Duisburg-Neudorf. Die Bewohner der Straußsiedlung in Neudorf haben sich für deren Erhalt eingesetzt. Doch nun landet ein Streit mit der Gebag sogar vor Gericht.

Die Straußsiedlung in Neudorf befindet sich im Umbruch. Nachdem die Bewohner in der Vergangenheit mächtig protestierten, damit das denkmalgeschützte Quartier aus dem Jahr 1925 erhalten bleibt, sind die ersten Wohnungen von der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gebag bereits saniert worden. Der Neubau an der Verdistraße soll im Herbst bezugsfertig sein. Um Parkplätze für die entsprechenden Wohnungen bauen zu können, wurden in den vergangenen Monaten bereits die Gärten abgerissen – sehr zum Leidwesen der Nachbarn. Sie hadern mit der Umgestaltung und den Denkmalauflagen, auch wenn sie sich den Erhalt der Gebäude gewünscht hatten. Es ist ein langer Kampf, bei dem es zum einen um höhere Mieten und nicht weniger als den Verlust des Zuhause-Gefühls in der Straußsiedlung geht.

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Erschwerend kommt hinzu, dass die Bauarbeiten an einer Häuserreihe in der Straußstraße stocken und die Gebäude verwahrlosen. Müll liegt in den Treppenabgängen vor den Kellern. Fenster sind eingeworfen, auf dem Fußweg vor den Häusern liegen die Scherben herum. Der Weg wird zudem gesäumt von Hunde-Hinterlassenschaften und Kippen.

„Früher, als wir noch in unseren Gärten saßen, hatten wir das im Blick, und es sah hier ordentlich aus“, beschreibt Petra Thiele. Sie wohnt seit mehr als 20 Jahren in der Straußsiedlung, mochte ihre schöne, individuelle Wohnung. „Eigentlich hätte alles so bleiben können. Man hätte nur Badezimmer und Heizung nachrüsten können“, erklärt sie.

Straußsiedlung in Duisburg-Neudorf: Mieter beklagen steigende Mieten in sanierten Altbauten

Blick in die alte Wohnung von Petra Thiele. Geheizt wurde mit Kohleofen, die Badezimmer hatten sich die Bewohner nachträglich eingebaut. Dennoch hat sie hier gerne gewohnt. Inzwischen sind die Häuser gesperrt und sollen saniert werden.
Blick in die alte Wohnung von Petra Thiele. Geheizt wurde mit Kohleofen, die Badezimmer hatten sich die Bewohner nachträglich eingebaut. Dennoch hat sie hier gerne gewohnt. Inzwischen sind die Häuser gesperrt und sollen saniert werden. © FUNKE Foto Services | Archivfoto: Christoph Wojtyczka

Doch die Gebag will eine Komplettsanierung – und hat den Bewohnern deshalb andere Wohnungen in einem der sanierten Häuser gegenüber angeboten. „Die Wohnung ist nicht schlecht“, sagt Petra Thiele. „Aber es fehlt das Zuhause-Gefühl. Es ist nicht mehr das Gleiche wie früher.“

Hinzu kommt, dass die Mieten in den sanierten Häusern höher sind als in den Wohnungen mit Kohleofen. „Mein Mann und ich wir müssen jetzt beide arbeiten, dafür, dass wir uns die 60 Quadratmeter große Wohnung leisten können. Das ist doch nicht richtig“, findet Fatma Soykan, die ebenfalls schon seit Jahren in der Straußsiedlung wohnt und bewusst wieder ins Quartier gezogen ist.

Die Terrassen und Gärten sollen aus Denkmalschutzgründen ein einheitliches Erscheinungsbild haben – die Anwohner ärgern sich indes, dass sie die Bereiche nicht so gestalten können wie sie möchten.
Die Terrassen und Gärten sollen aus Denkmalschutzgründen ein einheitliches Erscheinungsbild haben – die Anwohner ärgern sich indes, dass sie die Bereiche nicht so gestalten können wie sie möchten. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Außerdem ärgert sie Soykan darüber, dass sie statt des schönen Gartens, der sich hinter den Häusern befand, nun nur eine kleine Terrasse habe. „Hier können wir nicht grillen. In den Gärten waren wir ungestört. und nun hat die Gebag uns auch noch verboten, Blumenkübel an den Rand zu stellen.“

Die Stadt bestätigt auf Nachfrage das Verbot und erklärt: „Die Straußsiedlung ist ein eingetragenes Baudenkmal. Gemäß Paragraf 9 Denkmalschutzgesetz NRW bedürfen Veränderungen an dem Denkmal und der engeren Umgebung der denkmalrechtlichen Erlaubnis. Auch die Veränderungen an der Straußsiedlung wurden in enger Abstimmung mit der Unteren Denkmalbehörde durchgeführt. Hierzu gehören auch die Arbeiten im Umfeld der Gebäude.“

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So sei ein Konzept für Grünanlagen und privat nutzbare Terrassen entwickelt worden. Einheitlich sollen die Bereiche mit einer Buchenhecke abgegrenzt werden. „Dies fördert das Gesamterscheinungsbild der mit viel Liebe zum Detail sanierten Anlage“, heißt es von Seiten der Stadt. Einige der Bewohner hätten indes kleine Lücken zur Gesamtanlage mit unterschiedlichen Baumaterialien geschlossen, „die sehr improvisiert wirken und dem Gesamterscheinungsbild der Anlage schaden“.

