Essen-Werden. Zehn Schülerinnen des Mariengymnasiums Werden absolvieren ein Frühstudium an der Universität Duisburg-Essen. Sie erzählen, wie das funktioniert.
Mit der Berufswahl tun sich viele junge Menschen schwer. Was passt zu mir? Welche Fähigkeiten habe ich und welche Ansprüche an den Lebensunterhalt? Diese und ähnliche Fragen schwirren im Kopf herum. Praktika helfen, schon mal ins Berufsleben hineinzuschnuppern. Noch einen Schritt weiter gehen zehn Schülerinnen des Mariengymnasiums Werden: Sie absolvieren ein Frühstudium an der Universität Duisburg-Essen.
Zu ihrem Alltag gehören der Besuch des Unterrichts in ihren jeweiligen Jahrgangsstufen und von regulären Vorlesungen an der Uni. Dort können sie sogar Klausuren mitschreiben. Wie funktioniert das parallel, in einigen Fällen sogar in der heißen Phase vor dem Abi? Wer in die Studierenden-Rolle schlüpft, muss sich klar sein, dass die Ansprüche hoch sind und in der Freizeit auf einiges verzichtet werden muss. Doch die Begleitung der Schule im Rahmen der Begabtenförderung ist engmaschig. „Wir haben jede Menge Spaß daran“, sagen die Schülerinnen unisono.
Das erste Mal Universitätsluft zu schnuppern, war ein tolles Erlebnis
„Das Gefühl war unglaublich, zur ersten Vorlesung in einen Hörsaal mit rund 600 Sitzplätzen zu treten. Das erste mal Universitätsluft zu schnuppern. In diesem Moment hat es mich gepackt“, berichtet zum Beispiel Carolin Elisabeth Krell. Ein Jahr ist das jetzt her, inzwischen kennt sich die 18-Jährige bestens aus im Unibetrieb. Auf Zoologie und Humanbiologie folgten Vorlesungen der Entwicklungsbiologie und der Zellbiologie. Aktuell besucht sie eine Chemievorlesung für Mediziner. Das Pensum ist nicht ohne, der Stoff muss bis zur nächsten Vorlesung verstanden sein.
„Man muss sehr auf Zack sein“, bestätig Lynn Zoe Vester, die sich den Fachbereich Humanmedizin ganz zielgerichtet ausgesucht hat. „Schon als ich im Kindergarten war, wurde ich mit dem Bereich Medizin mehr oder weniger konfrontiert. Mein Vater ist nierentransplantiert.“ Doch kann der Wunschtraum bestehen angesichts des oft harten Alltags in Kliniken? Die 17-Jährige absolvierte ein Praktikum am Universitätsklinikum Düsseldorf, hat nun im Frühstudium Chirurgie-Vorlesungen besucht. „Für mich war es besonders wichtig, herauszufinden, ob ich das mental verpacke, wenn es schwierige Themen sind.“
Wesal Elfathali ist noch ein Frischling an der Uni, ihr Enthusiasmus groß. „Wenn ich gefragt werde, was ich später für einen Beruf ausüben möchte, antworte ich nicht ‘ich möchte Neurologin werden’, sondern ‘ich werde Neurologin’.“ Sie sei der Überzeugung, dass sie es mit Arbeit, Mühe und Entschlossenheit schaffe, sagt die 16-Jährige, die libysche Wurzeln hat. „Ich würde mich selbst als eine Dribblerin bezeichnen, die sich durch jegliche Art von Hindernissen durchkämpft und ihr Ziel mit viel Arbeit erreicht.“ Sie ist neugierig auf alles, was die Uni zu bieten hat, vergisst aber nicht die Schule dabei.
Viel Anerkennung kommt von den Studierenden an der Uni
Darauf achtet nicht zuletzt Tobias Schultz. Der Lehrer ist am Bischöflichen Mariengymnasium zuständig für die Begabungsförderung. „Wir schauen bei Interesse natürlich auf die Leistungen. Infrage kommen nur Jugendliche, die in allen Fächern gute bis sehr gute Noten haben.“ Das Aufholen des Lernstoffs liege in der Eigenverantwortung der Schülerinnen und Schüler. Zum Beispiel dann, wenn die Frühstudierenden auch mal Schulstunden ausfallen lassen müssen, weil der Uni-Stundenplan das erfordere.
Tag der offenen Tür am Mariengymnasium
Informationen über das Schulleben am Mariengymnasium in Werden, Brückstraße 108, bekommen Viertklässler und ihre Eltern beim Tag der offenen Tür am Samstag, 19. November, in der Zeit von 9 bis 12 Uhr.
Es besteht u.a. die Möglichkeit, von 9.30 bis 10 Uhr und von 10.30 Uhr bis 11 Uhr am offenen Unterricht teilzunehmen. Schulleitung und Lehrerkollegium erläutern das Konzept der Parallelen Monoedukation.
Die Termine für die individuellen Anmeldegespräche können über das Sekretariat (0201 492226) vereinbart werden.
In der Betriebswirtschaftslehre ist Jil Kristin Wieser angekommen. Die 17-Jährige ist sogar die erste Schülerin Deutschlands, die als berufsbegleitende Studentin von einem Unternehmen eingestellt wurde. „Momentan bin ich dort im Bereich Finance tätig und arbeite an der landesweit ersten Statistik über Stiftungszentren.“ Die Erfahrung, erlerntes Wissen im realen Leben anzuwenden, habe sie in der Schule leider nicht so häufig gemacht. Worin ihr die Kolleginnen beipflichten. „Toll ist es, dass die Studierenden uns anerkennen und integrieren. Sie geben einem auch viele Tipps.“
Die Noten der Schülerinnen haben sich verbessert
Victoria Nnannah, die bereits seit 2020 Uni-Erfahrungen in Linguistik, Psychologie und Betriebswirtschaftslehre sammelt, nickt. Sie schätzt die Möglichkeit, sich an der Uni auszuprobieren, darüber hinaus zudem den Zusammenhalt unter den Frühstudentinnen. „Ich habe die Entscheidung nicht bereut, auch wenn ich viel lernen muss.“ Zeit für Treffen mit Freunden bleibe ja am Wochenende.
Ein Gutes habe die Coronazeit gehabt, „wir haben gelernt, strukturiert zu arbeiten und uns selbst zu organisieren“, ergänzt Carolin Elisabeth Krell. „Schlussendlich hat das Frühstudium meine Zukunftsvisionen bestärkt und meine Noten haben sich noch weiter verbessert.“
Eine Tendenz, die Betreuungslehrer Schultz in den vergangenen fünf Jahren immer wieder beobachtet: „Das freut und motiviert natürlich.“