Duisburg. Duisburgs Polizeipräsidentin Dr. Elke Bartels geht in den Ruhestand. Im Interview spricht sie über Clans und die Begegnung mit Unterweltgrößen.
Es begann 2010 mit einem überraschenden Anruf: Dr. Elke Bartels war damals im England-Urlaub, als ihr der NRW-Innenminister Ralf Jäger die Stelle als Duisburger Polizeipräsidentin anbot. In einer Stadt, die nach der Loveparade-Katastrophe gelähmt war, in der kurz zuvor das Mitglied eines Rocker-Clubs auf der Straße erschossen wurde und die wenige Jahre zuvor Schlagzeilen mit den sogenannten „Mafia-Morden“ machte. Elf Jahre später geht Bartels in den Ruhestand und nennt die Zeit in Duisburg die „schönste in meinem Arbeitsleben“. Im Abschiedsinterview spricht sie über Herausforderungen zum Start, Clan-Kriminalität und die Begegnungen mit Unterweltgrößen.
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Frau Dr. Bartels, als Sie im Herbst 2010 Ihren Dienst in Duisburg antraten, beherrschten die Folgen der Loveparade und die Rocker-Fehde zwischen „Bandidos“ und „Hells Angels“ die Schlagzeilen. Das klingt auch heute noch nach einem sehr schwierigen Start. War es das?
Dr. Elke Bartels: Ich wusste um die Herausforderung. Das hat mich aber auch gereizt, war für mich das Salz in der Suppe. Aber: Es waren sehr unruhige Zeiten. Es gab eine tiefe Kluft zwischen Polizei und Stadt. Von vielen Seiten wurde der Polizei eine Mitschuld an der Loveparade-Katastrophe gegeben. Zwischen den Protagonisten gab es eine gewisse Sprachlosigkeit. Intern standen die Kolleginnen und Kollegen unter Schockeinwirkung und das lähmte auch die Arbeitsabläufe.
Wie sind Sie die Herausforderung intern und extern angegangen?
Ich habe sehr viele Gespräche mit der Stadt geführt, mich dem damaligen OB Sauerland vorgestellt, war unter anderem aber auch bei der Merkez-Moschee, der jüdischen Gemeinde und vielen anderen Institutionen. Ich habe dort versucht, die Polizei als verlässlichen Partner vorzustellen. Intern gab es gerade in meinem ersten Jahr viele personelle und organisatorische Veränderungen.
Und die Rocker-Fehde? Viele glaubten damals, dass der Konflikt im Rotlicht-Milieu kaum zu lösen sei.
Wir wussten natürlich, dass es dort allein ums Geld ging. Wir sind hart rangegangen und haben eine stringente Linie gefahren. Ich habe Mannschaftswagen vor den Bordellen postieren lassen, dann standen schnell die Geschäftsführer bei mir auf der Matte und haben sich beschwert, dass das geschäftsschädigend sei. Die Absprache war dann: Wenn der Konflikt beendet ist, ziehen wir die Mannschaftswagen ab. Das hat funktioniert.
Ist die Situation von damals mit der Bekämpfung der Clan-Kriminalität vergleichbar?
Nur in einem Punkt: Man muss auch hier eine harte und klare Linie fahren. Die Clanstrukturen waren schon mindestens bei einem Herkunftsland bei meinem Amtsantritt bekannt. Sie sind über die Jahre gewachsen – auch durch die EU-Osterweiterung. Zwischen 2014 und 2016 hatten wir dann immer mehr sogenannte Tumultdelikte. Es war klar, dass wir die Situation allein mit unseren Einsatzmitteln nicht mehr bewältigen konnten.
War das der Moment, in dem Sie die Bereitschaftspolizei hinzugezogen haben?
Genau. Wir wollten Kräfte der Einsatzhundertschaft zur Unterstützung haben. Dafür mussten wir gemeinsam mit der Stadt ein Konzept beim Innenministerium einreichen – das so genannte Triangel-Konzept. Der Einsatz der Bereitschaftspolizei hat Wirkung gezeigt. Wir konnten die Situation weitgehend befrieden. Das hat auch die Geschäftsleute vor Ort im Norden und in Hochfeld gefreut. Aber: Dort darf man einfach nicht nachlassen. Der Staat muss gerade in einigen Vierteln im Norden jederzeit zeigen, dass er stark ist und dass nach seinen Regeln gespielt wird.
