Duisburg/Düsseldorf/Essen/Köln. Ärger um neue DVG-Bahnen in Duisburg wegen großer Lieferprobleme: Diese Erfahrungen mit Herstellern machen Verkehrsbetriebe in anderen Städten.
Riesige Lieferprobleme auf ganzer Schiene: Die Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG) und viele ÖPNV-Nutzer warten nicht nur weiter auf die Zulassung sowie den Einsatz neuer und bereits Ende 2017 bestellter Straßenbahnen für die Linien 901 und 903. Nach Bombardier, im Januar 2021 von Alstom übernommen, hat kürzlich mit Siemens Mobility auch der Hersteller, der 2020 einen Großauftrag für neue Stadtbahnen auf der gemeinsam mit der Düsseldorfer Rheinbahn betriebenen U 79-Linie bekommen hat, große Schwierigkeiten eingeräumt.
Allein die Vorserienfahrzeuge werden hier demnach nicht wie geplant im Herbst 2023, sondern erst 16 Monate später geliefert.
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Als Grund für die aktuellen Verzögerungen haben Alstom und Siemens Mobility unter anderem Lieferengpässe bei bestimmten Materialien angesichts der Corona-Pandemie sowie des Ukraine-Kriegs angeführt. Welche weiteren Erfahrungen machen Verkehrsunternehmen in der Region mit Herstellern bei der Lieferung neuer Bahnen? Die Redaktion hat nachgefragt.
Rheinbahn: Prototyp von Bombardier blieb 2018 in U-Bahnhof in Duisburg stecken
Die Düsseldorfer Rheinbahn hat derzeit auch mit Bombardier beziehungsweise Alstom zu kämpfen – mal wieder. Schon 2015 hatte sie beim Hersteller zusammen mit den Kölner Verkehrs-Betrieben (KVB) neue Stadtbahnen geordert. Neben Lieferproblemen und Streit über verwendetes Material sorgte eine Testfahrt eines Prototypen im Oktober 2018 für Aufsehen. Dabei wurde der Bahnsteig in einem unterirdischen Bahnhof in Duisburg touchiert.
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Ende Mai 2022, also rund sieben Jahre nach der Bestellung, konnte die Rheinbahn endlich die ersten sechs von insgesamt 59 Hochflurfahrzeugen mit einem Investitionsvolumen in Höhe von 194 Millionen Euro einsetzen – zunächst nur auf der U 75-Strecke. Doch mittlerweile sind die neuen Bahnen schon wieder im Depot, weil es Probleme mit den Türen gibt, wie die Rheinbahn mitteilt. Sie erwägt nach eigenen Angaben nun rechtliche Schritte gegen den Hersteller.
Die Ruhrbahn hat ebenfalls neue Fahrzeuge bei Bombardier beziehungsweise Alstom bestellt: 32 Niederflurbahnen der Baureihe NF 4 für 90 Millionen Euro sollen in Essen die letzten Hochflurstraßenbahnen aus den 1980er Jahren ablösen. Klappstufen werden dann endgültig der Vergangenheit angehören.
DVG: Lieferprobleme schon beim ersten Prototypen
Die beiden Vorserienfahrzeuge sind nach Angaben der Ruhrbahn-Sprecherin Sylvia Neumann im November 2021 planmäßig geliefert worden. „Sie werden derzeit durch Alstom ertüchtigt, so dass sie ab August 2022 im Linienbetrieb eingesetzt werden können“, so Neumann.
Bei der DVG hatten die Verzögerungen dagegen schon beim ersten Prototypen angefangen. Er kam statt Ende 2019 erst im September 2020 nach Duisburg, der zweite wie geplant zwei Monate später. Das erste Serienfahrzeug ließ dann aber wieder länger auf sich warten und fand erst Ende 2021 den Weg nach Duisburg. Es folgte in diesem Jahr ein weiteres Serienfahrzeug – mehr bisher nicht. Ein vollständiger Zeit- und Lieferplan liegt seitens Bombardier (Alstom) laut DVG-Sprecherin Kathrin Naß weiterhin nicht vor.
Aber ohne Zulassung können die ersten neuen Bahnen sowieso nicht im regulären Fahrgastbetrieb eingesetzt werden. Laut Naß hat die zuständige Technische Aufsichtsbehörde (TAB) zwar mit der Prüfung erster Unterlagen begonnen. Gleichzeitig fehlen aber immer noch Dokumente vom Hersteller, die vor Weitergabe an die TAB wiederum erst durch die DVG geprüft werden müssen. Eine Zulassung erfolge erst, „wenn die rund 18.000 Seiten in Gänze durch die TAB geprüft worden sind“, so Naß. „Wann das sein wird, können wir aktuell leider noch nicht sagen.“
Ruhrbahn: 2024 nur fünf statt 14 neue Niederflurbahnen für Essen
Die Ruhrbahn in Essen hat sich zwar über die planmäßige Lieferung der beiden Vorserienfahrzeuge gefreut. Allerdings hat auch das Verkehrsunternehmen aktuell Probleme mit Alstom: Laut der Sprecherin Sylvia Neumann werden in diesem Jahr statt wie geplant 14 nur fünf der 32 neuen Niederflurbahnen auf die Reise nach Essen geschickt. „Alstom begründet dies mit entstandenen Qualitätsproblemen ihrer Vorlieferanten“, so Neumann.
