Duisburg. Angehörige eines türkisch-libanesischen Familienclans und Mitglieder der Hells Angels duellieren sich. Offen bleibt: Wo ist der dritte Schütze?
Anderthalb Jahre nach der Aufsehen erregenden Schießerei zwischen zwei verfeindeten Gangs auf dem Altmarkt in Hamborn hat die Staatsanwaltschaft zwei Duisburger angeklagt. Den Männern – der eine stammt aus Hochheide, der andere aus Beeckerwerth – werden versuchter Mord, gefährliche Körperverletzung, schwerer Landfriedensbruch und Verstöße gegen das Waffengesetz vorgeworfen. Der eine soll Mitglied der Hells Angels sein, der andere Angehöriger eines türkisch-libanesischen Familienclans. Die beiden verfeindeten Gruppen hatten sich Anfang Mai des vergangenen Jahres eine Auseinandersetzung mit rund 100 Beteiligten geliefert, bei der 28 Schüsse gefallen sein sollen.
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Laut Staatsanwaltschaft sollen die beiden jetzt angeklagten Männer neun beziehungsweise sieben Schüsse abgegeben haben. Vier Menschen wurden am 4. Mai 2022 getroffen und teils schwer verletzt. Im Zuge der weiteren Auseinandersetzung verwüsteten die Rocker noch ein Ladenlokal am Altmarkt.
Schießerei in Hamborn: Staatsanwaltschaft Duisburg zeigt sich bis zuletzt wortkarg
Trotz des jetzt erfolgten Abschlusses der Ermittlungen bei diesen beiden Tatverdächtigen, die beide 38 Jahre alt sind: Die Staatsanwaltschaft hat sich bis zuletzt äußerst wortkarg gezeigt, was den gesamten Komplex betrifft.
Sind die beiden Angeklagten vorbestraft? Keine Angaben.
Dabei wäre das wahrscheinlich: Wie sich im vergangenen Jahr aus einer Anfrage der AfD an den Innenausschuss des Landtags ergab, waren alle Beteiligten schon wegen fast 150 Delikten verurteilt worden, manche hatten Vorstrafen im niedrigen zweistelligen Bereich.
Beteiligte machen von ihrem Schweigerecht Gebrauch
Welche Angaben haben die beiden mutmaßlichen Schützen zu den Vorwürfen gemacht? Berufen sie sich eventuell auf Notwehr? Keine Angaben. Vor einem halben Jahr hatte es bei einer früheren Anfrage zumindest noch geheißen, dass die Beteiligten der Schießerei „ganz überwiegend von ihrem Schweigerecht Gebrauch“ machten.
Die beiden jetzt Angeklagten waren im Mai dieses Jahres – also ein Jahr nach der Schießerei – festgenommen worden. Sie sitzen weiter in Untersuchungshaft. In ihren Wohnungen fand die Polizei ein ganzes Arsenal griffbereit: Messer, Macheten, Schwerter, Pistolen und Munition. Ob darunter auch die möglichen Tatwaffen waren? Auch dazu macht die Staatsanwaltschaft keine Angaben.
Gegen 49 Verdächtige wird noch ermittelt
Ein möglicher Grund für die Zurückhaltung: „Die Verfahren gegen die übrigen tatverdächtigen Personen sind weiter anhängig. Noch ist dort keine Abschlussentscheidung gefallen“, sagt Felix Bachmann, Sprecher der Duisburger Staatsanwaltschaft. Es geht in dem Verfahren zudem um den besonders sensiblen Bereich der Organisierten Kriminalität. Gegen 49 Verdächtige wird noch ermittelt.
Die Beteiligten waren am Abend des 4. Mai 2022 gezielt zu der Auseinandersetzung angereist. Sie kamen nicht nur aus Duisburg, sondern aus ganz NRW und teils auch aus anderen Bundesländern. Mindestens vier Menschen wurden teils schwer verletzt.
„Über die genauen Hintergründe der Tat gibt es bis heute nur Spekulationen“, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft nach der Festnahme der beiden Duisburger im Mai dieses Jahres mit. Auch dabei ist es offenbar geblieben.
Der dritte Schütze ist weiter flüchtig
Das Landgericht Duisburg muss nun über die Zulassung der Anklage entscheiden. Einen Termin für einen Prozess gibt es daher noch nicht.
Es gibt noch eine – wesentliche – offene Frage: Was ist mit dem mutmaßlichen dritten Schützen (30), den es gegeben haben soll und der auch dem Clan angehört haben soll? Wo könnte er sich aufhalten? Warum wird nach ihm nicht öffentlich gefahndet? Die Staatsanwaltschaft macht auch dazu – keine Angaben.