Duisburg. Lehrerkollegien an Förderschulen sind knapp besetzt. Warum Referendare in Duisburg ersehnt sind, die jungen Menschen aber kritisch sind.
Mit Sekt aus Kaffeetassen, Blumenstrauß und Doktorhut feiern einige der 106 neuen Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter ihre Vereidigung vor dem Duisburger Rathaus. Ab jetzt werden sie 18 Monate lang an Förderschulen in Duisburg und der Region unterrichten sowie sieben Stunden die Woche am Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung selbst unterrichtet.
Diejenigen, die an Duisburger Schulen ausgebildet werden, landen nicht durchweg im Paradies – baulich nicht, personell nicht, bekennt Bildungsdezernentin Astrid Neese. Aber es gebe 18 Planungsbeschlüsse für Schulerweiterungen und -neubauten, eine achte Förderschule ist in der Planung – und schon jetzt würden überall „großartige Kollegien“ auf sie warten.
Duisburg als Standort für neue Lehrer stärker bewerben
Die Stadt Duisburg tue viel dafür, attraktiv für junge Lehrerinnen und Lehrer zu sein, etwa durch kostenfreie Wohnangebote von der Gebag. Die Reaktion aus den Reihen der frisch Vereidigten lässt darauf schließen, dass vielen das Angebot aber gar nicht bekannt war.
Neese weiß, dass die Information stärker beworben werden muss, wie auch der Standort insgesamt: „Wir brauchen sehr, sehr viele Lehrer, dafür wollen wir auch was tun.“ Zum Start des Schuljahrs im August wurde keine der 42 offenen Stellen an Förderschulen besetzt, an Grundschulen blieben von 99 Stellen 84 offen. Wie es zum Einstellungstermin 1. November aussieht, will die Bezirksregierung nach Angaben einer Sprecherin bis zum Ende der Woche berichten.
Schulen bilden trotz knapper Kollegien intensiv aus
Vier der Lehramtsanwärter landen an der Alfred-Adler-Schule in Walsum. Deren Leiter Thorsten Marienfeld weiß, dass er damit das ohnehin zu knappe Lehrerkollegium „enorm belastet, es ist aber die einzige Chance, an neue Lehrkräfte zu kommen, und es lohnt sich“.
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Er setzt auf den „Klebeeffekt“. Vom letzten Jahrgang blieb jetzt einer von drei Referendaren nach der Ausbildung. „Hätte Bonn nicht ausschreiben dürfen, wären mehr geblieben“, ist er sicher. Aber die Heimat- oder Studienstadt, vielleicht auch die attraktivere Stadt ziehe viele weg aus Duisburg. Abgesehen davon sei die Versorgungslage mit Lehrerinnen und Lehrern auch da „nicht bombig“.
Dem Standort Duisburg eine Chance geben
Zu seinen Neuzugängen gehört Melissa Momm und die ist richtig glücklich, vom Studienort Paderborn wieder zurück in die alte Heimat zu kommen. Von Voerde ist es nicht weit zur Alfred-Adler-Schule. „Und wenn man über die A 59 fährt, bei Thyssen Stahl abgestochen wird und alles leuchtet, ist das echt schön“, schwärmt sie, „man muss dem eine Chance geben!“
Da ist Kollegin Pia Scherer durchaus willens. Seit drei Tagen lebt die Kölnerin in Neudorf. Stand jetzt sei es „besser als erwartet“. Losgelöst vom Standort sind die jungen Referendarinnen aber auch aufgeregt: „Das ist schon ein Druck, immer beobachtet zu werden“, glauben Scherer und Mitstreiterin Philine Ditthardt. Sie haben wie viele andere nach dem Studium schon als Vertretung gearbeitet. „Da merkt man, wie sehr man gebraucht wird“, berichtet Momm.
Die Schlagzeilen über den Lehrermangel beflügeln sie: „Da, wo jetzt Leute fehlen, finde ich meinen Platz“, ist sie sicher.
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Ausbildung offen für die Entwicklungen der Zukunft
Wie das Bildungssystem in zehn Jahren aussehen wird, weiß auch Angela Cornelissen, Leiterin des Zentrums für schulpraktische Lehrerausbildung, nicht: „Wir bilden für eine Situation aus, die offen ist, geprägt von Globalisierung und Digitalisierung.“ Es werde andere Formen des Miteinanders, des Lernens geben, „und Sie haben die Chance, die Schule der Zukunft mitzugestalten“, motiviert sie ihre neuen Schüler.
Im Vorbereitungsdienst gehe es darum, Handlungskompetenzen zu erlangen. „Ich möchte Sie ermutigen, eigene Wege zu gehen“, sagte Cornelissen. Mit der Verbeamtung auf Probe gebe es aber auch Pflichten, wie die, für die Demokratie einzustehen und für das Wohl der Kinder.
Mit der Zahl der Auszubildenden ist Cornelissen zufrieden. Trotz des großen Lehrermangels? Eher deshalb, denn knapp besetzte Kollegien hätten auch weniger Kapazitäten für die Ausbildung, erklärt sie. Und lobt, dass die Schulen „trotz ihrer schwierigen Lage ausbilden wollen und sehr bemüht sind“.
„Ich habe einen guten ersten Eindruck, alle sind sehr nett.“
Die Wertschätzung ist offensichtlich. Es ist ein Feiertag, aber auch einer für offene Worte: „Dass ich dem Duisburger Studienseminar zugeordnet wurde, war der Worst Case“, sagt Rebecca Buyx, also die schlechteste Lösung. Lieber wäre sie in der Heimatstadt Köln geblieben. Aber das Blatt hat sich schon gewendet: „Ich habe einen guten ersten Eindruck, alle sind sehr nett.“ Leidensgenossin Evgenia Gudovich ergänzt, dass es „keine Katastrophe ist“, jedenfalls nicht so, wie befürchtet.
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Oberbürgermeister Sören Link kennt die Vorbehalte und wirbt bei der feierlichen Vereidigung im Ratssaal für den Mix aus Industrie und Freizeitwert, bäuerlichen Vierteln, „von denen man nicht glaubt, dass sie in Duisburg sind“. Aber auch durch andere Stadtteile könne man spazieren, „ohne am nächsten Tag in der Zeitung zu stehen.“
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>>DAS ZENTRUM FÜR SCHULPRAKTISCHE LEHRERAUSBILDUNG
- Am Montag wurden neben den Lehramtsanwärtern für Förderschulen auch 35 Referendare für Berufskollegs vereidigt. Sie sind nun Beamte auf Widerruf. Zuvor haben sie ihr erstes Staatsexamen bestanden und treten nun den Vorbereitungsdienst an.
- Die Ausbildung dauert 18 Monate. Wer sich als Sonderpädagoge ausbilden lässt, hat zwei Fächer und zusätzlich einen Förderschwerpunkt studiert, darin wird auch am Studienseminar ausgebildet.