Duisburg. Im Mai beginnen neue Lehrer, trotzdem fehlen an den Duisburger Schulen hunderte Kollegen. Vor allem Grund- und Förderschulen sind belastet.

Der Mangel an Lehrern in Duisburg bleibt ein großes Problem. Schulformsprecher und Behörden bewerten die Situation allerdings unterschiedlich. Die Bezirksregierung hat mit Blick auf die Besetzungen zum 1. Mai die Personalausstattungsquoten für die Schulformen aufgezeigt. Demnach fehlen insgesamt über 364 Lehrerinnen und Lehrer. Spitzenreiter sind wie schon lange die Grundschulen, wo rund 157 Lehrkräfte fehlen (Quote: 88,41 %), und die Förderschulen, denen 77 fehlen (Quote 83,26 %).

Traditionell am besten versorgt sind weiterhin die Berufskollegs und die Gymnasien, wo bei Versorgungsquoten von rund 97 % über alle 21 Schulen nur rund 20 Kollegen fehlen.

Eine Sprecherin der Bezirksregierung betont, dass das nur eine Momentaufnahme sei, zusätzliche Kräfte wie jene für den muttersprachlichen Unterricht würden in die Statistik nicht einfließen. Über die reinen Zahlen hinaus müsse man zudem wissen, dass voll ausgestattete Schulen dennoch einen Mangel in einem Fach haben könnten und umgekehrt würden die Schulämter bei besonders enger Personaldecke mit zusätzlichen Kräften helfen.

GEW: „Die offiziellen Zahlen sind geschönt“

Christina Menzel von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Duisburg sagt, dass die Grundschulen in Duisburg zusammen mit Remscheid „von allen Schulämtern im Regierungsbezirk Düsseldorf am schlechtesten dastehen“.

Die offiziellen Zahlen seien geschönt, weil sie zum Beispiel nicht offenbaren, wie viele Studierende schon in den Schulen arbeiten und den Betrieb mit aufrecht erhalten. In Duisburg könne der Notstand nur dadurch vermieden werden, dass jetzt 40 fertige Lehramtsanwärter nach Baerl oder Walsum geschickt werden, bevor sie in erst zwei Jahren in ihre Wunschstadt kommen.

Akut sei das eine Entlastung, aber in zwei Jahren seien diese Klassenleitungen auch wieder weg. Über die schulscharfen Ausschreibungen sind laut Bezirksregierung lediglich vier Stellen besetzt worden – von 149 ausgeschriebenen Stellen. „Das Verfahren macht so keinen Sinn“, klagt die Gewerkschafterin. Die GEW pocht deshalb schon länger auf ein zentralisiertes Verfahren, damit weniger beliebte Städte wie Duisburg gleichermaßen bedacht werden.

Von einem kurzfristigen „Eldorado“ spricht deshalb vermutlich nur die Leiterin der Grundschule Beethovenstraße in Rheinhausen. Weil Heike Schoch nun zwei Vollzeitkräfte mehr hat, sind alle Klassen mit einer Leitung versorgt. Ihr Glück währt aber nur kurz: Im Sommer gehen zwei Lehrerinnen in den Ruhestand.

„Land unter“ an den Förderschulen

An den Gymnasien ist die Situation vergleichsweise entspannt. 16 Stellen wurden ausgeschrieben, 14 zum 1. Mai besetzt. Dr. Wibke Harnischmacher freut sich am Mercator-Gymnasium über vier neue Kolleginnen und Kollegen, die zum 1. Mai starten: „Alles überzeugte Pädagogen mit Top-Noten“, sagt sie. Der Standort Duisburg und das Dellviertel haben sie nicht abgeschreckt.

An den Förderschulen ist dafür weiterhin Land unter. Lediglich drei von 58 ausgeschriebenen Stellen wurden besetzt. Die offiziellen 83 Prozent Besetzungsquote sind schon wenig, aber tatsächlich sei es „überall schlechter“, sagt Schulformsprecher Torsten Marienfeld. Er beklagt, dass die Zahlen der Bezirksregierung die Realität nicht abbilden. Allein an seiner Adlerschule seien derzeit zwei Lehrerinnen im Beschäftigungsverbot. „Sie sind nicht da, die Plätze bleiben leer, werden in der Statistik aber gezählt“, verdeutlicht er.

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Allen Bemühungen zum Trotz gebe es im sonderpädagogischen Bereich keine Entspannung. „Wir krebsen alle mit einer Personaldecke unter 80 Prozent herum und versuchen, den Laden aufrecht zu erhalten“, beschreibt der Lehrer die Situation an den neun Förderschulen in Duisburg. Parallel auch die pädagogischen Standards aufrecht zu erhalten, sei ein Kraftakt.

