Duisburg. Thomas Weyrauch ging Anfang 1989 als erster Repräsentant der Stadt Duisburg nach Wuhan. So erinnert er sich zum 40. Jahrestag der Partnerschaft.
Er hat besonders viele Gründe, sich zum 40. Jahrestag der Städtepartnerschaft zwischen Duisburg und Wuhan an die Sechs-Millionen-Metropole zu erinnern. Dr. Thomas Weyrauch war von Anfang 1989 bis Ende 1990 der erste offizielle Repräsentant der Stadt in Wuhan. An eine spannende Zeit erinnert sich der heute 68-Jährige Jurist in einem Aufsatz in den „Notizen der Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens“ und im Gespräch mit dieser Zeitung.
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Sechs Jahre nachdem OB Jupp Krings und sein Amtskollege Li Zhichen am 8. Oktober 1982 die Verbindung besiegelt hatten, war im Rathaus der Wunsch gereift, einen ständigen Repräsentanten in Wuhan zu etablieren. Die Wahl fiel auf Weyrauch, er war nach Abschluss seiner Promotion in Gießen auf Arbeitssuche. „Man hatte mich wohl empfohlen“, berichtet er, „China war schon seit 14. Lebensjahr mein Interessensgebiet.“
Außerdem stammt seine Frau, die Germanistin Wan-Hsuan Yao, aus Taiwan - auch das sprach für den 33-jährigen Kandidaten, der nach einigen Monaten Einarbeitung in der Duisburger Verwaltung mit seiner Frau und dem damals vierjährigen Sohn Anfang Januar 1989 nach Wuhan verabschiedet wurde, um das Verbindungsbüro in der Partnerstadt zu eröffnen.
Prekäre Lebensverhältnisse in den ersten Monaten in Wuhan
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Mit „prekär“ ist die Unterbringung der jungen Familie nach der Ankunft wohl trefflich beschreiben: Weil das neue Gästehaus der Jianghan-Universität noch noch nicht fertiggestellt war, wurde sie in einem traditionellen Stadtviertel einquartiert. „Rauch hin in der Luft, Wäscheleinen hingen von Baum zu Baum, eine Ratte kreuzte unseren Weg, den meisten Abwasserkanälen fehlte der Metalldeckel“, erinnert der Duisburger „Botschafter“. „Über Weyrauch ist noch eine Kellerwohnung frei“, hätten befreundete deutsche Firmenvertreter gescherzt.
Wochen dauerte es, bis der Container mit Möbeln und Hausrat im Wuhaner Hafen freigegeben wurde, auch die Kommunikation mit Duisburg war schwierig: „Ich hatte weder Telefon noch Telex, muss mit dem Bus zum Büro für Auslandsbeziehungen fahren, um meinen Text an die Stadt Duisburg zu übermitteln.“ Prominente Verbindungen hatte hingegen die damalige Leiterin des Wuhaner Außenamtes: Madame Ding Hua war Schwägerin des Deng Xiapings, dem starken Mann der KP Chinas.
Vermittler bei der Gegengabe für den chinesischen Garten in Duisburgs Zoo
Auch seine Rolle als Vermittler zwischen den Partnerstädten gestaltete sich schwierig. Etwa bei der Entscheidung über eine Gegengabe für den chinesischen Garten im Duisburger Zoo. „Sie hing vom Wunsch der Wuhaner Behörden ab, aber die einigten sich nicht“, so Weyrauch. Über den Bau eines Delfinariums für den gefährdeten Baiji-Flussdelfin sei nachgedacht wurden. Doch daraus wurde nichts, auch Tierlieferungen aus Duisburg seien „immer wieder unter fadenscheinigen Gründen abgesagt worden“. Erst nach mehren Anläufen gelang es, das Flusspferd Maria Theresia und die Zebras Ilse und Wolfgang, bekannt nach Zoodirektor Wolfgang Gewalt und seiner Frau, in die Partnerstadt zu transportieren. „Der Grund für die Scherereien war eine Haftstrafe, die der Wuhaner Zoodirektor verbüßen musste, weil er mit geschützten Goldhaar-Affen gehandelt hatte“, berichtet Weyrauch.
