Duisburg. Dr. Olaf Bischopink vertritt Duisburg beim A59-Ausbau. Im Streit um die Finanzierung eines Tunnels setzt er auf ein entscheidendes Argument.
Das sollte eigentlich vermieden werden: Im Streit um den Ausbau der A 59 im Duisburger Norden nähert sich die Stadt einem förmlichen Verfahren, eine Einigung mit der Autobahn GmbH kommt bislang nicht zustande. Über die Frage, ob die A 59 in Hoch- oder Tieflage erneuert wird, würde dann das Fernstraßen-Bundesamt, wenn nicht gar ein Gericht entscheiden. Juristisch vertreten wird die Stadt von Prof. Dr. Olaf Bischopink. Im Interview erklärt der Rechtsanwalt die Argumentation, auf die sich Duisburg in der Auseinandersetzung stützt.
Zum aktuellen Stand: Auch wenn seitens der Autobahngesellschaft der Antrag auf Planfeststellung bereits gestellt wurde, möchte die Stadt weiterhin eine Zweiteilung des Verfahrens erreichen. So könnte die Berliner Brücke, die wegen Baumängeln nur noch längstens bis 2029 ohne Einschränkung befahren werden darf, separat geplant und erneuert werden, für die Planung des nördlichen Teils bliebe mehr Zeit.
A59-Ausbau in Duisburg: So können sich Anwohner gegen die Pläne wehren
Denn dort befindet sich der umstrittene Abschnitt: Zwischen den Anschlussstellen Ruhrort und Meiderich soll die Autobahn wieder auf einer Hochtrasse gebaut werden, noch breiter als bisher und mit höheren Lärmschutzwänden. Die Stadt dagegen sieht „die historische Chance“, Stadtreparatur zu betreiben – mit einer in Tieflage verlaufenden und nach oben geschlossenen Autobahn, ähnlich wie vor dem Duisburger Hauptbahnhof.
Welche Möglichkeiten haben Stadt und Bürger überhaupt, ihre Forderungen durchzusetzen?
Das Planfeststellungsrecht sieht vor, dass die Planunterlagen öffentlich ausgelegt werden. Innerhalb des Auslegungszeitraums hat jeder die Möglichkeit, eine Stellungnahme abzugeben. Das sollten insbesondere all diejenigen tun, die sich in ihren Lebensumständen und der Nutzung ihres Eigentums oder ihrer Wohnung durch die Folgewirkungen des Bauwerks beeinträchtigt fühlen. Auch die Stadt wird selbstverständlich ihre Einwendungen formulieren und vortragen. Von Bedeutung ist, dass derjenige, der sich am Verfahren nicht beteiligt, später auch nicht befugt ist, gegen die Straßenplanung zu klagen.
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Anhand dieser Einwendungen muss die Planfeststellungsbehörde eine Entscheidung treffen. Hierbei sind alle privaten und öffentlichen Belange gerecht gegeneinander und untereinander abzuwägen. Von der Autobahngesellschaft wird zwar regelmäßig darauf verwiesen, man habe schon alle denkbaren Aspekte berücksichtigt und abgewogen. Tatsächlich ist aber der Vorhabenträger nicht derjenige, dem die Aufgabe der Abwägung zukommt, sondern das ist derjenige, der über die Planung zu entscheiden hat – also das Fernstraßen-Bundesamt als Planfeststellungsbehörde. Diese Behörde erlässt dann entweder den Planfeststellungsbeschluss in der beantragten Form oder es kommt zu Änderungen.
Daran schließt sich die Möglichkeit an, gegen den Planfeststellungsbeschluss Klage zu erheben. Dann muss sich das zuständige Gericht mit der Rechtmäßigkeit der Planung befassen.
Die Zweiteilung des Planfeststellungsverfahrens ist laut Autobahngesellschaft rechtlich nicht möglich. Zu welchem Schluss kommen Sie?
