Duisburg. Inflation, steigende Preise und Corona-Folgen bringen immer mehr Duisburger Familien in Bedrängnis. Das berichten Betroffene und Familienhelfer.
Immer mehr Familien und Alleinerziehende benötigen Unterstützung, um ihr Leben zu meistern. In Duisburg nehmen aktuell rund 2700 Familien so genannte Ambulante Hilfen in Anspruch, rund 400 mehr als noch 2019. Psychosoziale Probleme, Schulkonflikte und Suchterkrankungen zählen laut Jugendamt zu den häufigsten Ursachen dafür, dass vorübergehend oder dauerhaft Hilfe von außen notwendig wird.
Stadt Duisburg: 31,75 Millionen Euro für die Unterstützung von Familien
Von „stabilisierenden Familienhilfen“ spricht Heike Maria Bähr. Sie leitet die Ambulanten Hilfen des Diakoniewerks am Burgacker in Stadtmitte – einer von insgesamt 34 Trägern, die derzeit in Duisburg im Auftrag des Jugendamtes in diesem Bereich arbeiten. Für die ambulante Unterstützung von Familien wendete die Stadt Duisburg in 2021 rund 31,75 Millionen Euro auf, rund vier Millionen Euro mehr als noch 2019. „Die Zahlen spiegeln einen bundesweiten Trend wieder“, so Stadtsprecher Falko Firlus.
[Nichts verpassen, was in Duisburg passiert: Hier für den täglichen Duisburg-Newsletter anmelden.]
„Wer zu uns kommt, der hatte bereits Kontakt mit dem Jugendamt“, sagt Bähr über ihre Klienten. Über die Hälfte sind Alleinerziehende. Kinderreiche Familien und sogenannte Patchworkfamilien zählen ebenfalls oft zum Kreis derer, die von den Familienhelfern begleitet werden. „Wir unterstützen in Krisen, helfen bei der Strukturierung des Alltags“, erklärt Heike Maria Bähr. Die Corona-Pandemie habe die ohnehin schwierige Lage vieler Familien zusätzlich verschärft, berichtet sie. „Es gibt mehr Fälle von häuslicher Gewalt, eine steigende Zahl von psychischen Krisen – viele sind durch Corona erst offenbar geworden.“
Zeitbudget richtet sich nach dem individuellen Bedarf an Hilfe
Derzeit betreut das 21-köpfige Team der Diakonie 126 Familien. Gekommen seien alle „auf Rezept“, sagt Bähr, „aber die Medikation ist individuell“.Die Zusammenarbeit beginnt mit einem klärenden Gespräch, erklärt Heiko Trempler, einer der Sozialarbeiter beim Diakoniewerk. „Weiteres entwickelt sich im Prozess.“ Das Zeitbudget ist differenziert nach Hilfebedarf: „In einigen Familien sind wir nur einmal pro Woche, in anderen täglich.“ Oft trägt die Unterstützung auch dazu bei, eine schwierige Situation zu entschärfen, die persönliche und wirtschaftliche Lage der Familien wieder in sichere Bahnen zu lenken.
Auch interessant
In eine solche Lage geriet Yvonne Bleso vor knapp zwei Jahren. Der Vater der beiden Töchter (vier und sieben Jahre alt), mit dem sie neun Jahre lang zusammengelebt hatte, verließ die Familie und hinterließ Schulden. „Der Gerichtsvollzieher stand vor der Tür, ich wusste von nichts und war überfordert“, berichtete die 30 Jahre alte Duissernerin. Sie wandte sich daraufhin selbst mit der Bitte um Hilfe an das Jugendamt. Seit Dezember 2021 unterstützt Heiko Trempler die Mutter und ihre Töchter. Yvonne Bleso bekommt nun vom Jobcenter aufstockende Leistungen zu ihrem Einkommen aus einem Minijob als Nachtbereitschaft in einer Einrichtung der Lebenshilfe in Krefeld.
Familienhelfer: Die Situation der Kinder steht immer im Fokus
„Im Fokus stehen immer die Kinder“, betont Heiko Trempler. An Verlustängsten der jüngeren Tochter habe er gearbeitet, daran, das Verhältnis zum Vater zu verbessern. Dankbar ist die junge Mutter für seine Unterstützung bei den zahlreichen Anträgen, die es zu stellen galt. „Das ist für mich Stress pur.“ Ein Jahr später hat sich ihre Lage stabilisiert. „Ich komme finanziell ganz gut klar“, sagt die 30-Jährige nun. Wenn möglich, will sie bald mehr arbeiten – dank der Unterstützung ihrer Mutter ist das bei den Nachtschichten möglich.
Auch interessant
Dass die Inflation zuletzt das Leben verteuert hat, spüren besonders Alleinerziehende wie Yvonne Bleso. „Ich spare vor allem an mir selbst“, sagt sie. Das Frühstück beim Bäcker mit Freundinnen, der Besuch im Nagelstudio – das fällt aus. Wenn möglich, bleibt das Auto stehen, beim Einkauf schaut sie auf Sonderangebote und Schnäppchen. „Dennoch reicht es oft für die kleinen Wünsche der Kinder nicht mehr“, stellt sie fest und sagt doch: „Es gibt andere, denen es schlechter geht.“
>>INFLATION: MEHR FAMILIEN AN DER BELASTUNGSGRENZE
- „Das Geld wird knapp“, beschreibt Heike Maria Bähr vom Diakoniewerk die Lage vieler Duisburger Familien, die von den Ambulanten Hilfen unterstützt werden. Steigende Preise, nicht nur für Strom und Treibstoffe, brächten gerade jene in Bedrängnis, die bislang knapp über die Runden kamen. „Sie sind die Leidtragenden.“
- Für Freizeit und Kultur, einen Besuch im Zoo, fehle schon lange das Geld, kostenlose Angebote für Familien seien zu wenig bekannt, bedauert Bähr. „Wir versuchen, etwa mit Kinder-Yoga, eigene Angebote zu schaffen.“ Sorgen macht ihr der vorübergehende Aufnahmestopp für Neukunden bei der Duisburger Tafel.
- Dass die Umstellung von Hartz IV auf das höhere Bürgergeld reibungslos läuft, um die steigenden Kosten zumindest teilweise aufzufangen, hoffen die Familienhelfer. „Ich fürchte, dass es ansonsten Familien gibt, die ihre Ernährung nicht mehr gewährleisten können“, sagt Heike Maria Bähr.