Mehr Unterstützung für die Kollegien gefordert

Was Marienfeld besonders ärgert, ist die Ungleichbehandlung der Schulen. Während andere Schulformen auch Alltagshelfer einsetzen können, die das Land finanziere, sei das für Förderschulen nicht freigegeben. „Warum ist das so, mir ist das ein Rätsel“, bedauert er.

Torsten Marienfeld von der Alfred-Adler-Förderschule in Duisburg Walsum beklagt den dramatischen Lehrermangel. „80 ist das neue 100“, sagt er mit Blick auf die Besetzungsquoten.
Torsten Marienfeld von der Alfred-Adler-Förderschule in Duisburg Walsum beklagt den dramatischen Lehrermangel. „80 ist das neue 100“, sagt er mit Blick auf die Besetzungsquoten. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Die Kräfte, die die Schule über „Aufholen nach Corona“ gewinnen konnte, würde er gern weiter beschäftigen. Im Sommer läuft das Programm aber aus. „Wir freuen uns über alles, was halbwegs passt. Und wenn es ein Gärtner ist, der draußen mit den Kindern was macht." Für die eigentliche Arbeit brauche es aber die Expertise der Sonderpädagogen, „alle anderen helfen, nicht unterzugehen“, verdeutlicht der Schulleiter.

Es müsse viel mehr ausgebildet werden, dafür müssten die Unis den Numerus clausus abschaffen. Bis diese frischen Kräfte aber bei ihm landen, werden noch einige Jahre vergehen.

Hier wie an den Grundschulen sei die Not keine Überraschung. Schon lange sei klar gewesen, dass mit Blick auf die Bevölkerungszahlen die 2020er Jahre „die totale Talsohle“ werden.

Gesamtschulen „surfen auf dünnem Eis“

An den Gesamtschulen sind 45 Stellen besetzt worden, 97 waren ausgeschrieben. Bernd Beckmann von der Gesamtschule Meiderich darf sich trotzdem freuen: Neun Lehrerinnen und Lehrer verlassen zwar das Kollegium, weil sie in Rente gehen oder ein Sabbatjahr machen, aber es kommen voraussichtlich genauso viele neu an. Darunter seien auch einige der eigenen Referendare. „Wer uns von innen kennen gelernt hat, hat keine Barriereängste. Viele bleiben und da sind wir stolz drauf.“

94 Prozent Versorgungsquote hat die Bezirksregierung für die Gesamtschulen insgesamt berechnet. Das trifft die Situation auch an der Gesamtschule Meiderich recht präzise, „wir haben sieben Stellen Unterhang“. Damit könne man umgehen, der Schulbetrieb sei nicht gefährdet, erklärt der Schulformsprecher. „Gedreht“ werde vor allem am Ganztag, der in den höheren Jahrgängen ausgedünnt werde. Sprich: Ältere Schüler sind dann früher zuhause.

Aber „wir surfen auf dünnem Eis“, sagt Beckmann, die demografische Talsohle sei erst in vier bis fünf Jahren durchschritten. Seit 2018 hat sich sein Kollegium massiv verändert: 21 Lehrer gingen in Pension, 36 neue Kollegen kamen hinzu, „darunter Professionen, die es vor einigen Jahren noch gar nicht gab, etwa Kräfte für das multiprofessionelle Team oder einen Athletiktrainer für die NRW-Sportschule “, berichtet Beckmann. Viele Schulen seien mitten in einem „echten Generationenwechsel“.

Bernd Beckmann, Schulleiter der Gesamtschule Meiderich und Schulformsprecher, freut sich über neue Lehrkräfte im Kollegium.
Bernd Beckmann, Schulleiter der Gesamtschule Meiderich und Schulformsprecher, freut sich über neue Lehrkräfte im Kollegium. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

>> LEHRERVERSORGUNG

Eine Sprecherin der Bezirksregierung betont, dass die Behörde bestrebt sei, eine gute Lehrerversorgung an allen Schulen in ihrem Bezirk sicherzustellen. „Hierfür wurde und wird kontinuierlich an der Gewinnung von Lehrkräften gearbeitet. Die Schulaufsicht steht dazu in ständigem Kontakt mit allen Schulen, um bei der Umsetzung aller erforderlichen und möglichen Maßnahmen zu beraten und zu unterstützen.“

Die Bezirksregierung sei ab er eine operative Behörde, strategische Entscheidungen treffe das Schulministerium.