Eine Abschnittbildung ist eine Alltäglichkeit. Auch der Bundesverkehrswegeplan sieht für Duisburg bereits eine Abschnittbildung vor. Die rechtlichen Maßstäbe ergeben sich aus dem Abwägungsgebot. Wir haben der Autobahngesellschaft gerichtliche Entscheidungen vorgelegt, in denen Abschnittbildungen – auch solche, die mit Provisorien verbunden waren – als rechtmäßig akzeptiert wurden. In einem Fall ging es konkret um eine Abschnittbildung aus dem Grund, dass noch offen war, ob die Weiterführung in Tunnel- oder Hochlage erfolgen sollte.
Sie erwähnten die Möglichkeit, gegen den Planfeststellungsbeschluss zu klagen. Wie aussichtsreich wäre das?
Wir kennen als Stadt Duisburg noch nicht einmal die konkreten Entwurfspläne der Autobahngesellschaft, obwohl wir diverse Akteneinsichtsanträge gestellt haben. Wir kennen also weder die verschriftlichen Argumente der Autobahngesellschaft, noch können wir die letztendliche Haltung der Planfeststellungsbehörde voraussehen. Von daher kann man eine Prognose, wie ein Gericht die noch zu treffende Planungsentscheidung beurteilt, nicht seriös anstellen.
Neben der Frage, ob eine Abschnittbildung rechtmäßig ist, argumentiert die Autobahngesellschaft vor allem mit Mehrkosten und längerer Bauzeit der Tunnelvariante…
Die noch von Straßen NRW erstellte Machbarkeitsstudie ist zu einem eindeutigen Ergebnis gekommen: Danach ist ein Tunnel möglich, er kostet halt mehr. Aber dieser Aspekt ist nach unserer Auffassung nicht wirklich zu Ende geprüft worden. Man hat der Stadt Duisburg schlicht mitgeteilt, der Tunnel koste 500 Millionen mehr. Das ist ein schöner runder Betrag, aber wie man ihn ermittelt hat, ob man etwa die Betriebskosten und die Nutzungsdauer vergleichend mit in den Blick genommen hat, wissen wir nicht. Auch dazu, wie man die längere Bauzeit ermittelt hat, liegen uns keine Erkenntnisse vor. Erst recht fehlt jede belastbare Aussage zu Kosten und Bauzeit hinsichtlich des in Hamborn geforderten Deckels über der Trasse.
Ausbau der A 59: Wird die Stadt Duisburg bislang nicht ernst genommen?
Die Hochtrasse würde die Zweiteilung der Quartiere für mindestens die nächsten 50 Jahren zementieren, argumentiert die Stadt. Haben städtebauliche Kriterien keine ausreichende Kraft?
Vom Abwägungsgebot ausgehend erschließt es sich nicht, wie die Autobahngesellschaft der Auffassung sein kann, städtebauliche Belange spielten in der Verkehrswegeplanung des Bundes keine Rolle, es gehe nur um verkehrliche Belange.
Dahinter dürfte eine Denkweise stehen, die in Finanzierungstöpfen verhaftet ist. Natürlich wird eine Straße aus Straßenbaumitteln bezahlt und klassischer Städtebau wird anderweitig finanziert. Wenn aber eine Straßenplanung städtebauliche Konsequenzen negativer Art hat, die zu einer Veränderung der Planung führen müssen, dann sind die daraus resultierenden Mehrkosten Straßenbaukosten und keine Städtebaukosten. Sie sind dann auch aus Straßenbaumitteln zu finanzieren.
Bislang sind allerdings die Folgen der Verkehrsplanung für die städtebauliche Entwicklung noch nicht einmal ermittelt, geschweige denn in ihrer Bedeutung gewichtet worden. Bislang reduziert sich die Betrachtung der Autobahngesellschaft auf die Verkehrslärmauswirkungen.
Dennoch wird dem Planfeststellungsantrag, ohne dass eine Alternative genannt wird, vermutlich zugestimmt werden, oder nicht?
