus Joosten / WAZ FotoPool
... wird zum Sinnbild der allerletzten Loveparade. Am Tag eins danach ...
... wird zum Sinnbild der allerletzten Loveparade. Am Tag eins danach ... © Markus Joosten / WAZ FotoPool
... geben die Behörden den Tunnel für die Trauernden frei. Die Menschen zünden Kerzen an, ...
... geben die Behörden den Tunnel für die Trauernden frei. Die Menschen zünden Kerzen an, ... © APN
... legen Blumen im Gedenken an die Verstorbenen nieder und schreiben ihre Gefühle auf Karten, die sie dazu stecken. Seinen Schrecken kann...
... legen Blumen im Gedenken an die Verstorbenen nieder und schreiben ihre Gefühle auf Karten, die sie dazu stecken. Seinen Schrecken kann... © ddp
... dieser düstere Ort allein durch die Lichter nicht verlieren. Aber vielen hilft es, dort zu sein, sich selbst ein Bild zu machen. Vom Tunnel, von der Rampe und ...
... dieser düstere Ort allein durch die Lichter nicht verlieren. Aber vielen hilft es, dort zu sein, sich selbst ein Bild zu machen. Vom Tunnel, von der Rampe und ... © Markus Joosten / WAZ FotoPool
... von den schmalen rettenden Aufgängen, die manche erst zu spät erreichten. Ihr Tod...
... von den schmalen rettenden Aufgängen, die manche erst zu spät erreichten. Ihr Tod... © ddp
... soll nicht vergessen werden:
... soll nicht vergessen werden: "Wir sind in Gedanken bei euch und bei allen, ... © ddp
... die ihr zurückgelassen habt
... die ihr zurückgelassen habt", sagen die © Markus Joosten / WAZ FotoPool
... Dutzenden von Kerzen, die nach und nach das Gelände des Güterbahnhofs...
... Dutzenden von Kerzen, die nach und nach das Gelände des Güterbahnhofs... © Markus Joosten / WAZ FotoPool
...und den Karl-Lehr-Tunnel in ein warmes Rotlicht tauchen. Ihre Anteilnahme...
...und den Karl-Lehr-Tunnel in ein warmes Rotlicht tauchen. Ihre Anteilnahme... © Markus Joosten / WAZ FotoPool
... schreiben viele -
... schreiben viele - "Rest in Peace", ruhet in Frieden. Was ist mehr zu sagen,... © Markus Joosten / WAZ FotoPool
... wenn junge Menschen ihr Leben lassen, weil Politik und Verwaltung eine Veranstaltung genehmigen, die in der Form niemals hätte in Duisburg stattfinden dürfen? Die Bilder...
... wenn junge Menschen ihr Leben lassen, weil Politik und Verwaltung eine Veranstaltung genehmigen, die in der Form niemals hätte in Duisburg stattfinden dürfen? Die Bilder... © ddp
... der Trauernden von Duisburg berühren ganz Deutschland. Sie ...
... der Trauernden von Duisburg berühren ganz Deutschland. Sie ... © Markus Joosten / WAZ FotoPool
... gehen um die Welt. Nicht nur Deutsche sind gestorben. Weitere Opfer kommen aus Australien, den Niederlanden, ...
... gehen um die Welt. Nicht nur Deutsche sind gestorben. Weitere Opfer kommen aus Australien, den Niederlanden, ... © APN
...gilt das Beleid der Trauernden. Mit Blumen und Grablichtern verleihen sie ihrem Mitgefühl Ausdruck. Eine Skulptur...
...gilt das Beleid der Trauernden. Mit Blumen und Grablichtern verleihen sie ihrem Mitgefühl Ausdruck. Eine Skulptur... © ddp
... aus Eis steht zwei Tage nach dem Umglück vor dem Karl-Lehr-Tunnel.
... aus Eis steht zwei Tage nach dem Umglück vor dem Karl-Lehr-Tunnel. "In tiefer Trauer" ist in den Quader eingraviert. Aus den vereinzelten... © ddp
... Kerzen ist inzwischen ein regelrechtes Lichtermeer geworden. Hunderte Menschen kommen in den Tunnel. Vielen hilft es, nicht allein zu sein. Sie fassen sich an den Händen,...
... Kerzen ist inzwischen ein regelrechtes Lichtermeer geworden. Hunderte Menschen kommen in den Tunnel. Vielen hilft es, nicht allein zu sein. Sie fassen sich an den Händen,... © ddp
....halten einander fest und umarmen sich. Noch immer ist für die meisten kaum fassbar, ...
....halten einander fest und umarmen sich. Noch immer ist für die meisten kaum fassbar, ... © ddp
... dass junge Menschen unter der Last anderer Menschen gestorben sein sollen, dass sie nicht mehr da sind, ...
