Duisburg. .
Bizarre Umgangsformen im Duisburger Rathaus mit Hinterbliebenen der Loveparade-Katastrophe: Das Dezernat des Duisburger Oberbürgermeisters lehnte praktische und finanzielle Hilfe bei der Überführung einer Toten ab.
Wieder zu Hause, bei sich in einer Kleinstadt in Westfalen, fragt sich Jürgen H., der Sprecher der Hinterbliebenen der 21 Loveparade-Toten, was sein Auftritt am vergangenen Montag vor dem Rat der Stadt Duisburg gebracht hat.
Am Montag hatte Jürgen H. vor Beginn der Ratsitzung im Namen der Hinterbliebenen das Wort ergreifen dürfen und dem OB eine Resolution der Angehörigen überreicht. Verknüpft mit der Botschaft: Die einzelnen Verwaltungsangestellten trügen keine Verantwortung an dieser Katastrophe, wohl aber die Verwaltungsspitze.
Bei der Loveparade am 24. Juli kam eine 21 Jahre alte Cousine von Jürgen H.s Ehefrau in Duisburg ums Leben. Es seien danach die schäbigen Umgangsformen gewesen, die ausgebliebene Menschlichkeit, die ihm und seiner Frau im Kontakt mit der Verwaltungsspitze der Stadt erst die Tränen dann die Zornesröte ins Gesicht getrieben hatten und immer noch treiben.
Für den Leichnam sind wir nicht zuständig
Eigentlich will er darüber gar nicht mehr sprechen („Es bringt uns keinen Millimeter voran!“), doch dann bestätigt er kurz und knapp, was FDP-Ratsherr Wilhelm Bies am Montag im Rat berichtete. Dass nämlich Jürgen H. im Referat des OB nachgefragt habe, ob ihm die Stadt bei dem Rücktransport der Leiche behilflich sein könne, ganz praktisch und auch finanziell. Die Stadt, so wurde er dann belehrt, sei dafür „nicht zuständig“ und übernehme „auch keine Kosten“. Schließlich sei sie ja eine Haushaltssicherungskommune.
Erst nach einem Kontakt mit der Landesregierung habe seine Familie dann materielle und praktische Hilfe gefunden. Ein Notfallseelsorger, vermittelt durch die Landesregierung habe dann blitzschnell Kontakt aufgenommen. „Der hat uns wirklich gut helfen können“, sagt H. Aber diesen Kontakt mochte aus dem Duisburger Rathaus niemand herstellen. Nicht zuständig.
„Der Duisburger Oberbürgermeister ist eiskalt und berechnend“, sagt er. Ihm und seinen Leuten, so Jürgen H., würde ein Wochenendkurs in Sachen „Notfallseelsorge“ sicherlich menschlich weiterbringen. Der OB müsse natürlich seinen Sessel räumen, damit diese Stadt die Aufarbeitung der Katastrophe, befreit von dieser Hypothek, besser begleiten könne. „Der Oberbürgermeister, der den Rat und die Öffentlichkeit mit falschen Besucherzahlen belogen hat, will jetzt derjenige sein, der wahrheitsgemäß aufklären will? Wer soll denn das glauben? Das glaubt doch kein Mensch mehr!“ sagt Jürgen H.
Eiskalte Rechthabereien
Beschämend sei es, zu beobachten wie reflexartig sich die CDU-Fraktionsvorsitzende vor ihren OB gestellt habe, wie sie auf Zeit spiele und der Öffentlichkeit und damit auch den Angehörigen zurufe, beweist doch erstmal, dass wir Fehler gemacht haben. „Unfassbar. Da wurden Tausende von jungen Menschen mit Musik in diese Stadt gelockt, aber der Rahmen passte dafür einfach nicht. 21 Menschen kamen zu Tode und jetzt will keiner die Verantwortung übernehmen. Unfassbar, diese dreiste, unmenschliche Haltung.“ Wieso, so fragt Jürgen H. nach einem kleinen Detail, habe es in diesem schrecklichen Tunnel keine abgesperrten Fluchtwege gegeben? „Bei jedem Schützenfest müssten Fluchtwege in vorgeschriebener Breite ausgewiesen werden. Im Duisburger Tunnel war davon nichts zu sehen.“ Bekommen in Duisburg Gäste von großen Festen weniger Sicherheit als anderswo zugestanden, fragt er.
„Meine Frau und ich, wir vermissen die Menschlichkeit im Duisburger Rathaus nach der Katastrophe, ein menschlicher Umgang hätte uns sehr geholfen“, sagt er. Stattdessen, eiskalte Rechthabereien, Gutachter, die im Unterschied zu den Angehörigen stundenlang im Rat reden durften. So gesehen war er auch nicht mehr überrascht, dass dann am Montag im Rat keine einzige Nachfrage gestellt wurde, dass der OB kommentarlos zur Tagesordnung übergegangen sei. Er ist dann mit seiner Frau schnell wieder nach Hause gefahren, ganz weit weg von Duisburg.