Duisburg. Die Preise im Alltag steigen deutlich: Wird da noch ein angemessenes Trinkgeld gezahlt? Was Gastronomen und Servicekräfte in Duisburg erleben.

Nach Corona-Zwangspausen ist die Gastronomie mit Kneipen, Bars und Restaurants in Duisburg zurück. Möglich machen das vor allem Barkeeper, Kellnerinnen oder andere Servicekräfte. Sie alle verbindet nicht nur die Arbeit am Wochenende oder bis spät in die Nacht, sondern auch das Thema Trinkgeld. In Zeiten, in denen Preise steigen, sinkt an manchem Tisch in Duisburg auch die Bereitschaft, ein angemessenes Trinkgeld zu geben.

„Die Menschen gehen wieder aus“, sagt Conny Fuhr freudig über mehr Leben in der Gastronomie. „Doch beim Trinkgeld wird gespart“, so der Eindruck der Serviceleiterin im Webster Brauhaus am Dellplatz, wenngleich sie bei diesem Thema nicht alle Gäste undifferenziert in einen Topf werfen möchte. Seit mehr als 15 Jahren gehört sie zum Team, das 400 Plätze drinnen und draußen betreut.

Gastronomie in Duisburg: Mehr Wertschätzung für Mitarbeiter

Sie nimmt beim Kassieren zwar eine abnehmende Tendenz beim Trinkgeld wahr, die allgemeine Wertschätzung für ihren Beruf sei seit Corona aber merklich gestiegen, sagt Fuhr. „Wir sind froh, dass ihr da seid“, sagt so mancher Gast. Aussagen, die auch die Servicekraft freuen. „Wertschätzung muss sich nicht finanziell ausdrücken.“

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Dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine „neue, breitere Wertschätzung“ für ihre Arbeit erfahren haben, glaubt auch Marc Weber, Conny Fuhrs Chef im Webster Brauhaus und Vorsitzender der Dehoga in Duisburg: „Ohne uns hat viel im Leben unserer Gäste gefehlt, was Leben lebenswert macht. Das hat sich auch in der Bereitschaft niedergeschlagen, großzügiger Trinkgeld zu geben.“

„Wir haben keine andere Wahl“: Finkenkrug erhöht Preise

Doch die Zeiten haben sich längst wieder geändert: „Jetzt sind wir allerdings mit einer Situation konfrontiert, die für beide – Gastronom wie Gast – herausfordernd ist“, sagt Weber. „Alles ist für alle teurer geworden – Energie und Lebensmittel“, plus gestiegene Personalkosten, die auch den Gastronom gezwungen haben, die Preise anzupassen. Dazu komme die Unsicherheit, was die nächsten Wochen bringen werden. Diese Gemengelage könne nicht nur das Trinkgeld, sondern in letzter Konsequenz auch das Ausgeh- und Ausgabeverhalten beeinflussen, fürchtet der Gastronom.

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Noch keine spürbare Veränderung beim Trinkgeld erlebt der Finkenkrug am Sternbuschweg. Die Kneipe mit 300 Biersorten teilt das Trinkgeld unter allen Beschäftigten der Schicht. Der Schnitt sei zuletzt nicht gesunken, sagt Inhaber Roland Jahn. Dies könnte sich ab Montag ändern, glaubt der Geschäftsführer: Dann erhöht der Finkenkrug – laut eigenen Angaben zum ersten Mal seit acht Jahren – den Bierpreis. Ein gezapftes Bier (0,4 Liter) kostet dann zum Beispiel 3,50 Euro statt bislang 3,10 Euro. „Wir haben keine andere Wahl“, sagt Jahn angesichts steigender Preise.

Der Finkenkrug in Neudorf wird am Montag, 5. September, seine Preise erhöhen. „Wir haben keine andere Wahl“, sagt Geschäftsführer Roland Jahn angesichts steigender Preise.
Der Finkenkrug in Neudorf wird am Montag, 5. September, seine Preise erhöhen. „Wir haben keine andere Wahl“, sagt Geschäftsführer Roland Jahn angesichts steigender Preise. © FUNKE Foto Services | Zoltan Leskovar

Je höher die Rechnung, desto geringer das Trinkgeld?

Für das Bootshaus Ehingen berichtet Inhaberin Anja Klomfass von „keinen gravierenden Veränderungen“ beim Trinkgeld, wenngleich die Preise auch dort erst vor zwei Wochen angehoben wurden. Für eine generelle Prognose zum Thema Trinkgeld sei es noch zu früh, schätzt der Dehoga-Vorsitzende Weber: „Wir haben zur Entwicklung der ‘Trinkgeld-Moral’ der Gäste noch keine Erhebung durchgeführt, um zum jetzigen Zeitpunkt generell sagen zu können, wie es sich insgesamt in der Branche verhält.“

Und doch sagt er: „Gefühlt würde ich sagen, dass sich die Bereitschaft, ein ‘angemessenes’ Trinkgeld zu geben, bei kleineren Beträgen nicht geändert hat, bei größeren ist sie kleiner geworden.“ Ein Bild, das auch seine Mitarbeiterin Conny Fuhr bekräftigt: Je höher die Rechnung, desto geringer falle manchmal prozentual das Trinkgeld aus.

