Duisburg-Neudorf. Der Namensgeber der Nettelbeckstraße, Joachim Nettelbeck, hat eine koloniale Vorgeschichte. Was die Duisburger Linken deshalb vorschlagen.

Die Nettelbeckstraße in Duisburg-Neudorf ist in den Fokus der Bezirkspolitiker in Duisburg-Mitte geraten. „Die Fraktion/die linke Partei“ hat in der jüngsten Sitzung den Antrag gestellt, unter dem Schild der „Nettelbeckstraße“ eine zusätzliche Erklärung anzubringen. Diese soll auf den Hintergrund des Namengebers Joachim Nettelbeck hinweisen. In der Vorlage wird beschrieben, dass Nettelbeck durch seine Rolle bei der Verteidigung Kolbergs im Jahr 1807 und durch seine Autobiografie schon zu Lebzeiten ein Volksheld des deutschen Nationalismus wurde. Aus seiner Autobiografie gehe zudem hervor, dass er als Kapitän niederländischer Sklavenschiffe als Kolonialherr und Propagandist wirkte. Der Antrag wurde von der Mehrheit allerdings abgelehnt, nur die Grünen, die Linke und die Partei stimmten zu.

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„Ich will gar nicht in der Sache widersprechen, allerdings würde ich mir eine historisch-wissenschaftlich fundierte Begründung wünschen“, erklärte Frank Albrecht (FDP). Die CDU schlug vor, eine Kommission einzurichten, die sich mit dem Thema Zusatzschilder für Straßennamen befasse. Allerdings wurde dazu kein Beschluss gefasst. Michael Dubielczyk zeigte sich enttäuscht, schließlich habe es im Duisburger Süden, als dort die Debatte um die Afrika-Siedlung geführt wurde, am Ende Einvernehmen zwischen den Parteien gegeben.

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Duisburger Bezirksvertreter legen die Namen für Straßen fest – Ortsgeschichte im Fokus

Auf Nachfrage unserer Redaktion erläutert Stadtsprecher Malte Werning noch einmal das Prozedere, wie Straßennamen gefunden werden: „Grundsätzlich wird die Entscheidung zur Benennung einer Straße auf politischem Weg getroffen. Die Bezirksvertretungen sind für die Benennung und Umbenennung von öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen zuständig. Dabei kommen Namensvorschläge oft direkt aus der Bezirksvertretung, von Anwohnern oder werden durch die Verwaltung ausgearbeitet.“ Dabei soll vor allem die Ortsgeschichte im Fokus stehen.

Dr. Andreas Pilger leitet das Stadtarchiv.
Dr. Andreas Pilger leitet das Stadtarchiv. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Dr. Andreas Pilger, Leiter des Duisburger Stadtarchivs, klärt über das Leben von Joachim Nettelbeck folgendermaßen auf: „Nettelbeck war als Kapitän auf niederländischen und britischen Sklavenschiffen aktiv am Menschenhandel beteiligt. Aus seiner Sicht sollte auch Preußen am Kolonialhandel teilhaben und eigene Kolonien erwerben. Mit dieser Bitte trat er zu seinen Lebzeiten an die preußischen Könige heran. Geehrt wurde er nach 1807 für die Verteidigung seiner preußischen Heimatstadt Kolberg in Pommern gegen die Napoleonischen Truppen.“

Da Nettelbeck als Seefahrer die rassistische Ausbeutung und den Handel mit Menschen unterstützte, eigene preußische Kolonialgebiete forderte und in diesem System profitable Vorteile für das eigene Land sah, werde seine Biographie heute in den Diskussionen um Straßennamen nicht nur unter dem Aspekt des Militarismus, sondern auch mit kolonialgeschichtlicher Sensibilität zunehmend kritisch in den Blick genommen, weiß Pilger.

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Mit Blick auf die Debatte um Straßennamen erklärt der Historiker: „In Duisburg gibt es wie in vielen Orten Straßen, die nach preußischen Generälen der Befreiungskriege beziehungsweise auch nach Schlachten des Deutsch-Französischen Kriegs benannt wurden – zum Beispiel die Gneisenaustraße in Neudorf oder die Sedanstraße in Hochfeld.“ Wegen der militaristischen Bezüge und der inzwischen zunehmend sensibel und kritisch geführten öffentlichen Debatte sei immer damit zu rechnen, dass die entsprechenden Straßennamen Gegenstand der Diskussion werden. „Beispiele dafür gibt es in mehreren deutschen Städten, vor allem aber in Berlin.“

>> Das sind die häufigsten Straßennamen in Duisburg

Leute, die nicht aus Duisburg kommen oder neu in die Stadt ziehen, wundern sich oft, dass Straßennamen mehrfach in den Stadtteilen vorkommen. Wer dann nicht die richtige Postleitzahl ins Navi eingibt, steht schnell an der falschen Adresse. Die häufigsten Straßennamen sind aktuell jeweils fünfmal im Stadtgebiet vorhanden: Das gilt für die

  • Ackerstraße
  • Barbarbastraße
  • Buchenstraße
  • Feldstraße
  • Gartenstraße
  • Heinrichstraße
  • Kantstraße
  • Karlstraße
  • Schillerstraße
  • Wiesenstraße. Dass diese Straßennamen häufiger zu finden sind, liegt vor allem an den kommunalen Neugliederungen, bei der die nach Duisburg eingemeindeten Straßen ihren Namen behielten.