Duisburg. Mit der Pensionsgrenze war für Marianne und Dr. Franz Jostkleigrewe noch lang nicht Schluss. So hilft das Ärztepaar in Duisburg und in Afrika.

Gar nicht so einfach, mit Dr. Franz und Marianne Jostkleigrewe einen Termin zu machen. Dabei ist er seit sieben, sie seit fünf Jahren eigentlich im Ruhestand. Den hat das Buchholzer Ärztepaar verschoben. Seither sind beide ehrenamtlich engagiert: der 71-Jährige Chirurg im Friedensdorf International, seine Frau im Medibus des Duisburger Vereins „Gemeinsam gegen Kälte“ und beide gemeinsam in Eritrea.

In dem ostafrikanischen Land setzen sie eine lange Tradition der medizinischen Hilfe aus Duisburg fort.

Engagement in Eritrea hat für Ärzte der BG Klinik Duisburg lange Tradition

„Ich mache jetzt das, was ich in meinem Beruf immer am liebsten gemacht habe“, sagt Dr. Franz Jostkleigrewe. Operieren, heilen, helfen, dazu blieb ihm in der BG Klinik mitunter zu wenig Zeit. 31 Jahre lang war der Unfall- und Plastische Chirurg dort tätig. In der zweiten Hälfte dieser Zeit als Chefarzt der Klinik für Handchirurgie, Plastische Chirurgie und des Zentrums für schwer Brandverletzte warteten auch viele andere Aufgaben.

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Das Engagement für Eritrea hat er quasi geerbt. „Mein Vorgänger Dr. Karl Brand hat erstmals 1999 dort brandverletzte Kinder behandelt“, berichtet Jostkleigrewe, der seit 16 Jahren in Eritrea hilft. Seither reisen aktive und ehemalige Ärzte der BG Klinik regelmäßig in die Hauptstadt Asmara, um dort die Fehlstellungen der Gliedmaßen ihrer kleinen Patienten zu korrigieren. Ihre Zeit und Kompetenz stellen sie dabei in den Dienst von Archemed – die 2010 von Dr. Peter Schidtal in Soest gegründete ärztliche Hilfsorganisation konzentriert sich auf die Hilfe im Land am Horn von Afrika.

Der Ruhestand kann warten: Das Ärzte-Ehepaar Marianne und Dr. Franz Jostkleigrewe, hier im heimischen Garten in Buchholz, engagiert sich für den Duisburger Verein „Gemeinsam gegen Kälte“ und die Organisation Archimed. Im Februar reisen sie erneut nach Eritrea.
Der Ruhestand kann warten: Das Ärzte-Ehepaar Marianne und Dr. Franz Jostkleigrewe, hier im heimischen Garten in Buchholz, engagiert sich für den Duisburger Verein „Gemeinsam gegen Kälte“ und die Organisation Archimed. Im Februar reisen sie erneut nach Eritrea. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Zwei Teams pro Jahr arbeiten für bis zu drei Wochen im Halibet-Hospital in Asmara

Das seit seiner in einem 18-Jährige Krieg 1993 erkämpften Unabhängigkeit diktatorisch regierte Land am Horn von Afrika ist dabei kein einfacher Partner. „Eritrea setzt darauf, es ohne Hilfe von außen zu schaffen“, berichtet Jostkleigrewe. Selbst der Visa-Antrag sei immer wieder eine Zitterpartie. Zwei Teams schickt Archemed pro Jahr für zwei bis drei Wochen, zwei Chirurgen, Ärzte, Kinderärzte und Pflegefachpersonal machen sich dann auf den Weg ins Halibet-Hospital, eine von zwei Kliniken in der Hauptstadt Asmara. Im Februar steht die nächste Reise an: Neben den Jostkleigrewes ist dann auch der Chirurg Dr. Raouf Onallah aus der BG Klinik dabei, auch der Kinderarzt Dr. Axel Feldkamp ist regelmäßig mit an Bord – gemeinsam behandeln sie in Duisburg Kinder, die vom Oberhausener Friedensdorf hergebracht werden.

Auch Dr.Raouf Onallah (2.v.r.), Chirurg in der BG Klinik, hilft immer wieder in Asmara. Er spricht arabisch, eine wichtige Kompetenz bei der Weiterbildung der Ärzte in Eritrea, hier im Halibet-Hospital in Asmara.
Auch Dr.Raouf Onallah (2.v.r.), Chirurg in der BG Klinik, hilft immer wieder in Asmara. Er spricht arabisch, eine wichtige Kompetenz bei der Weiterbildung der Ärzte in Eritrea, hier im Halibet-Hospital in Asmara. © Franz Jostkleigrewe | Franz Jostkleigrewe

OP-Ausstattung in Eritrea stammt aus der Klinik in Buchholz

Bis zu 80 zumeist kleine Patienten operiert das Team dann, einbestellt von den Ärzten vor Ort, damit die die oft weite und beschwerliche Anreise rechtzeitig antreten. Seit 2009 gibt es dort einen Operationssaal, ausgestattet mit Geräten aus der BG Klinik, die da einen Neubau bekam. „Ein Glücksfall“, sagt Jostkleigrewe. Immer mit an Bord nehmen die Team spezielles Verbandmaterial, das nach den oft sehr aufwendigen Operationen benötigt wird.

