Duisburg. Das Badeverbot hat den Unfall im Masurensee nicht verhindert, argumentieren Gegner des Badeverbots. Was sie fordern und was die Stadt entgegnet.

Er ist Jurist. Und er hat selber schon ein Bußgeldverfahren bekommen, weil er da gebadet hat, wo es nicht erlaubt war. „Nach zwei Jahren ist das Verfahren eingestellt worden, weil haftungsrechtliche Gründe gar nicht zum Tragen kamen“, erzählt Hendrik Thome, Sprecher der Initiative „Rettet die Sechs-Seen-Platte“. Erneut ist die Diskussion über das Badeverbot an den meisten Duisburger Baggerseen wieder aufgeflammt (siehe Infobox). Der traurige Anlass: Am 19. Juli ertrank ein 33-Jähriger im Masurensee (wir berichteten). Auch dort ist das Baden verboten, offiziell eine Ordnungswidrigkeit.

„Es geht immer um die Verkehrssicherungspflicht. Um der zu entgehen, erlässt Duisburg fast überall Badeverbote“, erklärt der Jurist. Er meint: „Die Stadt wäre aber genauso aus der Verantwortung, wenn sie Schilder aufstellen würde mit dem Hinweis: ,Baden auf eigene Gefahr’“. Es sei dasselbe rechtliche Problem, das Spazierengehen im tiefen Wald oder das Benutzen eines Trails für Mountainbiker beinhaltet. Die Menschen hätten ja auch Verantwortung für sich selbst. So etwas sei immer auf eigene Gefahr.

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„In Duisburg wird immer so getan, als sei Baden hier besonders gefährlich“

„Das Leben wäre um so viel ärmer, wenn wir nur noch mit Verboten leben müssten“, argumentiert Thome. Eines ärgert den Sprecher der Initiative an der Diskussion besonders: Es sei doch keinem Menschen erklärbar, dass er in Duisburg etwas nicht darf, was in vielen Teilen Deutschlands und in europäischen Nachbarstaaten erlaubt sei.

Die kommunale Verkehrssicherungspflicht gelte unter bestimmten Bedingungen an Seen. „Zum Beispiel, wenn die Stadt einen Steg ins Wasser gebaut hat. Da muss sie unter anderem dafür sorgen, dass keine Scherben am Boden liegen und Sicherheit gewährleistet ist.“

Hendrik Thome, Sprecher der Initiative „Rettet die Sechs-Seen-Platte“ (im Juli 2021).
Hendrik Thome, Sprecher der Initiative „Rettet die Sechs-Seen-Platte“ (im Juli 2021). © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

In der Schweiz werde immer auf die üblichen Baderegeln mit großen Tafeln hingewiesen: Nicht mit vollem Bauch schwimmen, vor dem Baden abkühlen, nicht weit hinaus schwimmen, vor allem auf Kinder aufpassen. Und eben: Baden auf eigene Gefahr.

„In Duisburg wird immer so getan, als sei Baden hier besonders gefährlich. Das ist absurd. In Naturseen gibt es die gleichen Verhältnisse wie in Baggerseen. Die Temperaturen können sehr unterschiedlich sein, da muss man immer aufpassen. Wer sicher schwimmen kann, gesund und nüchtern ist und die Baderegeln einhält, die man schon mit der Seepferdchen-Prüfung gelernt hat, kann sich relativ sicher im Wasser bewegen.“

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Viel zu oft zu sehen: Unbeaufsichtigte Kinder am Wasser

Leider scheine ein gesundes Risikobewusstsein bei vielen Menschen nicht vorhanden zu sein. Bereits am 3. Juli war eine alkoholisierte Frau von Polizisten im letzten Moment aus dem Wasser des Masuren gezogen worden (wir berichteten). Und viel zu oft sehe man kleine Kinder, die von den Eltern unbeaufsichtigt am Wasser spielen. „Wir müssen uns mehr Mühe geben, elementare Baderegeln zu vermitteln und aufeinander aufzupassen“, appelliert Thome. „Mehrsprachige Hinweisschilder am Ufer wären ein guter Anfang.“

Letztlich koste es auch kein Vermögen, an hoch frequentierten Tagen eine Badeaufsicht zu stellen, die den respektvollen Umgang mit dem kühlen Nass vermittelt, ist Thome überzeugt.

