Duisburg. Mona Neubaur und Bernhard Osburg (TKS) sprachen in Duisburg über die Transformation. Ministerin und Manager sind eine Schicksalsgemeinschaft.
Wenn NRW in gut 20 Jahren klimaneutral wirtschaften soll, muss eine große gemeinsame Anstrengung von Industrie, Politik, Behörden und Gesellschaft gelingen. Wasserstoff gilt dabei als Energieträger der Wahl und wichtiger Hebel auf dem Weg zum Ziel. Die Wirtschaftsförderer aus Duisburg, Essen, Metropole Ruhr und vom Land NRW haben deshalb von Dienstag bis Donnerstag auch internationale Gäste zum „NRW Hy Summit 2022“ eingeladen.
Vor der Hauptkonferenz in Essen begann der Wasserstoff-Gipfel am Dienstagabend im Bildungszentrum von Thyssenkrupp Steel (TKS) im Duisburger Norden.
Vor 150 geladenen Gästen diskutierten dort zwei Protagonisten der Energiewende in NRW: Bernhard Osburg, Stahlchef von Thyssenkrupp und Mona Neubaur (Grüne), NRW-Wirtschaftsministerin. Zwei, auf die es ankommt bei der Transformation. Dabei eint die grüne Ministerin und der Industrie-Manager trotz aller Unterschiede das gemeinsame Ziel: den Wandel zu einem klimaneutralen Geschäftsmodell zu schaffen, dabei Unternehmen und Arbeitsplätze zu erhalten.
Mona Neubaur in Duisburg: Europaweites Netz für erneuerbare Energien
Die Abhängigkeit voneinander ist gegenseitig: TKS braucht von der Politik den verlässlichen Rahmen, um milliardenschwere Investitionen zu riskieren. Eine gelungene Dekarbonisierung beim landesweit größten CO2-Emittenten (20 Mio Tonnen pro Jahr) und die Überführung des kohlebasierten Geschäftsmodells ist für die Grüne Ministerin zum Beleg für ihr politisches Ziel, den Industriestandort NRW auch ohne fossile Brennstoffe zukunftsfähig zu machen.
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„Der erste grüne Stahl soll herausstrahlen aus der Herzkammer der NRW-Industrie“, sagt Neubaur, „dafür müssen wir jetzt die Infrastruktur schaffen mit einem europaweiten Netz erneuerbarer Energien.“
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Bernhard Osburg: TKS braucht verlässliche Versorgung und berechenbare Preise
Es gebe „gute Gründe, schnell zu sein“, mahnt Bernhard Osburg. Damit Thyssenkrupp Steel bis 2030 fünf Millionen Tonnen grünen oder mit deutlich weniger Emissionen produzierten Stahl erzeugen könne, müsse aber noch viel geschehen.
Etwa grünes Licht erteilt werden in Brüssel für die Hilfen von Land und Bund – der Antrag liegt seit Juni 2021 bei der EU, die auch bei den Regeln für Erzeugung und Verbrauch regenerativen Stroms hinterherhinkt. Planungs- und Genehmigungsverfahren für Strom- und Pipelinetrassen müssten Fahrt aufnehmen.
Osburg: „Wir brauchen eine verlässliche Energieversorgung zu berechenbaren Preisen.“ Nur dann könne TKS als eines der ersten Unternehmen grünen Stahl dann anbieten, wenn die Nachfrage wächst. Der TKS-Chef verweist dazu auf viele Absichtserklärungen aus der Kundschaft: „Wir sind auf dem richtigen Weg.“
Ministerin: Wasserstoff ist kein Hype, sondern dringende Notwendigkeit
Zweifel zerstreut auch Mona Neubaur. „Wasserstoff ist kein Hype, sondern eine dringende Notwendigkeit.“ Sie kennt die Argumente, die es auch in den Tischgesprächen dieser Konferenz gibt: Wasserstoff müsse teuer produziert werden, mache Deutschland aber nicht unabhängig. Rund 75 Prozent des Bedarfs müssen künftig importiert werden, bestätigen auch wissenschaftliche Berechnungen. Um weiterhin pro Jahr 11 Millionen Tonnen Stahl produzieren zu können, braucht allein Thyssenkrupp Steel zwei Wasserstoff-Füllungen des Gasometers Oberhausen – pro Stunde.
Allein die Chancen Duisburgs als „Wasserstoff-Valley“ (OB Link) zu beschwören oder die „Metropole Ruhr als Reallabor zum nationalen Wasserstoff-Zentrum zu machen“ (Osburg), wird nicht reichen. Parallel zur Umrüstung der Industrie halten Fachleute den Aufbau globaler Lieferketten für erforderlich, um die Energie der Zukunft in Form von Wasserstoff oder Ammoniak zu transportieren.
„Der Klimawandel bringt unser Geschäftsmodell ins Wanken“, sagt Bernhard Osburg. Für TKS bedeute das: Verändere dich, oder stirb. Mona Neubaur setzt 500 Millionen Euro Landeshilfen auf einen „Bigpoint“ gegen die Klimakrise und zitiert Jules Verne: „Wasserstoff ist die Kohle der Zukunft.“ Der Satz stammt aus dem Jahr 1870.
AUSBILDUNG UND BÜRGERINFORMATIONEN
- Um die Wasserstoff-Wirtschaft in Stadt und Land erfolgreich aufzubauen, seien die Beteiligung von Wissenschaft und Information der Bürger entscheidend, sagt Wirtschaftsförderer Rasmus Beck. „Ich kenne kein erfolgreiches Projekt, bei dem nicht eine Universität der Kristallisationspunkt war.“ Die Transformation brauche auch den Rückhalt in der Bevölkerung. „Wir müssen gemeinsam um ihre Unterstützung werben.“
- Bei der Vorbereitung der Belegschaft sind die Duisburger Stahlhersteller einen Schritt vorangekommen. Der Berufsbildungsausschuss der IHK habe eine „Zusatzqualifikation Wasserstoff“ für industriell-technische Berufe entwickelt und erlassen, berichtete Bernhard Osburg.
- Ein H2-Bildungszentrum soll auf einer Duisport-Fläche an der Richard-Seiffert-Straße am Fuße von Tiger& Turtle in Wanheim Angerhausen entstehen (wir berichteten). Ein Finanzierungsantrag aus Mitteln des 5-Standorte-Programms ist gestellt.