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Sein Aufenthalt fiel in bewegte Zeiten. Als er erstmals im Mai 1989 nach Duisburg zur Teilnahme an den China-Wochen zurückkehrte, hatten sich Hunderttausende Demonstranten in Peking versammelt, um Michail Gorbatschow zu sehen. „Unsere Besuche auf dem Tienanmen-Platz haben uns sehr bewegt. Demokratie war ein großes Wort für die Zukunft Chinas.“
Erinnerung an die blutige Niederschlagung der Demokratiebewegung
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Zu groß, wie sich nach seiner Ankunft in Duisburg zeigte. Als am 4. Juni 1989 in Stadttheater die Ausstellung eines chinesischen Malers eröffnet wurde, schlug das Militär gerade die Demokratiebewegung in Peking blutig nieder. „Die Wuhaner Delegierten saßen mit unbewegten Mienen in der ersten Reihe. Als die Sängerin Rao Lan das Klagelied einer jungen Witwe vortrug, hatten die meisten Besucher Tränen in den Augen“, erinnert Thomas Weyrauch.
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Schwierig gestaltete sich die Zeit nach der Rückkehr. Die Wut vieler Chinesen richtete sich gegen Ausländer, die von der chinesischen Propaganda für die Unruhen verantwortlich gemacht wurden. Die Weyrauchs erfuhren das am eigenen Leib bei einem Angriff auf das Auto, in dem sie unterwegs waren. „Erst im letzten Moment griffen Soldaten ein, die zufällig vorbeikamen. Wir hatten Todesangst.“ Öffentliche Hinrichtungen waren in Wuhan an der Tagesordnung. Den Sohn nahmen sie aus dem Kindergarten, als dort bei einem Fest das Tienanmen-Massaker mit Uniformen und Holzgewehren nachgespielt wurde. Der Duisburger Abgesandte geriet wegen Kontakten zu einem christlichen chinesischen Pfarrer und Amnesty International auch persönlich unter Druck. „Sie sind doch Jurist und wissen, was Spionage ist“, lautete die unverhohlene Drohnung der Wuhaner Behörden.
Kafkaeskes Konstrukt aus Lügen, Intrigen, Einschüchterung und Gewalt
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„Wir erlebten täglich ein kafkaeskes Konstrukt aus Lügen, Intrigen, Einschüchterung und Gewalt“, erinnert sich Weyrauch. So endete ein Aufenthalt, vom dem beide Seiten wohl mehr erhofft hatten. „Es kam zwar einiges an Geld für die Region heraus, aber die Erwartungshaltungen waren sehr konträr“, bilanziert Thomas Weyrauch. „Die Duisburger wollten etwas verkaufen, Wuhan hat Investitionen erwartet.“
Es sei dennoch richtig, dass OB Sören Link wie schon sein Vorgänger Jupp Krings 1989 auch in schwierigen Zeiten an der Städtepartnerschaft festhalte. „Das ist wie bei einem Buffet. Es gibt immer Dinge, die man nicht mag. Ich würde die Partnerschaft mit bürgerschaftlichem Charakter weiter pflegen“, empfiehlt Thomas Weyrauch. „Duisburg hat das gut gemacht.“
KEINE RÜCKKEHR NACH WUHAN, ABER KONTAKTE NACH DUISBURG
- Seine Erinnerungen hat Dr. Thomas Weyrauch in seinem Buch „Graue Stahlstadt China – Tagebuch aus Wuhan“ (Universitätsverlag Dr. Norbert Brockmeyer, Bochum 1991, 249 S.) festgehalten. „Ich habe über Dinge geschrieben, über die man in China nicht so gern spricht“, vermutet er zu den Gründen, warum ihm daraufhin mehrfach ein Visum mehrfach verweigert wurde. „China ist da reizbar, man darf das nicht persönlich nehmen.“
- Nach seiner Rückkehr war der Jurist zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundestags, danach bis zu seiner Pensionierung 2018 für das Bundesinnenministerium in Migrationsfragen tätig. In dieser Funktion hat er China immer wieder bereist. „Ich war zumeist im Norden, aber nicht mehr in Wuhan“, berichtet der 68-Jährige, der heute mit seiner Frau Wan-Hsuan Yao im hessischen Heuchelheim lebt.
- Als Vorstandsmitglied der Deutschen China-Gesellschaft gibt es aber immer auch Kontakte nach Duisburg, etwa zu Prof. Dr. Thomas Heberer (Uni Duisburg-Essen, Konfuzius-Institut). Zum 40. Jahrestag der Partnerschaft mit Wuhan hat Johannes Grünhage, Leiter des China-Referats der Stadt, den einstigen Verbindungsmann nach Duisburg eingeladen. „Ich war da verhindert, werde aber sicher bald nach Duisburg kommen“, verspricht Thomas Weyrauch.