Studie zeigt: In Clubs und Diskotheken geben nur wenige Trinkgeld

Den Eindruck der Duisburger Servicekraft bestätigt eine Studie (Infobox), die der Spirituosenhersteller Jägermeister in Auftrag gegeben hat: Demnach liegt die Höhe des Trinkgelds bei den Befragten bei durchschnittlich fünf Prozent. Die Faustregel besagt: In Deutschland gilt ein Trinkgeld von fünf bis zehn Prozent als angemessen. Allerdings variiert die Trinkgeldhöhe mit der Höhe der Rechnung: Bei Beträgen unter 20 Euro wird mit 14 bis 20 Prozent laut Studie deutlich mehr Trinkgeld gegeben. Ab einer Rechnungssumme von 40 Euro nimmt die Höhe des Trinkgelds der Befragten prozentual stark ab.

Für knapp zwei Drittel der Befragten ist eine gute Leistung die Voraussetzung für Trinkgeld. Vor allem mit Freundlichkeit und einem guten Service könne gepunktet werden. Gleichzeitig scheint es auch einen Einfluss zu haben, wo konsumiert wird: Im Restaurant geben 92 Prozent der 1196 Befragten an, Trinkgeld zu geben. In Bars sind es immerhin noch 60 Prozent, in Kneipen 54 Prozent und in Diskotheken und Clubs lediglich 29 Prozent.

Wenn die Kartenzahlung zum Problem wird...

Oft beim Kassieren ein Problem: Immer häufiger wird in der Gastronomie bargeldlos bezahlt. „Ich muss leider mit Karte zahlen“, hört Conny Fuhr regelmäßig. Ein Satz, der einer Entschuldigung gleichkommt und dem fehlenden Trinkgeld vorausgeschickt wird. Dabei erhalten die Servicekräfte problemlos auch bei Kartenzahlungen das Trinkgeld. „Das wissen noch nicht alle Gäste“, glaubt auch Weber und ergänzt: „Wer möchte, kann natürlich auch mit Karte bezahlen und das Trinkgeld bar geben. Dagegen werden die Servicekräfte auch keine Einwände haben.“

Für die Beschäftigten sei das Trinkgeld „überlebenswichtig“, sagt Conny Fuhr. „Trinkgeld macht das Arbeiten in der Gastronomie attraktiver“, urteilt auch Marc Weber, schließlich werde das Gehalt steuerfrei aufgebessert. Dass dies nötig ist, hatte auch Corona und die lange Schließung der Gastronomie gezeigt: Ohne Ersparnisse hätte Conny Fuhr diese Durststrecke nur schwerlich überstanden, weil sie zu jener Zeit „jeden Euro“ umdrehen musste.

Mehr Gehalt für Beschäftige in der Gastronomie

Es war deshalb auch der Anspruch der Dehoga sowie der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), dass Beschäftigte unabhängig vom Trinkgeld fair bezahlt werden. Zum 1. Mai sind die Löhne im Gastgewerbe deutlich erhöht worden. „Dies sei der richtiger Weg zu einem verlässlichen Einkommen“, sagt Karim Peters, Geschäftsführer der NGG für die Region Nordrhein. Alleine in Duisburg zählt die Gewerkschaft rund 6000 Beschäftigte in der Gastronomie und Hotellerie. Ungelernte Kräfte erhalten seit Mai 12,50 Euro pro Stunde, ein Plus von 28 Prozent. Angesichts der Personalnot in der Gastronomie wohl noch immer zu wenig.

Marc Weber ist Geschäftsführer des Webster Brauhauses und Vorsitzender der Dehoga in Duisburg.
Marc Weber ist Geschäftsführer des Webster Brauhauses und Vorsitzender der Dehoga in Duisburg. © FFS | Kai Kitschenberg

>> TRINKGELD-STUDIE

  • Zusammen mit dem Marktforschungsunternehmen Kantar hat Jägermeister eine Studie zum Thema Trinkgeld durchgeführt.
  • Hierzu wurden im März 2022 insgesamt 1196 Erwachsene zwischen 18 und 49 Jahren befragt.
  • Im Fokus standen zentrale Fragen zum veränderten Ausgehverhalten, vor und nach Corona, sowie die Frage nach der allgemeinen Einstellung zum Trinkgeld.