Duisburg. Bei der Sanierung der Stadtfinanzen hat Duisburg in den vergangenen Jahren Fortschritte gemacht. Das sind die Folgen der aktuellen Multi-Krise.
Ukraine-Krieg, Energiepreis-Krise und eine drohende Inflation: Welche Folgen hat die „Multi-Krise“ für die Finanzen der Stadt und die Sanierung des Haushalts? Im Interview spricht Kämmerer und Stadtdirektor Martin Murrack über Altschulden, steigende Zinsen, Infrastruktur-Investitionen, Grundsteuer und die Zukunft der „Smart City.“
[Nichts verpassen, was in Duisburg passiert: Hier für den täglichen Duisburg-Newsletter anmelden.]
Werfen die Krisen Ihre Haushaltsplanung über den Haufen?
Nein. Die Prognose zu Ende Juni für das Jahr 2022 war negativer als der derzeitige Stand. Wir werden 45 Millionen Euro Überschuss, die wir benötigen, um die bilanzielle Überschuldung zu beenden, wohl erreichen. Das bedeutet, dass wir ab dem nächsten Haushalt nicht mehr auf die Genehmigung durch die Bezirksregierung warten müssen. Das ist beeindruckend, wenn man bedenkt, wie die Situation noch vor einigen Jahren war.
Die Rechnung geht auf, weil die Corona-Kosten isoliert wurden – die Rückzahlung ist auf einen späteren Zeitpunkt vertagt.
Ja, aber für 2020 mussten wir keine Kosten isolieren, für 2021 waren wir zur Isolation gesetzlich verpflichtet, obwohl das vom Jahresergebnis gar nicht notwendig gewesen wäre, für 2022 wird nicht mehr viel folgen. Allerdings werden wir wohl gezwungen sein, auch die Ukraine-Kosten zu isolieren. Ich würde sie lieber direkt abziehen, um keine Belastungen für die Folgejahre zu haben. Es wird aber wohl wieder eine Isolationspflicht geben – unabhängig vom tatsächlichen Jahresergebnis.
„Wir schaffen es im Moment noch, die Schulden weiter abzubauen“
Wie läuft der Abbau der Altschulden?
Wir haben es geschafft, die Liquiditätskredite weiter abzubauen. Wir waren in 2015 einmal bei 1,8 Milliarden Euro. Aktuell sind wir noch bei rund 880 Millionen. Im Gegensatz zu unseren Nachbarstädten, die wieder massiv neue Kredite aufbauen, ist das bei uns noch nicht der Fall. Wir schaffen es im Moment noch, weiter abzubauen.
Gefährdet der Zinsanstieg den Schuldenabbau?
Auch interessant
Im nächsten Jahr benötigen wir acht bis neun Millionen Euro mehr, als wir veranschlagt haben. Mit diesem schnellen Anstieg haben wir nicht gerechnet. Wir waren bei einem Zins von 0,5 Prozent, aktuell sind wir im Durchschnitt bei 1,5 Prozent. Beim nächsten Schritt hat die EZB den Leitzins um 0,75 Prozent auf zwei Prozent erhöht. Das wird sich im Haushalt bemerkbar machen. Es ist deshalb umso ärgerlicher, dass es bislang keine Verständigung mit Bund und Land über die Übernahme der Altschulden gegeben hat. Sie hätten die kommunalen Schulden mit Gewinn anlegen können. Diese Chance ist nun vertan. Ich bin skeptisch, dass es noch eine Lösung gibt, auch wenn es im Koalitionsvertrag der schwarz-grünen Landesregierung steht.
Was hat Duisburg beim Schuldenabbau besser gemacht als die Nachbarn?
Wir haben eine ehrliche Konsolidierungspolitik anhand der Vorgaben der Aufsichtsbehörde gemacht, die Anhebung von Grund- und Gewerbesteuer hat den Haushalt entlastet. Dass wir beim Personal sparen mussten, hatte einen positiven Effekt. Da müssen wir erst jetzt nachsteuern, vor allem in den publikumsintensiven Bereichen. Die Wahrheit ist auch: Wir haben verlernt zu investieren. Zuletzt konnten wir bescheidene Überschüsse aus dem Haushalt einsetzen. Die Schulbau- und die Infrastruktur-Gesellschaft haben wir gegründet, um Vermögen aufzubauen und Straßen zu bauen und zu sanieren.
„Wir investieren in den nächsten Jahren über eine Milliarde Euro in die Schulen“
Die jetzt beschlossenen Investitionen in Schulbauten können nur der Anfang sein.
