Duisburg. In Duisburg werden sechs weitere Kitas zu Familienzentren. Warum das für die Kinder, die Familien und die Stadt selbst ein Gewinn ist.
Dieses Projekt kann nur gelingen: Die Kindertagesstätte Benediktstraße in Duisburg-Neuenkamp will ein zertifiziertes Familienzentrum werden. Der Weg dahin ist aufwendig und ziemlich bürokratisch. Aber inhaltlich ist die Kita längst eine, die Kind und Kegel in den Blick nimmt.
Beim Neubau vor zwei Jahren wurden die Räume für das Familienzentrum gleich mit gebaut und genutzt werden sie längst. Gerade sitzen zwei Mütter hier, trinken Kaffee und üben sich im Loslassen: Ihre Kinder sind in der Eingewöhnungsphase und lernen die Einrichtung kennen.
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Landesweit entstehen in NRW 150 neue Familienzentren
Die Kita ist ein echtes Vorzeigeobjekt: Helle Räume, viel Platz zum Spielen drinnen wie draußen und dank des offenen Konzepts flitzen die Kleinen hin und her und ungehemmt durch den Tross rund um NRW-Familienministerin Josefine Paul (Grüne). Sie ist nach Duisburg gekommen, um landesweit 150 neue Familienzentren anzukündigen. Die Betreuung kleiner Kinder sei eine große Herausforderung: „Wir hatten noch nie so viele Kitas, nie so viele Erzieherinnen und Erzieher, aber auch noch nie so viele Kinder im System.“
Die Fachkräftelücke sei nicht von heute auf morgen auflösbar. Man dürfe aber nicht nur auf das Düstere schauen, „das wird Ihnen nicht gerecht“, lobt sie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Neuenkamper Einrichtung. Ihnen Glück zu wünschen für die Zertifizierung sei „fast überflüssig“, so die Ministerin.
Frühkindliche Bildung stärken und Familien unterstützen
Das Konzept der Familienzentren sei ein „echtes Erfolgsmodell für Nordrhein-Westfalen. Wir schaffen es damit, die Teilhabe- und Chancengerechtigkeit für Kinder und gleichzeitig die Vereinbarkeit von Familie und Beruf der Eltern wirksam zu verbessern. Die Stärkung der frühkindlichen Bildung – verbunden mit einer bestmöglichen Unterstützung für Familien – gehört zu den wichtigsten Zielen der Landesregierung“, sagt Paul.
Kindergartenleiterin Gabriele Niels bekennt, dass „die Zertifizierung sehr aufwendig“ ist. Es braucht Konzepte, Elternumfragen und viel beschriebenes Papier. An Ideen mangelt es ihr aber nicht: Beratungsangebote, ein Tanzkurs für Mütter, ein Kochkurs für günstige und gesunde Ernährung, Infoveranstaltungen zur Förderung von Kindern und so weiter. Die Professionalisierung des Teams durch Fortbildungen etwa zum Umgang mit autistischen Kindern ist längst angelaufen.
„Wir können auch tolle Kunstprojekte, aber die Basis muss stimmen“
Vieles sei bereits selbstverständlich: „Wenn eine Mutter kommt und mir Briefe von Behörden zeigt, die sie nicht versteht, dann helfe ich natürlich“, beschreibt Kita-Chefin Niels, Wege aufzeigen, Kontakte vermitteln und Ansprechpartner suchen gehört zum Jobprofil. „Die Probleme in den Familien müssen aufgearbeitet werden, wir können auch tolle Kunstprojekte machen, aber die Basis muss stimmen.“
Das sei zwar mehr Arbeit, am Ende würden aber alle davon profitieren. Sie ist für 79 Kinder in vier Gruppen verantwortlich – und die Familien, die da dran hängen.
Verschriftlichen muss sie auch eine Sozialraumanalyse über das Einzugsgebiet. „Viele Kinder kommen aus desolaten Verhältnissen, fast die Hälfte hat einen Migrationshintergrund. Wir haben viele Alleinerziehende, Familien mit Fluchterfahrung oder anderen Schicksalsschlägen, sie brauchen viel Unterstützung“, sagt Niels.
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Dem Team ist zum Beispiel armutssensibles Handeln wichtig: Um Familien nicht in Zugzwang zu bringen, weil es manche Eltern zum Geburtstag des Nachwuchses mit Torten übertreiben, wird hier einfach gemeinsam gebacken und dann gefeiert.
Personelle Unterstützung gibt es durch die Zertifizierung zum Familienzentrum nicht. Niels freut sich aber über die Finanzspritze, mit der sie Referenten und Material für Kurse bezahlen kann. Die Stadt bekommt für insgesamt sechs neue Familienzentren jährlich 20.000 Euro.
Überdurchschnittlich viele Kinder aus Hartz-IV-Familie
In Neuenkamp leben überdurchschnittlich viele Kinder in Familien, die von Hartz IV leben, sagt Dezernent Pau Bischof. 34,1 Prozent seien von Armut betroffen, stadtweit sind es 30 Prozent. Entsprechend hoch ist die Zahl der Kinder, die aufgrund des geringen elterlichen Einkommens beitragsfrei die Kindertagesstätte besuchen: 21,5 Prozent. Stadtweit sind es 15,6 Prozent.
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Bischof betont, dass sich die Stadt nicht nur auf Familien in prekären Vierteln konzentriere. Kindeswohlgefährdung komme auch in wohlsituierten Familien und teureren Wohngegenden vor. Was Familienzentren leisten, gehe über das „reine Qualitätsgeschäft einer Kita“ hinaus. Gut also, dass von den 210 Einrichtungen in Duisburg bereits 106 zertifiziert sind oder es bald werden.
„Wir tun eine Menge in Duisburg, um alle Kinder zu erreichen“, ergänzt Jugendamtsleiter Hinrich Köpcke, „es funktioniert gut, für uns ist das eine Prioritätsaufgabe“. Es gebe gute Konzepte, super Teams, eine enge Elterneinbindung.
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>>MILLIONENINVESTITION DES LANDES NRW:
- Die Landesregierung fördert die Familienzentren im Jahr 2023 mit rund 70 Millionen Euro. Im Kindergartenjahr 2023/2024 entstehen weitere 150 neue Familienzentren zur Verfügung. In NRW steigt die Zahl der Familienzentren damit auf knapp 3300.
- In Duisburg entstehen sechs weitere Familienzentren. Neben Neuenkamp sind das: die Ev. Kita Am Burgacker, die Ev. Kita Lauenburger Allee und Am Böllert, die städtischen Kitas Düsseldorfer Straße (Rumeln-Kaldenhausen), Am Holderbusch (Bergheim) und Boberstraße (Fahrn).