... dass junge Menschen unter der Last anderer Menschen gestorben sein sollen, dass sie nicht mehr da sind, ... © ddp
... und nicht mehr zurückkehren. Der Schock sitzt tief, nicht nur...
... und nicht mehr zurückkehren. Der Schock sitzt tief, nicht nur... © ddp
... bei den Angehörigen der Opfer und bei den Besuchern der Parade: Ganz Duisburg hat die Katastrophe getroffen. Unbeteiligte fühlen mit den Betroffenen mit. Das Unglück...
... bei den Angehörigen der Opfer und bei den Besuchern der Parade: Ganz Duisburg hat die Katastrophe getroffen. Unbeteiligte fühlen mit den Betroffenen mit. Das Unglück... © ddp
... kann niemanden kalt lassen.
... kann niemanden kalt lassen. "Deutschland... © ddp
... trauert um euch
... trauert um euch" steht auf einem Deutschlandschal, den jemand vor Kerzen und Blumengestecken ausgebreitet hat. In die Trauer der Menschen... © ddp
... dass ihr Kind starb, weil - so nehmen es viele an - das Streben nach Prestige und Profit stärker war als das nach Vernunft und Sicherheit? Die Stadt...
... dass ihr Kind starb, weil - so nehmen es viele an - das Streben nach Prestige und Profit stärker war als das nach Vernunft und Sicherheit? Die Stadt... © ddp
... solle sich schämen, schreibt jemand auf eine Karte.
... solle sich schämen, schreibt jemand auf eine Karte. "Warum habt ihr uns das angetan?" steht... © ddp
... auf einem Stein, der inmitten des Kerzenmeeres liegt. Die Frage ist unterschrieben mit
... auf einem Stein, der inmitten des Kerzenmeeres liegt. Die Frage ist unterschrieben mit "eine Mutter". Noch Tage nach der Katastrophe zünden Trauernde... © ddp
... Lichter an und bringen frische Blumensträuße in den Karl-Lehr-Tunnel. Ein Turnschuh...
... Lichter an und bringen frische Blumensträuße in den Karl-Lehr-Tunnel. Ein Turnschuh... © WAZ Foto Pool
... liegt zwischen den Blumen. Viele Loveparade-Besucher hatten während der Massenpanik an der Rampe ihre Schuhe verloren. Im Karl-Lehr-Tunnel...
... liegt zwischen den Blumen. Viele Loveparade-Besucher hatten während der Massenpanik an der Rampe ihre Schuhe verloren. Im Karl-Lehr-Tunnel... © ddp
... tragen sich hunderte Trauernde in ein Kondolenzbuch ein. Sie schreiben ihre Gefühle nieder...
... tragen sich hunderte Trauernde in ein Kondolenzbuch ein. Sie schreiben ihre Gefühle nieder... © ddp
... und versuchen in Worte zu fassen, was die Loveparade-Katastrophe angerichtet hat. 21 Tote, 500 Verletzte, unzählige Trauernde: Der 24. Juli 2010...
... und versuchen in Worte zu fassen, was die Loveparade-Katastrophe angerichtet hat. 21 Tote, 500 Verletzte, unzählige Trauernde: Der 24. Juli 2010... © ddp
... ist ein schwarzer Tag für Duisburg. Nach ihm, so steht es auf einem Banner über dem Tunneleingang, wird nichts mehr so sein, wie es einmal war. 21 Kreuze, ...
... ist ein schwarzer Tag für Duisburg. Nach ihm, so steht es auf einem Banner über dem Tunneleingang, wird nichts mehr so sein, wie es einmal war. 21 Kreuze, ... © ddp
... die für die 21 Toten stehen - sind an der Unglücksstelle vor dem alten Güterbahnhof angebracht.
... die für die 21 Toten stehen - sind an der Unglücksstelle vor dem alten Güterbahnhof angebracht. "Unschuldig gestorben" ist auf dem Längsbalken des großen Kreuzes zu lesen. Es ist diese unglaubliche Tragödie, die... © ddp
... die Menschen so zahlreich an die Unglücksstelle zieht. Auch Tage nach dem Unglück bleibt die Anteilnahme überwältigend. Es ist eine Frage, die...
... die Menschen so zahlreich an die Unglücksstelle zieht. Auch Tage nach dem Unglück bleibt die Anteilnahme überwältigend. Es ist eine Frage, die... © ddp
... am Ende übrig bleibt und alle Trauernden eint: Warum mussten 21 Menschen sterben?
... am Ende übrig bleibt und alle Trauernden eint: Warum mussten 21 Menschen sterben? © ddp
Warum?
Warum? © WAZ Foto Pool
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