Das weiß ich noch nicht. Ich habe den Eindruck, dass man die Stadt Duisburg bislang nicht ausreichend ernst nimmt in ihrem Abwehrverhalten, weil immer das Damoklesschwert über ihr steht: „Wenn ihr wirklich die Planung beklagt, habt ihr selber das Nachsehen, weil dann die Berliner Brücke nicht rechtzeitig ausgebaut wird.“ Diese Strategie zielt darauf ab, dass die Stadt am Ende doch die nachteiligen Folgen der Planung in Kauf nimmt. Nach meiner Einschätzung wird das aber nicht der Fall sein, und das muss man der Autobahngesellschaft und dem Fernstraßen-Bundesamt klar machen, und das muss insbesondere in der Berliner Politik klar werden.
Oft heißt es: „Das traut sich die Autobahngesellschaft nur im Ruhrgebiet!“
Ich kann mir vorstellen, dass der bürgerschaftliche Widerstand in anderen Regionen deutlich größer wäre, als er derzeit in Duisburg feststellbar ist. Wenn etwa in Münster ein großes Bau- oder Infrastrukturvorhaben geplant wird, dass die Bürger beeinträchtigt, bilden sich in allerkürzester Zeit Bürgerinitiativen aus sehr wehrfähigen Bevölkerungsschichten. Ähnlich ist es in Hamburg oder Düsseldorf.
Welchen Einfluss kann Duisburg über seine Bundestagsabgeordneten nehmen?
Es ist trotz vieler Vorstöße bislang nicht gelungen, die Einleitung des Planfeststellungsverfahrens mit der bisherigen Entwurfsplanung zu verhindern. Auch deshalb, weil seitens der Autobahngesellschaft bis hin zum Staatssekretär der Standpunkt verfestigt wurde, die Abschnittbildung sei nicht rechtmäßig. Das müssen wir jetzt erst einmal widerlegen. Da wird auch auf politischer Ebene noch einiges an Überzeugungskraft aufgebracht werden müssen.
A 59: „Kein Tunnel wurde nur wegen des Lärmschutzes gebaut, es gab immer andere Gründe“
Gibt es Präzedenzfälle, die der Stadt Duisburg helfen können? Der Umbau der B 224, bei dem Sie die Stadt Gladbeck vertreten haben, wurde häufiger angeführt.
Das Wort Präzedenzfall hat im europäischen Recht keinen Raum. Wir folgen ja nicht dem Case Law, wie das in den USA beispielsweise der Fall ist. In jedem einzelnen Fall muss die Rechtslage erneut geprüft werden – man kann schon deshalb nicht von Präzedenzfällen sprechen, weil die abzuwägenden Belange und Betroffenheiten überall anders sind oder jedenfalls sein können. Deswegen kann man auch nicht sagen, das ist wie beim Rheinufertunnel in Düsseldorf, bei der Tunnelfrage in Hamburg oder bei der B 224/A 52 in Gladbeck. Aber natürlich werden woanders auch Tunnel gebaut, und Tunnel sind immer teurer als andere Lösungen. Kein Tunnel wurde nur wegen des Lärmschutzes gebaut. Es gab immer andere Gründe.
Wie geht es jetzt weiter?
Aus meiner Sicht läge ein erster vernünftiger Schritt zur Konfliktlösung darin, im laufenden Planfeststellungsverfahren doch noch den Planungsabschnitt auf die Berliner Brücke bis zur nächsten Anschlussstelle zu begrenzen. Dann kann unter Mitwirkung der Stadt und des eigens von ihr beauftragten Ingenieurbüros geprüft und bewertet werden: Wie teuer ist der Tunnel in Meiderich und der Deckel in Hamborn tatsächlich? Wie lange dauert die Errichtung des jeweiligen Bauwerks wirklich? Wie kann man die Baustellen abwickeln und welche Bedeutung haben die längere Bauzeit und die Mehrkosten im Verhältnis zu dem erheblichen Stück Stadtreparatur, das dort betrieben werden kann?