Duisburg-Duissern. In Duisburg-Duissern wird bei Bauarbeiten eine Bombe gefunden. Die Evakuierung von über 6000 Menschen wird zur Nervenprobe. Eindrücke der Nacht.

Die Entschärfung einer Weltkriegsbombe hat am Donnerstagabend mehr als 6000 Duisburger bis in die frühen Morgenstunden wach gehalten. Bereits am Nachmittag gegen 15 Uhr war an der Ecke Felsenstraße/Zieglerstraße bei Bauarbeiten auf dem ehemaligen Netto-Gelände ein Blindgänger gefunden worden. Dieser musste noch am Donnerstagabend entschärft werden – doch die Entschärfung konnte erst um 0.33 Uhr beginnen.

Gut neun Stunden waren vergangen, als um 1.12 Uhr die erlösende Sirene in Duissern ertönte und alle Bewohner und deren Freunde und Verwandte, bei denen sich viele aufhielten, ins Bett schickte.

6699 Duisburger wohnen in der Evakuierungszone – Senioren durften in ihren Zimmern bleiben

Das Besondere: Der Fundort lag mitten in Duissern. In der Evakuierungszone, einem Umkreis von 500 Metern, mussten 6699 Menschen ihre Häuser und Wohnungen verlassen. Betroffen war das Wohnviertel zwischen der Schweizer Straße, Gerhard-Hauptmann-Straße, Königsberger Allee und Wintgensstraße.

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Zudem lagen auch das Ernst-Ermert-Seniorenzentrum, die Tierklinik, das Fitnessstudio Vita, ein Rewe-Supermarkt und der Botanische Garten im betroffenen Umfeld. Bis der Krisenstab der Stadt alle nötigen Vorkehrungen treffen konnte, dauerte es einige Stunden. Dann verzögerten Personen, die sich auch nach 22 Uhr noch in der Zone aufhielten und teilweise mit Mitarbeitern des Städtischen Außendienstes diskutierten, warum sie unbedingt raus müssen, die Maßnahme.

Ein Nachbar hatte am Nachmittag noch einen Blick auf die Bombe in der Baugrube erhaschen können.
Ein Nachbar hatte am Nachmittag noch einen Blick auf die Bombe in der Baugrube erhaschen können. © FFS | Fabienne Piepiora

Um wirklich sicher zu gehen, dass niemand mehr unterwegs ist, stand ein Polizei-Hubschrauber lange Zeit über dem Stadtteil und machte Krach. „Die könnten jetzt aber mal hin machen, ich hab morgen früh Termine. Normalerweise bin ich immer gegen 22 Uhr im Bett“, erklärt eine Nachbarin. Das Nervenkostüm wurde zu vorgerückter Stunde dünner.

Andere haben Verständnis für die Einsatzkräfte, die einen enormen Aufwand im Hintergrund betreiben. „Das ist Wahnsinn, was jetzt alles in Gang kommt“, sagt Christian Gwosch. Ihm gehört das Haus, das vis-a-vis der Baustelle liegt. Außerdem betreibt er seit Jahrzehnten die bekannte Bunkerbude. „Heute wäre der Bunker mal nützlich, aber da gehen nur rund 1000 Leute rein. Vielleicht sollten wir Eintritt nehmen“, scherzt er.

Auch am frühen Abend kommen noch Passanten, Spaziergänger mit Hund und Radfahrer am Kiosk vorbei, um sich bei ihm mit Zigaretten und den neuesten Informationen zu versorgen. „Ja, auch du wirst geräumt“, bestätigt er den meisten.

Entspannte Stimmung am frühen Abend – dünnes Nervenkostüm zu vorgerückter Stunde

Einer Truppe Radfahrer geben Einsatzkräfte der Polizei den lebensnahen Tipp: Die Weinbar „Kalt.Weiß.Trocken“ sei nicht betroffen. Die Männer sind denn auch nicht beunruhigt und drehen am Abend wie geplant ihre Runde. Andere suchen mit kleinem Köfferchen, Wäschekörben voller Decken und allen wichtigen Papieren Asyl bei Verwandten und Freunden. Nach Rücksprache mit dem Krisenstab dürfen die Bewohner des Seniorenzentrums weiter in ihren Zimmern bleiben.

Christian Gwosch betreibt seit Jahrzehnten die Bunkerbude in Duissern. „Heute wäre der Bunker mal nützlich, passen aber nur etwa 1000 Leute rein.
Christian Gwosch betreibt seit Jahrzehnten die Bunkerbude in Duissern. „Heute wäre der Bunker mal nützlich, passen aber nur etwa 1000 Leute rein." Er brachte seine Mutter dann doch in die Turnhalle des Gertrud-Bäumer-Berufskollegs, die zum Aufenthaltsraum umfunktioniert wurde. © FFS | Fabienne Piepiora

„Das wird eine der Bomben sein, die 1944 auf Duissern niedergingen. Zwei davon fielen auch auf den Bunker“, vermutet Buden-Betreiber Christian Gwosch. Er hat sich mit der Geschichte des Standorts auseinandergesetzt. Zu vorgerückter Stunde bringt er seine Mutter in die Turnhalle des Gertrud-Bäumer-Berufskollegs. Dort harren am Abend Personen aus und warten darauf, dass sie wieder nach Hause können.„Es werden immer mehr“, erklärt Julia Fausten, Gruppenführerin beim Deutschen Roten Kreuz (DRK). Das Einsatz-Team kalkuliert in solchen Fällen, dass zehn Prozent den provisorischen Aufenthaltsraum aufsuchen. Sie werden teils mit Shuttle- und Krankentransporten nach Neudorf gebracht.

Im Hintergrund sind nicht nur etliche Mitarbeiter der Stadt im Einsatz, sondern auch Ehrenamtliche des DRK, des Malteser Hilfsdienstes, der Johanniter-Unfall-Hilfe, des Arbeiter-Samariter-Bundes und der Ambulanten Erst-Versorgung Duisburg. Feuerwehr-Chef Oliver Tittmann lobt zu vorgerückter Stunde: „Dieser Tag hat mir mal wieder gezeigt, warum ich meinen Job so sehr liebe und stolz darauf bin, ein Teil vom Team Duisburg zu sein.“

Kampfmittel-Räumdienst kann um 0.33 Uhr starten – geplant war die Maßnahme bereits für 22 Uhr

Der Fundort an der Ecke Felsenstraße/Zieglerstraße.
Der Fundort an der Ecke Felsenstraße/Zieglerstraße. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Um 0.33 Uhr kann Tim Hofreiter endlich seinen Job machen. Der Experte vom Kampfmittel-Räumdienst und sein Team entschärfen die Zehn-Zentner-Bombe. Tausende Menschen sind ihm dankbar, als um 1.12 Uhr die Sirene aufheult. Thomas Kieß von der Firma Olivyo Development GmbH geht übrigens davon aus, dass die Bauarbeiten auf dem Gelände nun ganz normal weiter gehen können.

„Wir hatten im Vorfeld umfangreiche Sondierungen. Dass man im Ruhrgebiet noch etwas im Boden findet, kann immer passieren.“ Olivyo, ein Tochter-Unternehmen der Firma Blankbau, will an der Felsenstraße ein Haus mit 44 Wohnungen und einer Tagespflege errichten. Die Fertigstellung ist für das Frühjahr 2025 geplant.