Eine weitere Möglichkeit sieht er im Aufstellen von Piktogrammen: Der Appell an Vernunft und Eigenverantwortung bewirke vielleicht mehr als ein sinnloses Verbot, das ja auch den jüngsten Unfall nicht verhindert habe.

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Thome lässt auch das Argument nicht gelten, dass die Wasserqualität von der Stadtverwaltung nur an den drei Badeseen (siehe Infobox) überprüft wird und auch darum an den anderen Seen kein Baden gestattet werden kann.

Stadt: Unterschied zwischen natürlichen Gewässern und Kiesseen

Das Rechtsamt der Stadt antwortet zur Frage nach nach Badeverbot und zum Aufstellen der Badeverbotsschilder:

„Bei Seen ist wasserrechtlich zu differenzieren zwischen natürlichen und künstlichen Gewässern. Der sogenannte Gemeingebrauch an natürlichen Gewässern umfasst im Allgemeinen das Baden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Hinweis ,Baden auf eigene Gefahr’ an geeigneten Stellen von natürlichen Gewässern sinnvoll sein mag. Bei der Sechs-Seen-Platte handelt es sich aber um Hinterlassenschaften der Nass-Auskiesung, also ehemalige betriebliche Anlagen, die als künstliche Gewässer kategorisiert werden.“ Und dort gelten andere Gesetze. Für die Sicherheit dieser Gewässer sei der Eigentümer in höherem Maße verantwortlich, da Menschen die davon ausgehende Gefahr geschaffen hätten.

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Dort drohe den Schwimmenden grundsätzlich Gefahr durch unbefestigte und zu steile Uferböschungen, erläutert das Rechtsamt. Es könne auch zu Verletzungen durch versenkte Betriebseinrichtungen kommen.

„Erheblicher Sicherungsaufwand“ und „zu großes Haftungsrisiko“

„Wolle man das Badeverbot aufheben, müsste Paragraf 8 Abs. 1 der Sicherheits- und Ordnungsverordnung der Stadt Duisburg aufgehoben werden. Aufgrund der Verantwortlichkeiten, die sich aus der Gestattung des Badebetriebes ableiten, wäre dies ohne erheblichen Sicherungsaufwand mit einem zu großen Haftungsrisiko verbunden“, erklärt die Stadt. Dieses Risiko könne auch durch die Aufstellung eines Schildes nicht reduziert werden.

Das Verbotsschild am Masurensee.
Das Verbotsschild am Masurensee. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

DLRG: Schilder sind sinnvoll, aber ...

Martin Flasbarth, Leiter der DLRG-Ortsgruppe Rheinhausen, hat so seine Erfahrungen mit aufgestellten Schildern. „Sie stehen meistens nicht lange, werden umgeknickt, die Piktogramme abgeknibbelt.“ Aber „grundsätzlich ist das Aufstellen von Schildern natürlich sinnvoll. Vor allem wenn es Piktogramme gibt, die jeder versteht.“ Was gleichwohl nicht bedeutet, dass die Hinweise auch von allen beachtet werden.

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Die DLRG, so Flasbarth, unterstütze die Stadt bei all’ ihren Aktivitäten, um mehr Aufklärung für die Bürger zu betreiben. Auf die Gefahren an Seen und Flüssen werde ja bereits in vielen Sprachen hingewiesen. „Wir überlegen zurzeit, ob wir an bekannten Aufenthaltsorten eingeschweißte Handzettel verteilen, auf denen wir in diesen Sprachen auf die Gefahren aufmerksam machen und Links zu Videoclips draufdrucken.“

So sind die neuen Warnschilder bedruckt, die die Stadt nach den tödlichen Badeunfällen im Rhein 2021 an fünf Stellen am Rheinufer aufdrucken ließ.
So sind die neuen Warnschilder bedruckt, die die Stadt nach den tödlichen Badeunfällen im Rhein 2021 an fünf Stellen am Rheinufer aufdrucken ließ. © WAZ | WAZ

>> NUR IN DIESEN SEEN IST BADEN ERLAUBT

  • In Duisburg sind seit Jahren nur drei Seen – und jeweils nur im Bereich der dort ansässigen Freibäder – als Badegewässer zugelassen: Kruppsee, Wolfssee und Großenbaumer See.
  • Wer in anderen Seen badet, begeht eine Ordnungswidrigkeit – und muss ein Verwarnungsgeld oder gar ein Bußgeld zahlen, sollten städtische Ordnungshüter sie/ihn erwischen.