Duisburg. Der Partner stirbt, das Herz schmerzt: Frauen schildern ihre Gefühle im Trauercafé, in dem sich meist Witwen regelmäßig zum Austausch treffen.

. „45- einhalb Jahre waren wir zusammen. Dann war alles in 15 Minuten vorbei. Ich konnte noch nicht mal Tschüss sagen.“ Der Mann von Gisela Schellöh kam gerade vom Tennistraining, legte sich auf die Couch, „zuckte dreimal“ und war tot. Mit 69. „Schlimm.“ Der Rettungswagen kam schnell, die Sanitäter belebten ihn wieder. Drei Wochen lag er noch im Koma, und wachte doch nicht wieder auf. „Das war schlimm.“

Auch heute, vier Jahre danach, gibt es noch immer Situationen, in denen ihr Tränen kommen könnten. Wenn sie zum Beispiel beim alten Tennisverein ist. „Da hängen viele Fotos von ihm. Vereinskameraden haben sogar ein Gedächtnis-Turnier veranstaltet.“ Wenn das stattfindet, fährt sie immer weg. „Ich kann das einfach nicht.“ Manchmal stößt sie mit so einer Reaktion auf Unverständnis. Doch in den vergangenen Jahren hat Gisela Schellöh gelernt, ihren eigenen Weg zu gehen. Wer das nicht versteht, „der kann mir mal die Füße küssen.“

Auf den Tischen stehen Kosmetiktücher für die Tränen

Gisela Schellöh (rechts) kann im Trauercafé von ihrer Gemütslage berichten. Vor ein paar Wochen hätte sie 50. Hochzeitstag gehabt.
Gisela Schellöh (rechts) kann im Trauercafé von ihrer Gemütslage berichten. Vor ein paar Wochen hätte sie 50. Hochzeitstag gehabt. © Lars Heidrich

Christel Gehring nickt kräftig. Der 77-Jährigen fällt es schwer, ins Konzert zu gehen, weil sie das so gerne mit ihrem Mann gemacht hat. Trost und Unterstützung finden die Damen im Trauercafé im katholischen Stadthaus. Hier treffen sich alle zwei Wochen Witwen, jüngere und ältere. Männer sind selten dabei. „Die gehen lieber laufen, mit Bekannten ein Bier trinken, und sprechen weniger über Gefühle“, weiß Rita Osowski, die das Angebot vor fünf Jahren ins Leben rief.


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Auf den Tischen stehen Kosmetiktücher griffbereit. Tränen fließen oft. Niemand muss etwas sagen; aber jeder darf erzählen, wie es ihm geht. Freitags bietet Rita Osowski seelsorgerische Einzelgespräche an. „Der Tod ist immer noch ein Tabuthema – und am besten sollte es mit der Trauer nach sechs Wochen vorbei sein.“ Rita Osowski und die anderen Damen hören zu, wenn Freunde und Bekannte schon nicht mehr fragen. Oder im Gegenteil: Gut gemeinte Freizeitangebote unterbreiten, für die der Trauernde noch nicht bereit ist.

Die Gänge über den Friedhof

„Der Schmerz brennt immer noch“, beschreibt Christel Gehring. Der Tod ihres Gatten kam nicht überraschend, aber das macht es nicht besser. Zwar könne man auch etwas alleine oder mit Bekannten unternehmen, „aber das berührt meine Seele nicht. Das füllt nur die Zeit.“ Eine andere erzählt, dass es am Schlimmsten ist, wenn sie zu Hause die Tür aufschließt und niemand da sei. Alles sieht noch genauso aus wie früher. „Manchmal rede ich mit ihm“, sagt sie fast entschuldigend. „Das mache ich aber auch, wenn ich am Grab stehe.

Die anderen denken bestimmt, dass ich einen an der Klatsche habe“, widerspricht eine andere. Und eine dritte Teilnehmerin berichtet, wie sie ihre Runden über den Friedhof dreht. „Dann schaue ich auf die Gräber, sehe, wie jung die anderen gestorben sind, und sage mir: ,Was jammerst du eigentlich rum.’“ Ungerecht fand sie es trotzdem, als er starb. Ihre Tischnachbarin hat sogar aufgehört zu beten, als der Mann starb. „Gott hat ihn mir geklaut.“

Das erste Mal wieder in den Urlaub

Rita Osowski leitet das Trauercafé im Katholischen Stadthaus in Duisburg.
Rita Osowski leitet das Trauercafé im Katholischen Stadthaus in Duisburg. © Lars Heidrich

Gisela Schellöh und ihr Sohn fahren demnächst das erste Mal wieder in ihr Ferienhaus. Der Sohn mochte lange Zeit nicht hin. „Ich seh’ den Vatter da immer sitzen“, habe er stets gesagt. „Nun versuchen wir es. Und wenn’s nicht geht, packen wir wieder unsere Sachen“, erklärt die Witwe. Alleine in Urlaub zu fahren sei doof, und teuer noch dazu. Im April hätten sie und ihr Mann Goldene Hochzeit gefeiert. Da kam wieder alles hoch. Sie versucht sich, an die schönen Dinge zu erinnern. Dafür ist Christel Gehring noch zu traurig. „Wir waren ja erst kurz zusammen, nur 25 Jahre.“

Gisela Schellöh kann sich momentan nicht vorstellen, sich noch einmal neu zu verlieben. Einmal gab es einen Herrn, der Interesse zeigte. Sie haben sich bei einer Skatveranstaltung kennen gelernt. Aber da war sie noch nicht so weit. „Ich brauch’ keinen Mann, habe mein Auskommen. Aber ich sag’ immer zu mir: ,Gisela, sag’ niemals nie.’“

>> DIE TREFFEN IM TRAUERCAFÉ

Das Trauercafé findet immer am 1. Montag im Monat von 17.30 Uhr bis 19 Uhr statt sowie am 3. Montag im Monat von 15 Uhr bis 16.30 Uhr im Katholischen Stadthaus, Wieberplatz 2, statt.

Darüber hinaus gibt es weitere Angebote wie Waldspaziergänge oder gemeinsames Kochen. Nähere Informationen bei Rita Osowski: du-trauercafe@gmx.de

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