Stichwort Personal – auch dort haben Sie einige Hindernisse überwunden.
Die Polizei leidet in NRW einfach darunter, dass im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts wenig Nachwuchs eingestellt wurde. Mittlerweile haben wir bei den Einstellungszahlen bundesweit einen Höchststand. Abgänge und Zugänge werden aber erst ab 2022 ausgeglichen sein. Schwierig ist es, auch mit wenig Personal die wichtigste Aufgabe zu meistern: nämlich für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu sorgen. Aber auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mir zur Verfügung standen, war ich immer stolz. Ich habe hier unglaublich viel Tatkraft, Loyalität und Leidenschaft erlebt – das stärkt ungemein. Es braucht allerdings auch eine Zeit, damit sich solch gute Zusammenarbeit entwickeln kann. So etwas muss wachsen.
In ihrer elfjährigen Amtszeit haben Sie sich auch besonders um die Frauenförderung gekümmert. Was hat sich dort getan?
Wir haben über die Jahre die Zahl der Polizistinnen in Führungspositionen verdoppelt. Es gibt nun mehr Frauen, die Wachen oder Kriminalkommissariate leiten. Ich habe versucht, den Frauen das Zutrauen für diese Aufgaben zu vermitteln. Da tun sich Männer einfach leichter. Ein wichtiger Baustein war unter anderem ein Mentoringprogramm, an dem mittlerweile 81 Mitarbeiter teilgenommen haben – übrigens auch einige Männer. Dabei werden die Mentees von Führungskräften begleitet und gewinnen dadurch oft die Erkenntnis: Das kann ich doch auch!
Sie wohnen in der Nachbarstadt Düsseldorf. Haben Sie Duisburg in den elf Jahren trotzdem noch einmal neu kennengelernt?
Ich kannte die Stadt schon vorher, da ich an der Stadtgrenze wohne. Ich muss sagen: Duisburg ist einfach liebenswert. Viele schöne Flecken – zum Beispiel den Toeppersee und den Uettelsheimer See – habe ich mittlerweile auch privat kennengelernt. Die Menschen dieser Stadt sind aufgeschlossen und direkt. Das finde ich gut, das passte immer zu mir. Die Stadtgesellschaft ist sehr lebendig und bewegt viel, traut sich meiner Meinung nach aber zu wenig, das auch selbstbewusst zu sagen. Und leider hat die Stadt außerhalb ihrer Grenzen oftmals ein gewisses Schmuddel-Image, das nur sehr schwer zu bekämpfen ist.
Zum Abschluss ein Klassiker: Trotz des schweren Abschieds, worauf freuen Sie sich im Ruhestand?
Der Abschied fällt mir schon schwer, da ich meine Arbeit stets mit Leidenschaft ausgeübt habe. Ich freue mich aber darauf, dass ich bald nicht mehr fremdbestimmt bin und die Zeit nach meinen Bedürfnissen einteilen kann. und das nächtliche Klingeln des Telefons werde ich wohl auch nicht vermissen. Ich werde mich weiter im Duisburger Rotary-Club engagieren, auch wenn ich dort meine Präsidentschaft ebenfalls Ende Juni abgebe. Und auf das Reisen, das jetzt wieder möglich wird, freue ich mich – im September soll es nach Frankreich gehen.
>> NACHFOLGER STEHT NOCH NICHT FEST
- Nach elf Jahren als Präsidentin verlässt Dr. Elke Bartels die Polizei Duisburg zum 30. Juni aus Altersgründen. Ihre Pensionierungsurkunde bekommt sie am Mittwoch von NRW-Innenminister Herbert Reul überreicht.
- Eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger steht noch nicht fest. Die Ernennung von Polizeipräsidentinnen und Polizeipräsidenten muss durch die Landesregierung erfolgen.