Duisburg. .

Jeder Teilnehmer der Loveparade war gerade einmal mit 18, 75 Euro abgesichert. Wie sieht es bei anderen Großveranstaltungen aus?

Drei Millionen Euro Deckungssumme sollten bei einer Haftpflichtversicherung Standard sein, rät die Stiftung Warentest gewöhnlichen Privatleuten – eher mehr. Da mutet es merkwürdig an, wenn der Loveparade-Veranstalter für seine Massenveranstaltungen im Ruhrgebiet ebenfalls nur drei Millionen Euro nachweisen musste. Das haben ARD-Recherchen für „Ratgeber Recht“ und „Markt“ ergeben. Die Summe war offenbar selbst Lopavent-Chef Rainer Schaller zu wenig. Mit 7,5 Millionen Euro versicherte er das Duisburger Event mehr als doppelt so hoch. Doch da die Summe - anders als bei privaten Haftpflichtpolicen - den gesamten Schaden abdeckt, dürfte sie dennoch viel zu wenig sein. Teilt man sie durch geschätzte 400 000 Besucher, war jeder Teilnehmer gerade mit 18,75 Euro abgesichert.

Keine Ehepartner

Das klingt wenig, ist versicherungsmathematisch aber trotzdem nachvollziehbar. Man habe überwiegend mit jungen Besuchern gerechnet, die im Zweifel weder Ehepartner noch Kinder hinterlassen, die nach einem Unglück versorgt werden müssten, heißt es in der Branche. Dennoch gibt es Festivals mit vergleichbarem Publikum, die deutlich besser abgesichert sind. Besucher des Dortmunder Techno-Events „Mayday“ etwa sind laut ARD rein rechnerisch mit 400 Euro versichert. Bei „Rock am Ring“ machen 25 Millionen Euro Deckungssumme für 25 000 Besucher rein rechnerisch gut 294 Euro pro Besucher. Und „Ruhr in Love“ in Oberhausen versichert seine 41 000 Besucher mit 10 Millionen Euro, also knapp 244 Euro pro Person.

Deutlich besser sind Besucher der Fußball-Bundesliga abgesichert: Jeder Verein muss 10 Millionen Euro für Haftungsansprüche zurückstellen, heißt es in dem ARD-Material. Durch gegenseitige Verpflichtungen der Vereine stünden bei einem Unglück sogar bis zu 100 Millionen Euro zur Verfügung. Das macht für jeden Besucher des größten Bundesligastadions in Dortmund gut 1241 Euro. Noch besser sieht es beim Münchener Oktoberfest aus: Dort müssen Festzelt-Wirte 5000 Euro pro Schaden absichern.

Beim Kölner Rosenmontagszug gilt die Absicherung indes nur für Teilnehmer. Wie hoch die 11 000 Mitwirkenden versichert sind, war im Rathaus bislang unklar - denn die Stadt verlangte den Abschluss einer Versicherung ohne Vorgaben zur Deckungssumme. Doch mit dem diesbezüglichen „et hätt noch immer jot jejange“ soll nun Schluss sein. Nach der Loveparade-Tragödie will sich Ordnungsamtsleiter Robert Kilp nun alle Policen vorlegen lassen, zudem soll es Vorgaben zur Versicherungssumme geben.

„Gefährdungshaftung“

Unabhängig von der Deckungssumme sehen Juristen bei Großveranstaltungen ein grundsätzliches Problem: Für gewöhnlich haften Veranstalter nur, wenn sie einen Schaden verschuldet haben. Doch gerade der Loveparade-Fall lässt ahnen, wie schwierig es sein wird, dies bis in die letzte Instanz nachzuweisen. Der auf Opferrecht spezialisierte An­walt Björn Wieg zieht einen Vergleich zum Straßenverkehr: Da „hafte ich als Autofahrer auch für verschuldensunabhängig verursachte Schäden, weil bestimmte Schäden einfach nicht auszuschließen sind“. Dies sei bei Großveranstaltungen ähnlich, deshalb müsse es auch hier eine „Gefährdungshaftung“ geben, fordert Wieg.