Die Ruhrbahn investiert darüber hinaus bis 2026 rund 150 Millionen Euro in 51 Stadtbahnen für die U-Bahn-Linien in Essen und Mülheim. Den Zuschlag im Ausschreibungsverfahren hat das spanische Unternehmen Construcciones y Auxiliar de Ferrocarriles (CAF) bekommen. Die neuen Bahnen von CAF sollen die alten Docklands und B-Wagen der Ruhrbahn komplett ersetzen. „Die Vorserienfahrzeuge befinden sich hier erst noch in der Entwicklung“, so Neumann. „Lieferprobleme sind uns hier nicht bekannt.“
KVB: Drei Stadtbahn-Beschaffungsprogramme für Köln
Bei den Kölner Verkehrs-Betrieben (KVB) laufen derzeit drei Stadtbahn-Beschaffungsprogramme: zum einen für 27 Hochflurfahrzeuge, „die wir bei Bombardier, inzwischen Alstom bestellt haben“, erklärt Matthias Pesch, Leiter der KVB-Unternehmenskommunikation. „Davon sind bereits acht Bahnen der Baureihe 5300 ausgeliefert und gehen nach und nach in Betrieb. Bis Mitte nächsten Jahres sollen alle Fahrzeuge in Köln sein.“
Bei Alstom haben die Kölner Verkehrs-Betriebe zudem 62 Niederflur-Langzüge (60 Meter) und zwei Kurzzüge (30 Meter) geordert. Die Anlieferung der Vorserienfahrzeuge verschiebt sich laut Pesch aber voraussichtlich von Ende 2023 auf 2024.
„Schließlich haben wir gerade die Ausschreibung für 132 neue Hochflurbahnen auf den Weg gebracht“, so der KVB-Sprecher, der betont bei den Fahrzeugbestellungen grundsätzlich „ähnliche Erfahrungen wie die Duisburger Verkehrsgesellschaft“ zu machen – und zwar sowohl bei Bussen als auch bei Stadtbahnen.
„Zuverlässigkeit der Hersteller bei Einhaltung von Lieferfristen hat extrem nachgelassen“
Die Zuverlässigkeit der Hersteller bei der Einhaltung von Lieferfristen habe „extrem nachgelassen“, so Pesch. „Die Auslieferung von Fahrzeugen verzögert sich zum Teil erheblich.“
Die DVG hat als Entschädigung für die Verzögerungen bereits 49 statt der ursprünglich geplanten 47 neuen Straßenbahnen bei Alstom herausgehandelt. Die Kölner Verkehrs-Betriebe halten sich diesbezüglich bedeckt. „Selbstverständlich haben wir in unseren Verträgen mit den Herstellern die maximal möglichen Vertragsstrafen hinterlegt und teilweise auch schon realisiert“, sagt Pesch. „Da es sich um vertrauliche Vertragsangelegenheiten handelt, können wir uns zu Einzelheiten nicht äußern.“
Es sei in der Branche allerdings durchaus üblich, solche Strafen auch in Form so genannter Naturalkompensationen – sprich zusätzlicher Fahrzeuge – einzufordern. „Auch das wird bei uns gelegentlich praktiziert“, so der KVB-Sprecher. „Ab dem Zeitpunkt aber, wo bei einem Hersteller die vertraglich festgelegten Strafen ausgeschöpft sind, müssen wir uns – wie alle anderen Verkehrsunternehmen auch – mit den Gegebenheiten arrangieren. Und damit werden unsere Fahrzeugbeschaffungsprogramme, mit denen wir den ÖPNV modernisieren und attraktivieren wollen, zum Teil deutlich verzögert.“
>> PRO BAHN: NUR NOCH WENIGE HERSTELLER AUF DEM DEUTSCHEN MARKT
- Lothar Ebbers vom Fahrgastverband Pro Bahn hatte zuletzt von einem Trauerspiel im Zusammenhang mit der Hängepartie um die neuen Bahnen für die Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG) gesprochen. Er betonte aber gleichzeitig, dass nur noch wenige Straßen- beziehungsweise Stadtbahn-Hersteller auf dem deutschen Markt tätig sind.
- „Siemens Mobility, Bombardier beziehungsweise Alstom und Stadler, dann noch CAF“, so Ebbers. Früher seien es deutlich mehr gewesen. „Und je weniger Hersteller es gibt, desto größer ist natürlich auch die Abhängigkeit von ihnen“, so der Pro-Bahn-Sprecher.