Duisburg-Neudorf. Die Duisburger Sängerin Anja Lerch begleitet Sterbende bis zum Tod – und Lebende beim Umgang mit Trauer. Wie Musik dabei helfen kann.

Musik macht das Leben leichter – und manchmal auch den Tod. Die Duisburger Sängerin Anja Lerch weiß das nicht nur von ihren zahlreichen Konzerten und Singabenden. In den vergangenen Jahren, kurz bevor die Pandemie begann, hat sie sich zur Sterbe-Amme nach Claudia Cardinal ausbilden lassen. Sie begleitet Menschen in existenziellen Krisen, bei lebensbedrohlichen Diagnosen, Sterbende, ihre Angehörigen und unterstützt Trauernde. Die Neudorferin hat ein Händchen für die intensiven Momente des Lebens.

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„Als ich meine drei Kinder geboren habe, wollte ich jedes Mal Hebamme werden”, blickt sie zurück. Sie entschied sich dann doch für die Musik, erlebte aber den Sterbeprozess ihrer Großmutter intensiv mit. Sie wurde von Lerchs Mutter damals zu Hause gepflegt. „Damals kannte ich noch kein Wort dafür. Meine Oma war mir sehr wichtig und als mein Großvater starb, bekam sie einen Hirntumor, sie wollte nicht mehr leben, das konnte ich deutlich spüren. Es lief dann die ganze Maschinerie mit Chemo und Behandlungen an. Vielleicht wäre ich, mit dem Wissen von heute, anders damit umgegangen, um einen geruhsameren, friedlichen Abschied zu ermöglichen.“

Duisburgerin hilft, „Sorge, Angst, Furcht und Panik“ vor dem Tod zu verwandeln

Damals, Anja Lerch war zu diesem Zeitpunkt 25 Jahre alt, besuchte sie die Großmutter regelmäßig. „Am Abend vor der Nacht, in der sie starb, habe ich ihr ins Ohr geflüstert: ,Gott ist bei dir – ́hab’ keine Angst – du kannst ruhig gehen’. Meine Oma war eine gläubige Frau und ich wusste, diese Worte würden sie beruhigen“, erinnert sie sich, wie sie sicḧ verabschieden musste.

„Der Tod ist nie schön, aber gestorben wird immer. Das ist das einzige, was sicher ist.“ In der Ausbildung beschäftigte sie sich damit, wie man Menschen begleitet, die sich von einem nahen Verwandten oder Freund verabschieden. Sie lernte etwas über die Sprache der Sterbenden und verschiedene Sterbe- und Trauerphänomene. Auch der Umgang mit dem Tod in anderen Kulturen stand unter anderem auf dem Lehrplan.

Was sie am meisten überzeugt, ist die Möglichkeit der Verwandlung der sogenannten vier Monster „Sorge, Angst, Furcht und Panik“, die bei diesem Prozess mit im Gepäck sind, „denn das Sterben und der Tod an sich sind ja nie das Problem.“ Ab Herbst wird sie selbst als Dozentin an der Sterbeakademie tätig sein.

Ihre Erfahrung: Beim Umgang mit dem Tod hilft auch Musik. „Wer singt, hat keine Angst.“ Zudem verleiht sie Gefühlen Ausdruck. Auf Wunsch stimmt sie für Sterbende ihre „Kraft-Lieder“ an. Das kann ein „Ave Maria“ ebenso sein wie „Love is in the air“.

„Trauerfeier zu Lebzeiten“ lässt eigenen Abschied miterleben

Anja Lerch wird sowohl von den Betroffenen als auch von den Angehörigen kontaktiert, die sich eine Begleitung wünschen. In einem ersten Gespräch wird dann der Rahmen abgeklärt, aber auch über Kosten gesprochen. Wenn jemand eine lebensbedrohliche Diagnose erhalten hat und weiß, dass er oder sie nicht mehr lange zu leben hat, gibt es zum Beispiel die Möglichkeit, eine sogenannte „Trauerfeier zu Lebzeiten“ zu organisieren.

„Warum sollte es immer nur Trauerfeiern geben, wo die Hauptperson nicht mehr anwesend ist?“, erklärt sie den Gedanken. Gemeinsam werden beispielsweise Lieder oder Bilder zusammengetragen. Gäste erinnern sich dabei an Anekdoten und schöne gemeinsame Momente. Bei dieser Art von Abschied geht es durchaus auch lustig zu. „Es ist eine Liebeserklärung an die Person und ihr Leben. Freunde und Angehörige können ihr Segenswünsche mit auf den Weg geben.“

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Für Anja Lerch ist die Aufgabe als Sterbe-Amme sinnstiftend und erfüllend. Sie ist sich sicher: „Sich mit der eigenen Sterblichkeit bewusst auseinanderzusetzen, kann zu einem erfüllteren, ehrlicheren Leben führen, um abzuwägen, was wir mit der Zeit anfangen, die uns geschenkt wird.“

>> Trauerkurs beim Evangelischen Familienbildungswerk

Anja Lerch bietet auch, etwa in Zusammenarbeit mit dem Evangelischen Familienbildungswerk, eine `Trauerbegleitung und Musik` für Zugehörige an. Der nächste Kurs startet am 25. September. Gedacht ist die Gruppe für Personen, bei denen der Verstorbene bereits ein halbes Jahr tot ist.