Auch interessant
Ja. Wir werden in den nächsten Jahren allein im Bereich der Schulen über eine Milliarde Euro ausgeben. Das belastet natürlich auch wieder den Haushalt über höhere Mieten, aber daran führt kein Weg vorbei. Investitionen in Schulen und Kitas sind überlebenswichtig für unsere Stadt. Ich hoffe, dass wir so unsere Infrastruktur Schritt für Schritt wieder in den Griff bekommen. Die jüngsten Jahresergebnisse geben uns dafür den Spielraum.
Sehen Sie schon Vorboten einer Rezession, etwa bei der Gewerbesteuer?
Im Moment sind überraschenderweise viele Kommunen in einer Hochphase bei der Gewerbesteuer. Aber die Aussichten trüben sich ein. Im nächsten Jahr kann es zu einer Abkühlung kommen. Eine Rezession würde uns ab 2024 vor große Herausforderungen stellen. Auch für den Personalhaushalt benötigen wir einen Puffer – in den Tarifverhandlungen 2023 rechne ich mit einem Abschluss zwischen vier und fünf Prozent. Bei den Energiekosten für die städtischen Immobilien erwarten wir ebenfalls Steigerungen.
Wie sehen Sie die Entwicklung der nächsten Jahre?
Wenn die Wirtschaftskraft in Deutschland sinkt, wird das Duisburg wie alle anderen Städte treffen. Aber man darf in solchen Krisenzeiten als öffentliche Verwaltung nicht dagegen an sparen, sondern muss über Investitionen antizyklisch handeln. Solange es Investitionen sind, habe ich damit keine Probleme, damit die Stadt am Leben zu halten. Zurückfahren kann man, sobald es gesamtwirtschaftlich besser läuft.
Um die neue Grundsteuer gibt’s viel Ärger. Was erwartet die Bürger?
Die Systematik der Berechnung können wir nicht ändern, als Stadt sind wir am Ende der Kette. Mehr Gerechtigkeit ist vom Gesetzgeber gewollt. Wir werden auf keinen Fall versuchen, Mehreinnahmen über die Grundsteuer zu erzielen – sie soll aufkommensneutral sein. Wenn es der Haushalt hergibt, ist auch eine moderate Absenkung des kommunalen Hebesatzes möglich. Ich gehe davon aus, dass die Politik das sehr wohlwollend prüfen wird. Massiv werden wir nicht nach unten gehen können, die Grundsteuer ist eine wichtige Einnahmequelle für uns.
„Gewerbesteuer-Dumping vernichtet Einnahmen, die wir dringend benötigen“
Seit 2014 liegt Duisburg bei den Hebesätzen für Grund- und Gewerbesteuer landesweit mit an der Spitze. Sind diese großen Unterschiede gerecht?
Ich bin wirklich nicht glücklich über unsere hohen Werte. Aber ich werde nicht in ein Gewerbesteuer-Dumping einsteigen, wie es Monheim und Leverkusen gemacht haben. Das vernichtet Einnahmen, die wir dringend benötigen. Das funktioniert nur, solange es wenige „Steueroasen“ gibt. Wenn es alle machen, ist das eine gigantische Geldvernichtungsaktion für die öffentliche Hand. Duisburg kommt zugute, dass wir im Vergleich immer noch günstige Grundstückspreise und Mieten haben. Darüber ist ein gewisser Ausgleich für die Einwohner gegeben.
Wettbewerbsfähig muss Duisburg auch bei der Digitalisierung bleiben. Zuletzt ist die Stadt in den Rankings zurückgefallen.
Auch interessant
Die Bereiche, in denen wir zurückgefallen sind, machen mir keine großen Sorgen. Im Bereich der Bürgerservices haben wir uns sogar verbessert, da sind wir in den Top 10. Verschlechtert haben wir uns im Bereich Breitband – da tut sich aber viel beim Ausbau. Telekom, Unity Media und DCC sind da unterwegs, damit wir aufholen. Den Bereich E-Ladesäulen haben wir adressiert – die Stadtwerke sind bereit, perspektivisch bis zu 500 weitere Anlagen zu errichten. Wichtig ist, dass die städtischen Unternehmen Fortschritte machen, der Schwerpunkt soll aber zunächst auf der Digitalisierung der Dienstleistungen für den Bürger liegen. Man soll für möglichst wenige von ihnen zum Amt gehen müssen.
Die Kooperation mit Huawei beim Ausbau der Smart City ist kein Thema mehr?
Das stimmt. Wir kommen auch gut voran, ohne davon Gebrauch machen zu müssen. Die Zusammenarbeit ist beiderseitig eingeschlafen. Wir wollen und dürfen uns nicht von einem Player abhängig machen. Das heißt nicht, dass wir nicht mehr mit Huawei reden, aber der Kontakt ist, nicht zuletzt wegen Corona, sehr reduziert.