Duisburg. Arcelor Mittal will im Duisburger Drahtwalzwerk in fünf Jahren CO2-arm produzieren. Warum das Millionen-Invest ohne Hilfe der Politik nicht geht.
Die Stahlstadt Duisburg könnte in Ruhrort um eine zukunftsträchtige Technik reicher werden: Arcelor Mittal will hier einen Elektro-Lichtbogenofen bauen und so bis 2050 CO2-neutral produzieren.
Dafür braucht das Unternehmen allerdings die finanzielle Unterstützung von Bund und EU. Am Mittwoch haben sich NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Bündnis90/Die Grünen), der Bundestagsabgeordnete Felix Banaszak (Grüne) und der SPD-Landtagsabgeordnete Frank Börner das Drahtwalzwerk angeschaut und mit Unternehmensleitung, Betriebsräten und Gewerkschaftern einen Blick in die Zukunft gewagt.
Es geht zum einen um eine Investition von 270 Millionen Euro, die Arcelor Mittal zur Hälfte selbst tragen will. Zum anderen geht es um die Zukunft von rund 850 Beschäftigten und 60 Auszubildenden.
Arcelor Mittal will ab 2027 mit einem Elektro-Lichtbogenofen Stahl erzeugen
Paul Tetteroo, seit neun Jahren Chef von Arcelor Mittal in Duisburg, ist zuversichtlich, dass der Plan aufgeht. Der Vertrag mit Thyssenkrupp über die Lieferung des Roheisens ist jedenfalls schon gekündigt. Ab September 2027 müsste Arcelor mit dem neuen Elektro-Lichtbogenofen selbst das Rohmaterial für seine Knüppel genannten Stahlstangen herstellen. Statt der Produktion im Hochofen mit Koks wird dann mit einer Elektrode gearbeitet, die Schrott und Eisenschwamm erhitzt. Erfahrungen sammelt das Unternehmen damit bereits im Hamburger Werk.
Für die grüne Transformation in Ruhrort braucht es jedoch eine Stromleitung von Walsum bis nach Ruhrort, sagt Tetteroo. Am Rhein im Duisburger Norden kommt eine 380 KV-Leitung an, die über das Thyssen-Gelände bis zu Arcelor Mittal verlängert werden könnte. Die Genehmigungsverfahren dafür dauern denkbar lang, bedauert Tetteroo.
Schnellere Genehmigungsverfahren, um wettbewerbsfähig zu bleiben
In Duisburg seien sie mit dem Vorhaben die Ersten, aber auch Unternehmen im Duisburger Süden und in Düsseldorf könnten in Zukunft davon profitieren. Grün ist der Strom dann zwar noch nicht, aber wegen der hohen Spannung und der geringeren Widerstände günstiger. Der Wechsel auf Strom aus erneuerbaren Energien sei schnell möglich, sobald er zur Verfügung steht. Gegen Strom aus Kernkraft, mit dem etwa in Frankreich oder USA Stahl produziert wird, „haben wir sonst keine Chance“, so der Arcelor Mittal-Chef.
Wirtschaftsministerin Mona Neubaur, die für diesen und einige andere Termine extra ihren Urlaub unterbrochen hatte, erklärte, dass Duisburg als Stahlstandort eine Zukunft habe, „wenn es gelingt, die Produktion klimaneutral zu machen“. Die Strategie von Arcelor Mittal sei nachvollziehbar. Klimaneutrale Stahlproduktion brauche erneuerbare Energien, brauche Strom aus Wind und Sonne, brauche die Leitungen dazu. Das Wirtschaftsministerium NRW unterstütze die Transformation und setze derzeit um, „was in der Vergangenheit versäumt wurde“. Bis 2023 sollen bereits 80 Prozent erneuerbare Energien zur Verfügung stehen, die kostengünstig auch für die Industrie nutzbar sein sollen.
Grüne Transformation soll sich langfristig ohne Subventionen rechnen
Felix Banaszak betont, dass „Duisburg der größte Stahlstandort Europas ist, und wenn es nach uns geht, dann bleibt das auch so“. Unternehmerisch müsse es sich lohnen, grün und klimaneutral zu produzieren, auch ohne Subventionen. Öffentliche Gelder seien für die Transformation wichtig, dauerhaft müsse es aber ohne gehen.
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Wann die Entscheidungen auf EU- und Bundesebene fallen, ist noch offen. Ein Problem ist, dass sich kurz nach der Antragstellung die Rahmenbedingungen verändert haben, erklärt Banaszak. Grundsätzlich müssten sich die Beihilfeverfahren beschleunigen, „selbst bei einer Absage ist es besser, wenn sie schnell kommt“.
Drahtwalzwerk verarbeitet eine Million Tonnen Stahl pro Jahr
Der Besuch aus Düsseldorf und Berlin ließ sich gut geschützt mit Helm und Brille das Drahtwalzwerk zeigen. In vier Schichten werden drei Tonnen schwere und bis zu 16 Meter lange „Knüppel“ auf 1300 Grad erhitzt und dann auf einer langen Straße durch 28 Walzen nach und nach zu dünnen Drähten geformt.
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Die zwischen 5,5 und 25 Millimeter dicken Drähte werden am Ende rotglühend wie ein Gartenschlauch aufgewickelt. Nach dem Abkühlen können sie zum Kunden transportiert werden. Abnehmer sind vor allem die Autoindustrie, aber auch die Federn in Bettmatratzen werden aus diesen Drähten geformt, erklärt Produktionsleiter Volker Südholt. Eine Million Tonnen Stahl werden so jährlich verarbeitet.
Schon im letzten Jahr habe man mit einer Technik, die die Verbrennerluft angereichert hat, den Erdgasverbrauch reduzieren können. Damit habe man die Kosten, die durch den Krieg in der Ukraine in die Höhe schnellten, im Zaum halten können. Künftig sei der Prozess des Erhitzens auch mit Wasserstoff denkbar.