Duisburg. Alte Fahrzeuge, riesige Lieferprobleme bei neuen Bahnen für 901, 903 und U 79 in Duisburg: Das sagt ein Experte zu den Folgen und Versäumnissen.
Erst die Hängepartie mit dem Hersteller Bombardier (Alstom) um die neuen Straßenbahnen für die Linien 901 und 903 in Duisburg, dann die nächste Hiobsbotschaft für die DVG: Auch bei Siemens Mobility, verantwortlich für die Fertigung der neuen Stadtbahnen für die gemeinsam mit der Düsseldorfer Rheinbahn betriebenen U-79-Linie, gibt es massive Lieferprobleme. Lothar Ebbers vom Fahrgastverband Pro Bahn hat sich zur aktuellen Lage, zu den Folgen und zu Versäumnissen in der Vergangenheit geäußert.
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Er betont zunächst einmal, dass nur noch wenige Straßen- beziehungsweise Stadtbahn-Hersteller auf dem deutschen Markt tätig sind. „Siemens Mobility, Bombardier beziehungsweise Alstom und Stadler“, so Ebbers. Das spanische Unternehmen Construcciones y Auxiliar de Ferrocarriles (CAF), bei dem die Ruhrbahn 51 neue Bahnen für Essen und Mülheim geordert hat, sei nun noch dazugekommen. „Mehr fallen mir auf Anhieb aber nicht ein“, so der Experte von Pro Bahn.
DVG-Bahn-Ärger in Duisburg und die Folgen
Früher seien es deutlich mehr gewesen. „Und je weniger Hersteller es gibt, desto größer ist natürlich auch die Abhängigkeit von ihnen“, sagt Ebbers mit Blick auf die aktuellen Lieferprobleme.
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Die von Bombardier und Siemens Mobility angeführten Gründe für die drastischen Verzögerungen – unter anderem Lieferengpässe bei bestimmten Materialien angesichts der Corona-Pandemie sowie des Ukraine-Kriegs – hält Ebbers für nachvollziehbar. Die Auswirkungen für den ÖPNV in Duisburg seien dabei sehr unterschiedlich.
U 79: Siemens Mobility will Vorserienfahrzeuge 16 Monate später liefern
Siemens Mobility hatte zuletzt mitgeteilt, dass allein die beiden U-79-Vorserienfahrzeuge nicht wie geplant im Herbst 2023, sondern voraussichtlich erst 16 Monate später geliefert werden können. „Ich sehe hier aber nicht, dass grundsätzlich ein eingeschränkter Betrieb droht“, so Ebbers. Die aktuellen Fahrzeuge auf der Stadtbahnlinie seien zwar älter als die Straßenbahnen auf der 901 und 903. „Ihnen hat aber der Rostfraß noch nicht so zugesetzt.“
Auf der Linie 901 gibt es dagegen zwischen Laar und Obermarxloh bereits seit sieben Jahren einen Schienenersatzverkehr, fahren seit 12. August 2015 Ersatzbusse. Die DVG will so angesichts nur noch knapper Ressourcen bei den Bahnen die Einschränkungen für die Fahrgäste in Duisburg insgesamt so gering wie möglich halten.
„Es bleibt ein Trauerspiel“
Ebbers hält diese Lösung mit Blick auf die Gesamtsituation ebenfalls für die verträglichste, sagt aber auch: „Es bleibt ein Trauerspiel“, so der Experte. „Und die Situation kann sich künftig weiter verschärfen, zumal sich die DVG auch keine Straßenbahnen von einem anderen Verkehrsbetrieb ausleihen kann. Bahnen, die 2,20 Meter breit sind und per Zugsicherung durch Tunnel fahren, gibt es so nicht noch mal.“
Erschwerend komme hinzu, „dass einige alte Bahnen künftig nach und nach zur Hauptuntersuchung müssen und damit auch eine gewisse Zeit ausfallen werden“, erklärt Ebbers. „Wenn dann noch Unfälle passieren, wird es ganz eng. Es könnte passieren, dass man zum Beispiel auf der 901 grundsätzlich nur noch im 15-Minuten-Takt fährt.“
Hängepartie um neue Bahnen für die Linien 901 und 903
Neue Bahnen werden deshalb, so Ebbers, auch für die 903, auf der es aktuell zudem zu teils massiven Verspätungen kommt, dringender benötigt als auf der U 79. Es ist allerdings weiterhin unklar, wann die ersten Fahrgäste in den neuen Serienfahrzeugen sitzen werden. Marcus Wittig, Vorstandschef der Duisburger Verkehrs- und Versorgungsgesellschaft (DVV), hatte zuletzt gehofft, im Juni verlässliche Termine nennen zu können.
Zur aktuell mehr als angespannten Situation bei den Straßenbahnen haben laut Ebbers Versäumnisse und Fehleinschätzungen in der Vergangenheit beigetragen. „Vor rund zehn Jahren ist die Entscheidung für eine Sanierungsrunde gefallen. Dann hat man allerdings festgestellt, dass einige Fahrzeuge irreparabel sind und man musste sich plötzlich schon viel früher – 2015, 2016 – mit neuen Bahnen auseinandersetzen“, so der Experte. „Das war eigentlich erst ab 2025 geplant. Die Lieferprobleme aktuell, die es aber ja schon bei den Vorserienfahrzeugen gab, hat die Lage noch mal verschärft.“
Duisburg habe aber im Nahverkehr nicht nur ein Fahrzeugproblem, sondern ein strukturelles. Zwei Straßenbahnlinien und eine Stadtbahnlinie seien für eine Stadt dieser Größenordnung viel zu wenig. Und: „Alte Pläne zum Ausbau des ÖPNV sind aufgegeben und keine neuen gemacht worden“, so Ebbers. „Unterm Strich ist das Angebot mit Blick auf das gesamte Netz immer weiter reduziert worden – auch mit dem Ende Oktober 2019 in Kraft getretenen neuen Nahverkehrsplan.“
>> PRO BAHN: EBBERS IST SPRECHER IN NRW
- Der Fahrgastverband Pro Bahn ist ein unabhängiger und gemeinnütziger Verbraucherverband im Verbraucherzentrale-Bundesverband und vertritt die Interessen der Fahrgäste des öffentlichen Fern- und Nahverkehrs.
- Lothar Ebbers ist Pro-Bahn-Sprecher in NRW.