Duisburg. Im Hauptbahnhof wird nun eines der meistfotografierten Duisburger Wahrzeichen abgerissen. Und: So werden die Kräne über der Gleishalle gesichert.
Nach mehr als zehn Jahren Wartezeit geht es im Duisburger Hauptbahnhof endlich voran: Seit Anfang August sind die Bauarbeiten zur Modernisierung der Gleishalle auch für Fahrgäste nicht mehr zu übersehen (wir berichteten). Zwar steht der obligatorische Spatenstich für das arg verspätete 260-Millionen-Euro-Projekt noch aus, die berüchtigt marode Gleishalle verändert jedoch bereits ihr Gesicht:
Während über dem Bahnhofsdach seit wenigen Tagen zwei Baukräne die Skyline der Stadt prägen, reißen die Arbeiter darunter auf der Ostseite des Bahnhofs gewissermaßen ein Duisburger Wahrzeichen ab.
Fensterwand mit Panzerklebeband im Duisburger Hauptbahnhof wird abgerissen
Bahn ein Jahrzehnt zu spät- Duisburg Hbf als Witz und SymbolAls solches darf die splitternde Fensterwand der Gleishalle getrost bezeichnet werden. Schließlich zählte die brüchige Fassade, die seit Jahren von ungezählten Streifen Klebeband zusammengehalten wird, zu den meistfotografierten Ansichten der Stadt.
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Die sozialen Netzwerke sind voll mit Fotos vom legendären Gaffer Tape – vom Panzerklebeband an Gleis 13. Für manche Duisburgerinnen und Duisburger war die Wand beinahe schon identitätsstiftend, für andere ein schmerzhaftes Symbol des Verfalls. Für Tausende Durchfahrende, Social-Media-Nutzer und Google-Rezensenten dagegen war sie ein exotischer Hingucker, der das jahrelang durchlässige Dach als willkommenen Anlass für Spott, Scherze und Eisenbahnnostalgie letztlich ablöste.
Vor einem Jahr etwa sammelte Moderator Nils Bokelberg mit einem Tweet zum vergessenen Ort mehr als 5200 Herzchen ein: „,Meine Damen und Herren, in Kürze erreichen wir den Duisburger Hauptbahnhof. Wenn wir dort sind, wundern sie sich nicht: Das ist kein Lost Place, das ist wirklich der Hauptbahnhof.’ Durchsage gerade im ICE.“ Charmant setzte er nach: „Für mich ist Duisburg Deutschlands letzter Indie-Bahnhof.“
Und Nutzer Torben Kassler beispielsweise erklärte die Wand zur „moderne Kunstinstallation aus Plexiglas & Panzertape“. Ein Google-Nutzer bescheinigt symptomatisch, Duisburgs Hbf biete „eine Reise durch die Zeitgeschichte und ein beeindruckendes Beispiel, wie Gebäude vom Zahn der Zeit zersetzt werden. Man sollte den Bahnhof als Freilichtmuseum für die Nachwelt behalten.“
Zwei Riesen zwischen den Gleisen
Daraus wird freilich nichts: Seit ein paar Tagen schlagen Bauarbeiter die Scheiben – mit und ohne Klebeband – mit Gewalt aus den Rahmen. Auf Twitter ließ der Protest nicht lange auf sich warten: „Halt stopp! das bleibt alles so, wie es ist!“ (sic), appelliert etwa Nutzer Taxiteller Fonzy mit Wut-Emoji. Dieser Zug aber ist abgefahren, obwohl DU Hbf und das Klebeband für viele Fans zusammengehören wie die Bahn und Verspätungen.
Ob die beiden Kräne auf Duisburgs meistbesuchter Dauerbaustelle der nächsten sechs Jahre ähnliches Wahrzeichen-Potenzial entfalten, wird sich zeigen. Die am 5. August mit Schwertransportern angekarrten Kranteile wurden inzwischen jedenfalls montiert.
Die Fundamente waren in wochenlanger Vorarbeit am Bahnsteig der Gleise 10 und 11 tief im Boden verankert worden. „Herausforderung war, die Kräne bei den engen Platzverhältnissen und bei laufendem Bahnbetrieb aufzubauen“, sagt eine Bahnsprecherin.
Die Kräne seien 40 beziehungsweise 50 Meter hoch „und haben eine Tragkraft von rund 20 Tonnen“. Sie ragen durch zwei (absichtlich geschlagene!) Löcher im Dach in den Himmel und werden zur Beförderung von Schutt, Baumaterial und Gerät eingesetzt, sobald der Rückbau des Dachs über dem Bahnsteig an den Gleisen 12 und 13 diese Woche beginnt.
Ab dann schwenken die Ausleger der Kräne über der Baustelle hin und her – ausschließlich darüber, wie eine Bahnsprecherin zum Risiko für Schienenverkehr und Passagiere erläutert: „Die Kräne haben eine fest definierte Schwenkbegrenzung, so dass sie sich nicht über in Betrieb befindlichen Gleisen oder Fahrgästen bewegen.“
Bahnsteig 12/13 gesperrt: Zugänge dauerhaft verschlossen
Die Deutsche Bahn hatte im dritten Anlauf seit 2012 Anfang des Jahres Baufirmen gefunden, die dem Duisburger Hauptbahnhof eine neue Gleishalle bauen wollen (wir berichteten).
Seit dem 5. August ist der erste Bahnsteig, an den Gleisen 12 und 13, gesperrt: Bis zum Sommer 2023 sollen die Baufirmen den kompletten, mehr als 400 Meter langen Bahnsteig und die Dächer darüber abtragen und neu errichten. Die Zugänge zum gesperrten Bahnsteig sind inzwischen auch nicht mehr nur provisorisch mit Bauzäunen, sondern mit Sperrholzwänden komplett abgeriegelt.
>> MODERNISIERUNG DES DUISBURGER HAUPTBAHNHOFS:
- Mit Bund und Land NRW investiert der Staatskonzern nach eigenen Angaben etwa 260 Millionen Euro in die bahnbrechende Modernisierung – mehr als doppelt so viel wie ursprünglich geplant.
- Branchenkenner rechnen wegen der Baupreis-Explosion und der langen Bauzeit mit weiteren Kostensteigerungen (wir berichteten).
- Die Sanierung der Bahnsteighalle beinhaltet den Neubau aller Bahnsteige und ein Dach aus gewellten Stahlträgern – die Duisburger Welle.
- Die neue Gleishalle hat mit 124 mal 150 Metern die gleichen Grundmaße wie die bisherige.
- Abriss und Neubau von Bahnsteigen und Dachteilen erfolgen während des laufenden Verkehrsbetriebes etappenweise Bahnsteig für Bahnsteig von Ost nach West, von Gleis 13 bis 1, von 2022 bis 2028.