Duisburg/Essen. Die Studierenden der Uni Duisburg-Essen machen sich nach dem Hackerangriff Sorgen. Wie der Uni-Betrieb ohne Mail und Lernplattform läuft.

„Der Dozent hat seinen eigenen Laptop mit zum Seminar gebracht. Wir haben dann ein bisschen diskutiert, aber ein geregelter Betrieb war nicht möglich“ – der Uni-Alltag von Student Tobias Mühlemeier (21) aus Duisburg steht gerade auf dem Kopf. Er kann nicht mit Dozenten und Professoren schreiben, kein Material abrufen, keine Abgaben einreichen. „Ohne die digitalen Systeme geht fast nichts.“

Er ist einer von vielen Studierenden, der nach dem Cyberangriff auf die Universität Duisburg-Essen (UDE) nicht normal studieren kann. Am Wochenende waren unbekannte Hacker in die IT-Systeme der UDE eingedrungen. Sie haben große Teile des Systems verschlüsselt und fordern nun Lösegeld. Die Spezialeinheit für Cybercrime der Staatsanwaltschaft Köln (ZAC NRW) leitet die Ermittlungen.

Cyberangriff auf UDE: Studierende können ohne digitale Dienste kaum lernen

Schon am Sonntag hat Lehramts-Student Tobias Mühlemeier technische Probleme bei den Uni-Systemen bemerkt. Er wollte die Lernplattform „Moodle“ abrufen, die Seite war aber nicht erreichbar. „In WhatsApp-Gruppen kursierten dann schon die Gerüchte, dass es Hacker sein könnten, aber daran habe ich zuerst nicht geglaubt“, sagt er. Doch die Uni bestätigte die Gerüchte am Montagmittag.

„Viele Studierende waren verunsichert. Wir haben kaum Informationen bekommen“, erzählt der 21-Jährige. Erst am Dienstag habe sich ein Dozent bei Tobias gemeldet: „Er hat die WhatsApp-Nummer von einem Kommilitonen und lässt über ihn ausrichten, was wir tun sollen.“ So bekommen die Kursteilnehmer Präsentationen, Literatur und Infos.

Lehramts-Student Tobias Mühlemeier aus Duisburg fühlt sich wegen des Hackerangriffs verunsichert, weil er zunächst kaum Informationen erhielt.
Lehramts-Student Tobias Mühlemeier aus Duisburg fühlt sich wegen des Hackerangriffs verunsichert, weil er zunächst kaum Informationen erhielt. © Nick Kaspers

Egal ob zu Hause, im Hörsaal oder der Bibliothek: Normales Studieren sei nur schwer möglich. Über die Lernplattform „Moodle“ können Studierende normalerweise Uni-Material abrufen und selber Hausarbeiten und andere Abgaben hochladen. Beides geht zurzeit nicht. „Es ist schwierig, wenn man nichts vor- und nachbereiten kann“, sagt Tobias Mühlemeier. Auch der VPN-Zugang zum Uni-Netz sei abgestellt. Dadurch können Studis zum Beispiel viele Bücher der Bibliothek nicht mehr online einsehen.

Umfrage: So sind Studierende in Duisburg und Essen vom Hackerangriff betroffen

Wer gerade an einer Bachelor- oder Masterarbeit arbeitet und nach Literatur recherchieren will, dürfte dadurch ins Schwitzen geraten. Tobias arbeitet zwar auch gerade an seiner Bachelorarbeit, hat aber schon seine Literatur zusammen. „Ich kann meine Arbeit wahrscheinlich erst im neuen Jahr anmelden. Mich hätte es aber schlimmer treffen können“, sagt er.

Tobias’ Erfahrungen vom Uni-Leben nach dem Hackerangriff teilten am Dienstag viele Studierende in Essen und Duisburg, so zum Beispiel Informatik-Student Ismail Yilmaz: „Ich habe zum ersten Mal davon mitbekommen, als ich meine Mathe-Abgabe nicht einreichen und meinen Stundenplan nicht abrufen konnte.“ Er leitet den Kurs „Grundlegende Programmiertechnik“ und stößt auch dabei an seine Grenzen: „Wir können jetzt auch nichts korrigieren, wenn keiner etwas einreichen kann.“

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Sein Kommilitone Fabian Erbslöh muss jede Woche Hausaufgaben abgeben, die bewertet werden und für die er Punkte bekommt. „Ich frage mich, was damit passiert, wenn ich die jetzt nicht einreichen kann.“ Was sich noch für ihn ändert: Montags muss er normalerweise nicht zum Duisburger Campus, jetzt aber schon. „Eigentlich findet die eine Vorlesung online statt, aber das geht jetzt nicht.“

Lehramts-Student: „Wir wurden schon darauf eingestellt, dass es länger dauert“

Alina Schilly und Anne Smets studieren Angewandte Kognitions- und Medienwissenschaft und haben am Sonntag über WhatsApp von Kommilitonen vom Hackerangriff mitbekommen. „Am Montag haben wir es dann richtig gemerkt, als Moodle nicht abrufbar und auch das WLAN ausgeschaltet war“, sagt Anne. Außerdem könnten sie Code-Programme nicht nutzen, die für viele Arbeiten wichtig seien. Alina berichtet: „Wir haben von mehreren Dozenten jetzt private Mail-Adressen bekommen, damit wir irgendwie in Kontakt bleiben.“

Die UDE-Studentinnen Alina Schilly (links) und Anne Smets haben den Hackerangriff auf die UDE bemerkt, als sie das WLAN und die Lernplattform „Moodle“ nicht abrufen konnten.
Die UDE-Studentinnen Alina Schilly (links) und Anne Smets haben den Hackerangriff auf die UDE bemerkt, als sie das WLAN und die Lernplattform „Moodle“ nicht abrufen konnten. © Nick Kaspers

BWL-Student Maik Brill erklärt, dass das heruntergefahrene IT-System auch zum Problem für Studierende wird, die nun ihre Klausuren schreiben: „Die meisten lernen ja mit den Folien, die die Dozenten im Moodle hochladen. Darauf kann aber jetzt keiner zugreifen.“ Er hat Glück, weil er sich die PDF-Dateien bereits heruntergeladen hat.

Viele Studierende fragen sich, wann sie wieder auf alle digitalen Dienste zugreifen können. Daran denkt auch Tobias Mühlemeier. Er habe von Dozenten gehört, dass andere Unis bei ähnlichen Angriffen wohl bis zu drei Wochen mit den Folgen gekämpft hätten. Bis die Systeme wieder laufen, wird er an seiner Bachelorarbeit kaum arbeiten können. „Wir wurden schon darauf eingestellt, dass es länger dauert.“