Duisburg. .

Nach dem Loveparade-Drama in Duisburg gibt es erste Pläne für eine „Love“-Stiftung für die Opfer. Mit im Boot ist Loveparade-Erfinder Dr. Motte. Das Vorhaben stößt nicht nur auf Gegenliebe: Opfer und Hinterbliebene fürchten eine Neuauflage der Parade.

Dass Lopavent-Chef Rainer Schaller und Loveparade-Erfinder Dr. Motte sich nicht grün sind, ist bekannt. Doch nun scheint die Antipathie der beiden ein neues Stadium erreicht zu haben. Der Berliner Discjockey Dr. Motte alias Matthias Roeingh arbeitet, wie berichtet, an der Gründung der „Love“-Stiftung, die das Leid der Opfer des Duisburger Dramas wiedergutmachen möchte. Kritiker vermuten allerdings, er wolle sich vor allem wieder ins Gespräch bringen, plane womöglich für das nächste Jahr in Berlin eine neue Parade.

Zehn Millionen Euro

Die Vorwürfe waren deftig. Von leeren Versprechungen war die Rede, von vertröstenden Standardschreiben und Hinhaltetaktik. „Unser Ziel ist es jetzt, kurzfristige und unbürokratische Hilfe zu leisten“, erklärte der Düsseldorfer Rechtsanwalt Adam Krawczyk Ende vergangener Woche in Düsseldorf auf einer Pressekonferenz. Krawczyk, dessen Kollege bei der Loveparade ums Leben gekommen ist, ist Vorstandsvorsitzender der Love-Stiftung, die sich zum Ziel gesetzt hat, mindestens zehn Millionen Euro Spenden zu sammeln.

„Lasst uns das Trauma gemeinsam beenden“, brachte schließlich Matthias Roeingh, seine Kritik an den bisherigen Hilfsleistungen auf den Punkt. Eine Meinung, die jedoch von vielen Opfern der Loveparade nicht geteilt wird. „Es ist ein Witz, dass die Leute von der Love-Stiftung behaupten, wir stünden alleine, hätten keine Anlaufstelle“, sagt etwa die Duisburgerin Janine Marsollek, die bei der Massenpanik im Juli schwer verletzt wurde. Sie selbst, aber auch viele der anderen 80 Opfer, die sich vor Monaten in der Selbsthilfe-Initiative „Sammelverfahren“ zusammengeschlossen haben, fühlten sich gut betreut.

Erste Hilfe

Die Stiftung Notfallseelsorge kümmere sich um Therapieplätze, und der Hilfsfonds der NRW-Landesregierung habe unbürokratisch agiert. „Ich habe einen Antrag gestellt und wenige Tage später Geld bekommen. 500 Euro pro Tag im Krankenhaus“, sagt sie.

Tatsächlich sind von der eine Million Euro, die der Ombudsmann Wolfgang Riotte im Hilfsfonds verwaltet, inzwischen 80 Prozent ausgezahlt. „65 Opfer haben schon Geld bekommen, weitere zehn sind noch in Behandlung, warten noch darauf“, sagt der Ex-Staatssekretär. So seien den Hinterbliebenen jeweils 20 000 Euro ausgezahlt worden. Die meisten der Loveparade-Opfer hätten für die Behandlung ihrer psychischen Probleme erste Hilfe aus dem Fonds erhalten.

Staatliche Stiftung

Dass trotz dieser Bemühungen nicht alles so läuft wie es sollte, kritisiert auch Ex-Bundesinnenminister und Anwalt Gerhart Baum. Der Düsseldorfer vertritt inzwischen 57 Opfer der Katastrophe und bemängelt, dass nur jene den NRW-Hilfsfonds in Anspruch nehmen können, die stationär behandelt werden.

Vor allem aber macht sich die Kanzlei Baum-Reiter dafür stark, eine staatlich kontrollierte Stiftung zu gründen, der mit dem Versicherungskonzern Axa (für den Veranstalter Lopavent), der Stadt Duisburg und dem Land NRW alle potenziell für das Unglück Verantwortlichen angehören. „Da es vermutlich nicht vor 2012 zu einem Prozess über die Verantwortung kommen wird, sollte den Opfern nicht zugemutet werden, so lange auf ihre Entschädigung zu warten“, sagt Julius Reiter. Es gebe von allen Seiten positive Signale für solch eine Stiftung.

Forum der Betroffenen

Auch Riotte kann der Idee etwas abgewinnen, bei der Landesregierung gebe es noch keine Meinungsbildung dazu. Schließlich sei es „an dem Veranstalter Lopavent und seiner Versicherung Axa einen ersten Schritt zu machen“, so Riotte. Von der Kritik der Love-Stiftung Roeinghs fühle er sich keinesfalls angesprochen. „Es gehört schon eine gewisse Chuzpe dazu, selbst noch keine Unterstützung geleistet zu haben, aber die mangelnde Hilfe anderer zu kritisieren“, moniert der Ombudsmann.

Die Selbsthilfe-Initiative von rund 80 Opfern, der auch Janine Marsollek angehört, hat sich inzwischen unter dem Namen Massenpanik Selbsthilfe e.V. neu organisiert. Der Verein versteht sich als Forum der Betroffenen, organisiert regelmäßig Treffen, auf denen Mitarbeiter der Stiftung Notfallseelsorge und Traumapsychologen ihre Hilfe anbieten.

Gegenseitige Vorwürfe

Das Engagement Roeinghs sehen Janine Marsollek wie viele ihrer Mitstreiter kritisch: „Ich glaube, er sieht da eine Chance, vielleicht als Charity-Veranstaltung eine neue Loveparade aufzuziehen!“, sagt die Duisburgerin. Und während die Fehde Dr. Motte - Schaller zuletzt mit gegenseitigen Vorwürfen wie „senil“, „Größenwahn“ oder „in Deutschland nicht mehr erwünscht“ befeuert wurde, macht sich ein anderer, DJ Tom Novy, in der Zeitschrift Rolling Stone anheischig, eine Loveparade 2011 in Berlin zu organisieren. Zu Ehren der Toten natürlich.