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Die Chirurgen beheben chronische Verbrennungsfolgen: Sie trennen Finger und Zehen, die zusammengewachsen sind, lösen Kontrakturen an Gelenken, die sich nach schlecht verheilten, großflächigen Verletzungen bilden, weil Hauttransplantationen nicht möglich waren. Die Kerosin-Öfen, Standard-Kochgelegenheit in Eritrea, sind eine Hauptursache der Unfälle, berichtet Franz Jostkleigrewe. „Es gibt dort einfach sehr viele Unglücksmöglichkeiten.“

In der Halibet-Klinik in Asmara gibt es seit 2009 einen OP, in dem brandverletzte Kinder operiert werden können. Die Ausstattung stammt aus der BG Klinik in Duisburg.
In der Halibet-Klinik in Asmara gibt es seit 2009 einen OP, in dem brandverletzte Kinder operiert werden können. Die Ausstattung stammt aus der BG Klinik in Duisburg. © Dr. Franz Jostkleigrewe

Ziel: Hilfe zur Selbsthilfe durch die Ausbildung einheimischer Mediziner

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Einheimische Ärzte auszubilden sei „der eigentlich Antrieb“ von Archemed, berichtet der Duisburger. In Deutschland sei das schwierig, „denn sie bleiben dann anschließend oft hier“. Die Strategie, Kollegen in Asmara weiterzubilden, trägt nun Früchte. „Es gibt drei Ärzte, die die Arbeit gut und selbstständig leisten können“, berichtet Jostkleigrewe. Bis zu 400 Operationen schaffe die Klinik, außerdem werden bis zu 5000 Patienten mit kleineren Brandverletzungen versorgt.

Die Hilfe zur Selbsthilfe sei, wenn möglich, der bessere Weg, glaubt Dr. Franz Jostkleigrewe. Auch im Friedensdorf operiert und versorgt er kleine Patienten, die für die Behandlung ausgeflogen worden. Oft ist es ihre einzige Chance auf Behandlung ihrer Verletzungen. „Die lange Trennung von ihren Familien ist aber problematisch“, sagt der Duisburger. „Deshalb ist es eigentlich besser, wenn die Ärzte statt der Patienten reisen.“

MEDIBUS: FEHLENDE KRANKENVERSICHERUNG IST „EIN RIESENPROBLEM“

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Zum zehnten Mal reist Marianne Jostkleigrewe im Februar mit nach Eritrea. „Anfangs war ich noch mit im OP“, berichtet sie, „jetzt sind die jungen Kollegen hineingewachsen“. Seit ihrem Ausstieg aus der Gemeinschaftspraxis in Mündelheim vor fünf Jahren engagiert sich die Allgemeinmedizinerin für den Verein „Gemeinsam gegen Kälte“. Im Ärzteverein hörte sie vom Medibus, der zweimal pro Woche feste Stationen in der Stadt ansteuert. „Ich wurde gefragt, ob ich als Ärztin mitfahren kann, 2018 bin ich eingestiegen.“

An den Stationen Kuhlenwall, Rathaus Hamborn, Hotel Salm und Petershof und auf Anfrage auch in der Bahnhofsmission versorgt sie pro Tour bis zu 25 Menschen, die den Bus für eine kostenlose Behandlung aufsuchen. „Es sind nicht nur Obdachlose, sondern zunehmend auch Menschen mit wenig Geld“, berichtet sie. Das Personal im Medibus versorge dabei „teilweise schlimme Wunden“ – Folgen des Lebens auf der Straße, von Alkoholismus.

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Auch ihr Mann steigt bei Bedarf mit in den Medibus, insgesamt engagieren sich in Duisburg neun Ärzte, außerdem Pflegepersonal und Fahrer für das Projekt von „Gemeinsam gegen Kälte“. Marianne Jostkleigrewe registriert eine wachsende Zahl von Menschen ohne Krankenversicherung oder mit ungeklärtem Versicherungsstatus. Letzte sind oft EU-Bürger die in verschiedenen europäischen Staaten versicherungspflichtig beschäftigt waren, aber aktuell keine Versicherung nachweisen können und deshalb von Arztpraxen und Kliniken abgewiesen werden. „Das ist ein Riesenproblem“, sagt Marianne Jostkleigrewe.

>> INFO ZU DEN HILFSORGANISATIONEN

  • Wer die genannten Vereine und Hilfsorganisationen unterstützen möchte, findet die Informationen dazu im Internet.
  • In Duisburg engagiert sich der Verein „Gemeinsam gegen Kälte“ obdachlosen Menschen und Duisburger, die andere Einrichtungen nicht mehr erreichen.
  • DasFriedensdorf International (Dinslaken/Oberhausen) holt kranke oder verletzte Kinder aus Kriegs- und Krisengebieten zur medizinischen Versorgung nach Deutschland.
  • Der VereinArchemed – Ärzte für Kinder in Not arbeitet für das Ziel, das Leben der Kinder in Eritrea durch medizinische und humanitäre Hilfe entscheidend zu verbessern.