Duisburg. .
Kulturhauptstadt-Chef Fritz Pleitgen kritisiert die Suche nach dem Hauptschuldigen für die Loveparade-Katastrophe als „nicht akzeptabel“. Das Drama, so der gebürtige Duisburger, werde sich im Schlussprogramm von Ruhr.2010 niederschlagen.
„Es beschäftigt mich nach wie vor“, beschreibt Fritz Pleitgen, Chef der Kulturhauptstadt Ruhr.2010, seine Gefühlslage nach der Loveparade-Katastrophe vor genau einem Monat. Der Stadt Duisburg rät er dringend, jetzt den Blick nach vorne zu richten.
„Es war nicht nur eine Tragödie für Duisburg, sondern eine nationale Tragödie“, sagte der gebürtige Duisburger und frühere WDR-Intendant beim Besuch der WAZ-Redaktion. Die Katastrophe vom 24. Juli werde sich im Schlussprogramm der Kulturhauptstadt niederschlagen. Pleitgen: „Wir werden dieses Ereignis nicht verdrängen.“
Kein Stigma auf ewig
Dennoch zeigte er sich überzeugt, dass Duisburg durch die Katastrophe mit 21 Toten und über 500 Verletzten, die die Stadt „wie ein Meteoriteneinschlag“ getroffen habe, nicht auf ewig stigmatisiert werde. „Mit Brüssel verbindet man heute auch nicht nur die Fußball-Katastrophe von 1985“, sagt Pleitgen. Die Loveparade-Tragödie sei zwar ein schreckliches Ereignis in der langen Geschichte der Stadt. Aber es könne und werde nicht das einzige Bild bleiben, das von ihr fortan in den Köpfen der Menschen bleibe. Duisburg habe eine „opulente Vergangenheit“, habe die Stahlindustrie und einen betriebsamen Hafen, habe drei angesehene Museen: „Wenn aus dieser Stadt nichts zu machen ist, weiß ich nicht, aus welcher.“ Duisburg könne und müsse jetzt aus eigener Kraft aktiv daran gehen, aus dem Stimmungstief zu kommen.
„Sehr beeindruckt“ habe ihn die Initiative aus der Bürgerschaft, die sich direkt nach der Katastrophe um ein würdiges Gedenken an die Opfer der Loveparade gekümmert hatte. An die gesamte Stadtspitze und an die Politik appellierte Pleitgen, jetzt „Führungsstärke“ zu zeigen – und zwar gemeinsam. Vermisst habe er im Rückblick, dass nicht umgehend nach der Katastrophe der Stadtrat sich zu einer Sondersitzung eingefunden habe, um das Zusammenstehen in der besonderen Lage zu demonstrieren. Kritik übte er auch daran, dass stattdessen „in nicht akzeptabler Weise“ nach einem Hauptschuldigen gesucht worden sei.
Umgang mit Sauerland „nicht angemessen“
Der Umgang mit Oberbürgermeister Adolf Sauerland sei seinem Empfinden nach „nicht angemessen“ gewesen. „Es muss jetzt eine ganz ruhige Aufarbeitung passieren“, mahnt Pleitgen. „Ein solch komplexes Ereignis hat immer hunderte von Wahrheiten“, warnt er vor vorschnellen Schuldzuweisungen. Es seien eine Menge Fehler gemacht worden in den Tagen nach der Tragödie im und am Tunnel, aber jetzt seien Politik und Verwaltung in der Pflicht, der Bevölkerung eine „klare Orientierung“ zu bieten: „Diese Stadtspitze ist nach wie vor gefordert, wieder Führungskraft zu zeigen. Sie trägt hier eine Höchstverantwortung.“
Zweimal war Pleitgen nach der Tragödie im Tunnel. „Und immer habe ich mir dort die Frage gestellt: Was hätte ich tun können? Hätte ich das verhindern können? Aber ich habe keine schlüssigen Antworten darauf gefunden.“ Bewegt haben ihn auch die echte Anteilnahme der Bevölkerung, die er dort verspürte. „Es hat etwas Berührendes, aber auch Ermutigendes, dass die Sache nicht einfach verdrängt werden soll.“ Und was empfindet er, wenn er dort selbst auf Plakaten als Verantwortlicher gebrandmarkt wird: „Das belastet mich nicht, so lange ich mit mir selbst im Reinen bin“, sagt Pleitgen. „Und das bin ich.“