„Den rassistischen Konsens brechen“ fordern die einen, „Stoppt die antiislamische Hetze“ die anderen. Sie protestieren im Kantpark gegen den Auftritt von Thilo Sarrazin mit dem Fotografen Horst Wackerbarth im Lehmbruck-Museum.
Zwischen weißen Schneeflocken leuchten die Fahnen der Grünen, zwischen den Bäumen stehen Anhänger der Antifa, rund 120 vornehmlich junge Leute insgesamt - und die 77-jährige Inge Holzinger vom Friedensforum: „Ich finde es unerträglich, dass 65 Jahre nach dem Faschismus wieder so rassistische Thesen hochkommen. Da ist es gut, dass junge Leute hier sind, damit ihre Zukunft frei von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ist.“
Aus der warm vermummten Gruppe friedlicher Demonstranten lösen sich kurz vor halb acht rund 50 zum Teil Linksautonome, die mit lautem Geschrei und Gepfeife zum Museum stürmen, eine Polizeikette durchbrechen, rund 30 Meter vor dem Haupteingang aber wieder gestoppt werden können. Dabei werfen sie Feuerwerkskörper und Schneebälle, verletzen zum Glück niemanden.
Sarrazin in Duisburg
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Derweil müssen drinnen alle 200 Karteninhaber einen ausführlichen Sicherheitscheck über sich ergehen lassen. „Das ist schon pervers“, staunt Raimund Stecker, Direktor des Lehmbruck-Museums, über die Polizeipräsenz in und um sein Haus. „Der ganze Park ist voll.“ Dennoch wolle er den Abend „so normal wie möglich“ gestalten, auch wenn sein Gast Thilo Sarrazin unter Personenschutz stehe. „Ich weiß, dass er kalkuliert provoziert“, so Stecker, aber das sei „nicht undemokratisch“ und dürfe nicht kriminalisiert werden.
OB Adolf Sauerland sagte vor der Veranstaltung: „Man sollte sich der Diskussion stellen. Ich hoffe, dass auch viele Teilnehmer dabei sind, die berichten werden, was an Integrationsleistung in Duisburg möglich ist. Was wir an Integration erreicht haben, sollten wir uns nicht zerreden lassen.“ SPD-Landtagsabgeordneter Rainer Bischoff erklärte: „Ich habe kein Verständnis dafür, dass diese Lesung an einem Ort stattfindet, der zu Ehren eines von den Nazis verfolgten Künstlers gebaut wurde.“ Matthias Schneider (Grüne) ergänzt: „Hier wird einem der stärksten Störer des Integrationsprozesses eine Bühne für seine rechtspopulistischen Thesen geboten, und das ist schlicht unerträglich.“
Kulturdezernent Karl Janssen ging jedoch „mit großer Neugier ins Lehmbruck-Museum. Ich hatte allerdings noch keine Zeit, das ganze Buch zu lesen. Ich habe nur den Eindruck, dass Sarrazin sehr populistisch rüberkommt. Wenn die Veranstaltung dazu dient, über Integration zu diskutieren, dann ist das gut.“ Ähnlich offen erklärte Bürgermeister Manfred Osenger (SPD): „Wir leben in einer Demokratie. Und dazu gehört auch, solchen Menschen zuzuhören. Ich habe zwar das Buch nicht gelesen, aber die Diskussion zeigt, dass in der Integrationsarbeit der Vergangenheit nicht alles richtig gelaufen ist!“
Peter Gasse, Arbeitsdirektor Hüttenwerke Krupp-Mannesmann: „Ich gehöre zu den Duisburger Bürgern, die sich schämen, dass verbunden mit dem Namen des Bergarbeitersohnes Wilhelm Lehmbruck einem zweifelhaften Menschen eine solche Bühne geboten wird.“ Auch Bürgermeister Erkan Kocalar (Die Linke) glaubt nicht, „dass Herr Sarrazin der Integrationsdebatte in unserer Stadt gut tut. Seine Anwesenheit könnte die Gemüter unnötig aufheizen, ohne uns sachlich weiterzubringen.“
„Er hat viele Menschen sehr verletzt“, sagt Leyla Özmal, Leiterin des Referats für Integration der Stadt. Deshalb hätte sie es besser gefunden, Sarazzin mit der Wirklichkeit hier zu konfrontieren, mit Jugendlichen mit Migrationshintergrund, mit Hartz IV’lern. Dennoch: „Die Demokratie verträgt solche Debatten.“
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