Duisburg. Duisburgs Ex-Polizeipräsidentin war Gegenspielerin der Unterweltgrößen. Sie schildert, wie osteuropäische Clans ihre Töchter in Bordelle zwingen.
Darf Sex käuflich sein? Und beruht Prostitution wirklich auf Freiwilligkeit? Es sind nur zwei der vielen Fragen, die drei Wissenschaftler in ihrem neuen Buch „Sexkauf – eine rechtliche und rechtsethische Untersuchung der Prostitution“ behandeln. Dabei haben sie auch Stellungnahmen von Experten und Expertinnen eingeholt. Eine davon ist Dr. Elke Bartels. Sie war über zehn Jahre lang, bis 2021, Chefin der Duisburger Polizei. Mit den mächtigen Unterweltgrößen aus dem bekannten Rotlichtviertel der Hafenstadt hatte sie direkten Kontakt. Ihre Schilderung werfen dunkle Schatten auf das Gewerbe.
Bartels war es, die Mannschaftswagen vor den Bordellen postieren ließ, als dort eine Rocker-Fehde eskalierte. Sie war es auch, die knallhart Druck auf die Bordellchefs ausübte. „Wir sind hart rangegangen und haben eine stringente Linie gefahren“, erinnerte sich die anerkannte ehemalige Behördenleiterin kurz vor ihrem Abschied.
Zum Thema Zwangsprostitution hat Bartels in ihren Jahren in Duisburg eindeutige Erfahrungen gesammelt: 80 Prozent der Frauen in den Bordellen seien „gezwungenermaßen dort“. Entweder würden sie aus dem Ausland durch Menschenhandel eingeflogen oder ihr Zuhälter setze sie massiv unter Druck und kassiere ab. Nicht selten handle es sich dabei um den Ehemann, den Geliebten oder gar den Vater. Drohungen und Gewalt seien die erbarmungslosen Instrumente.
Duisburgs ehemalige Polizeipräsidentin über die harte Realität in Bordellen
Dabei hat Bartels in Duisburg vor allem zwei Wege ins Milieu kennengelernt: Die jungen Frauen, die mit falschen Versprechungen oder dem Vorspielen von Gefühlen gelockt werden und dort dann festsitzen. Und: die Schicksale von Bulgarinnen und Rumäninnen aus Clan-Familien.
„Sie werden geboren, um da irgendwann reingeschickt zu werden“, hat Bartels den Autoren geschildert. Das große Problem: Diese Frauen seien überhaupt nicht dazu bereit, mit der Polizei zu kooperieren. „Weil sie wissen, was ihnen blühen würde, wenn das rauskäme“, so Bartels über die traurige Realität der Südosteuropäerinnen.
Wie viele Frauen arbeiten dagegen freiwillig in den Etablissements? Die langjährige Polizeipräsidentin schätzt anhand ihrer eigenen Erfahrungen und von Berichten ihrer Mitarbeiterinnen: „Freiwillig werden es circa 10 bis 20 Prozent machen.“ Aber auch da steckten zum Teil Drogenabhängigkeiten dahinter. Denn: Betäubungsmittel bekomme man in vielen Bordellen leicht.
Beim Blick auf die drastischen Schilderungen überrascht es nicht, dass Elke Bartels der deutschen Prostitutionsgesetzgebung kritisch gegenübersteht. „Durch die Gesetze sind diejenigen mehr geschützt worden, die ohnehin relativ selbstbestimmt arbeiten, und nicht diejenigen, die dort unter Zwang stehen“, bewertet sie.
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Der Duisburger Rotlicht-Bezirk um die Vulkanstraße gilt als größte Bordellmeile in Nordrhein-Westfalen. Aktuell sind dort über 400 Prostituierte offiziell angemeldet. Die Zahl ist in den vergangenen Jahren stetig gesunken. Hausbesitzer hatten zuletzt betont, dass die Frauen in ihren Bordellen besser geschützt seien als früher. 15 Prostitutionsstätten in dem Viertel sind bei der Stadt registriert. Von den Betreibern erhebt sie eine Sexsteuer in Höhe von 6,50 Euro je Quadratmeter und angefangenem Kalendermonat. (mit F.P.)
>>Über das Buch „Sexkauf – eine rechtliche und rechtsethische Untersuchung der Prostitution“
- Professor Dr. Ulrich Rommelfanger, ehemaliger Richter am Thüringer Verfassungsgerichtshof, Gründungsrektor und Lehrbeauftragter an der Hochschule der Sächsischen Polizei, und Professorin Dr. Elke Mack, Lehrstuhlinhaberin für Sozialwissenschaft und Sozialethik an der Universität Erfurt, sind die Co-Autoren des Buchs „Sexkauf – eine rechtliche und rechtsethische Untersuchung der Prostitution“. Sie wurden von Dr. Jakob Drobnik von der Universität Posen unterstützt.
- Das Fazit ihrer Untersuchung fassen sie so zusammen: „Dass die Autonomie der Prostituierten zwar unterstellt wird, jedoch durch die geltende Gesetzgebung und Verwaltungspraxis nicht garantiert werden kann. Deshalb ist die geltende Prostitutionsgesetzgebung nicht verfassungskonform.“
- Ihr 332 Seiten starkes Buch erscheint im Nomos-Verlag und kostet 39 Euro (ISBN 978-3-8487-7597-2).