Duisburg. Im Duisburger Boden liegen noch viele Blindgänger. Nach Entdeckung der Bomben muss es schnell gehen. Das sind die Regeln für die Entschärfung.

Bei einem Großteil der etwa 675.000 Tonnen Sprengstoff, die während des 2. Weltkrieges über Nordrhein-Westfalen abgeworfen wurden, waren Industrie und Logistik des Ruhrgebiets das Ziel. Deshalb finden sich im Duisburger Boden noch immer Bomben, die nicht explodiert sind. Diese Regeln gelten für die Entschärfung der so genannten Blindgänger.

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Nach einem Fund muss es immer schnell gehen: Der Kampfmittelbeseitigungsdienst identifiziert zunächst den Bombentyp. In Duisburg handelt es sich zumeist um britische oder US-amerikanische Fünf- oder Zehn-Zentner-Fliegerbomben. Sie verfügen entweder über Aufschlagzünder, die beim Aufschlag die Detonation auslösen, oder Langzeit-Zünder, auch als Säurezünder bezeichnet.

Blindgänger in Duisburg – Entschärfung möglichst noch am Tag der Entdeckung

„Handelt es sich um einen Aufschlagzünder, muss die Entschärfung möglichst am selben Tag erfolgen“, erklärt die Stadt auf ihrer Übersichtsseite zu dem Thema. Das Risiko bedingt die Eile: Der Zünder ist so konstruiert, dass bei Erschütterungen die Bombe explodieren kann. Bei einem Langzeit-Zünder muss muss „eine sofortige Evakuierung des betroffenen Gebiets veranlasst werden“, heißt es. Der Grund: Die Säurezünder werden im Boden marode, es kann zur Selbstexplosion kommen.

Auch dann muss aber die Entschärfung tunlichst noch am gleichen Tag erfolgen, um die Rückkehr der Anlieger in ihre Wohnungen zu ermöglichen. Der Radius der Evakuierungszone ist abhängig von der Größe der Bombe: In der Regel 250 Meter bei Fünf-, 500 Meter bei Zehn-Zentner-Bomben. Festgelegt wird der Umfang der Evakuierungszone vom Sprengmeister.

Uneinsichtigkeit von Anwohnern verzögert die Entschärfung

In der Evakuierungszone darf sich in der Zeit der Entschärfung niemand mehr aufhalten, auch nicht in der eigenen Wohnung. Das Bürger- und Ordnungsamt richtet Aufenthaltsräume außerhalb des gefährdeten Bereichs ein, in denen Anwohner bleiben können, bis das Kampfmittel entschärft wurde.

Die Evakuierungen können mitunter aufwendig sein. Wie im Oktober 2020 – als auch das Evangelische Klinikum im Evakuierungsradius lag.
Die Evakuierungen können mitunter aufwendig sein. Wie im Oktober 2020 – als auch das Evangelische Klinikum im Evakuierungsradius lag. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Uniformierte Einsatzkräfte des Ordnungsamtes informieren über die Evakuierung vor Ort. Es kann lebenswichtig sein, dass alle den Anweisungen der Einsatzkräfte Folge leisten. Und es ist entscheidend für eine schnelle Entschärfung. Die wurde zuletzt in Duisburg immer wieder dadurch verzögert, dass Anwohner der Aufforderung der Sicherheitskräften nicht folgten. Verweigerern drohen Geldstrafen bis zu 1000 Euro.

Blindgänger-Suche: Für Bodenarbeiten von mehr als 80 Zentimetern Tiefe

Nach Blindgängern gesucht werden muss beim Bau von Straßen und Gebäuden immer dann, „wenn dabei tiefer als 80 Zentimeter im Boden gegraben wird“, erklärt die Stadt Duisburg. Oft kann ein Kampfmittelverdacht bereits durch die Luftbild-Auswertung ausgeräumt werden.

Auf 330.000 Aufklärungsfotos, die von den Alliierten zur Kontrolle ihrer Angriffe gemacht wurden, sind neben den Bombenkratern auch die Einschläge jener Fliegerbomben zu erkennen, die nicht detonierten. Für die Suche nach den Altlasten des Krieges haben die Luftbilder bis heute eine herausragende Bedeutung.

Aber auch Zufallsfunde gibt es immer wieder. Wie die amerikanische Zehn-Zentner-Bombe, die im Februar 2015 bei Ausschachtungen an der Kellerwand eines Wohnhauses an der Schmidtstraße in Meiderich entdeckt wurde.

Wegen des Kampfmittel-Verdachts wurde für die Eurogate-Fläche eine aufwendige Bohrloch-Detektion erforderlich. Über die Kosten stritten Stadt und der Investor, der sich schließlich zurückzog.
Wegen des Kampfmittel-Verdachts wurde für die Eurogate-Fläche eine aufwendige Bohrloch-Detektion erforderlich. Über die Kosten stritten Stadt und der Investor, der sich schließlich zurückzog. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Service | Hans Blossey

Mehr Kampfmittel-Funde in den Jahren guter Baukonjunktur

Bestätigt sich ein Verdacht, wird die potenzielle Fundstelle geöffnet und sondiert. Zuständig ist die Ordnungsbehörde der jeweiligen Stadt. Sie wird dabei unterstützt vom Kampfmittelbeseitigungsdienst, der in NRW bei den Bezirksregierungen in Arnsberg (zuständig auch für die Regierungsbezirke Münster und Detmold) und Düsseldorf (auf für Reg.Bez. Köln) angesiedelt ist.

In den vergangenen Jahren ist die Zahl der entdeckten und beseitigten Kampfmittel gestiegen. Die steigenden Zahlen erklären die Behörden durch die anhaltend gute Baukonjunktur. I

>>STICHWORT: KAMPFMITTELVERORDNUNG NRW

  • Den Umgang mit den Altlasten des Krieges regelt die Kampfmittelverordnung NRW, die zuletzt im Juni 2022 novelliert wurde und der Leitfaden des Kampfmittelbeseitigungsdienstes für die baubegleitende Suche und Räumung der Kampfmittel.
  • Die Regelungen, die bei Hinweisen auf eine Kampfmittel-Belastung greifen, betreffen auch Bauvorhaben in Duisburg: Für das Eurogate-Areal im Innenhafen wurde eine aufwändige Bohrloch-Detektion notwendig, um einen Blindgängerverdacht auszuräumen. Der Streit über die Kosten war ein Grund für den Rückzug des Investors.
  • Der Deichbau im Duisburger Süden hängt auch durch die Kampfmittel-Suche um Jahre hinter dem ursprünglichen Zeitplan. Der Altdeich, der Mündelheim vor Rheinhochwasser schützt, kann nicht einfach abgeräumt werden, sondern muss für die Detektion schichtweise abgetragen werden.