Gebag verweist auf eine Stickstoffleitung, die die Arbeiten verzögert

Anwohnerin Petra Thiele fragt indes: „Wenn sich die Bauarbeiten für die Garagen hinziehen und nix passiert, warum hat man uns nicht die Gärten noch gelassen? Wir mussten im Winter alles rausreißen, obwohl es gar keine Zeit war, Pflanzen zu versetzen.“ Stattdessen werde nun auch der Bereich entlang der Bahnstrecke von einigen genutzt, um Müll abzukippen. „In Zeiten von Corona waren die Gärten ein Traum, weil wir an die frische Luft konnten. Wir würden ja auch andere an den Gärten beteiligen, wenn hier wieder neue Leute einziehen“, könnte sich Thiele vorstellen.

Auf Nachfrage erklärt Gebag-Sprecherin Gerhild Gössing die Verzögerung so: „Bei den Arbeiten für die Stellplätze ist man auf eine Stickstoffleitung gestoßen, die auf den Plänen nicht verzeichnet war. Hier werden derzeit Sicherungsmaßnahmen durchgeführt, dadurch verlängert sich die Baumaßnahme etwas.“ Danach entstünden Stellplätze, die für den Neubau Verdistraße notwendig seien.

Wohnungskündigung: Gebag und Bewohner treffen sich vor Gericht

Mimount Abounachat und ihre Nachbarn haben sich viel Mühe mit den Gärten gegeben und einiges investiert. Auch ihr Mann hat sich in dem Garten wohl gefühlt.
Mimount Abounachat und ihre Nachbarn haben sich viel Mühe mit den Gärten gegeben und einiges investiert. Auch ihr Mann hat sich in dem Garten wohl gefühlt. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Für Mimount Abounachat und ihre Familie war ihr Garten nicht nur ein hübscher Zeitvertreib. Sie und ihr Mann wohnen schon seit Jahren in der Siedlung. Weil ihr Mann an Demenz erkrankt ist, möchten sie unbedingt in der Wohnung bleiben, denn die Gegend ist ihm vertraut. Die Wohnung gehört indes zu dem Häuserkomplex, der eigentlich als nächstes saniert werden soll. Wohl deshalb schickte die Gebag vor einiger Zeit eine Kündigung wegen „anderweitiger wirtschaftlicher Verwertung“ ihrer Wohnung.

In dem Schreiben wurde unter anderem auch auf den Zustand der Wohnung verwiesen, der es nicht mehr rechtfertige, dort jemanden wohnen zu lassen. „Sogar die Krankheit von Herrn Abounachat wurde von der Gebag angezweifelt, dabei gibt es dafür ein Gutachten vom Arzt“, erklären Nachbarn und schütteln den Kopf.

Rechtsstreit: Muss die Gebag Betreuungskosten übernehmen?

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Die Familie hat sich einen Anwalt genommen, die Sache ging bereits vor Gericht. „Zwischenzeitlich hat ein Ortstermin mit dem Gericht stattgefunden“, bestätigt Dr. Rolf Rausch, Sprecher des Amtsgerichts. Die Anwohner schildern, dass die Richterin sehr wohl die Notlage der Familie erkannt habe. So müsse die Gebag wohl auch mögliche Betreuungskosten des Seniors übernehmen, sagen sie. Rausch formuliert es vorsichtiger: „Im Anschluss an diesen Termin sind jetzt beide Parteien auf Anregung des Gerichts bemüht, für die Familie eine adäquate Ausweichwohnung zu finden.“

Gerhild Gössing von der Gebag erklärt: „Der Gebag wurden nur dann die Betreuungskosten für den dementen Vater auferlegt, wenn sie der Familie keine Wohnung in der Nähe anbieten kann. Zieht die Familie innerhalb der Siedlung um, so ist das nicht der Fall. Der Familie wurden bereits zwei Wohnungen in der Straußsiedlung angeboten.“ Diese habe die Familie aber aus verschiedenen Gründen abgelehnt. „Zeitnah soll nun noch eine Wohnung am Straußplatz angeboten werden. Wir sind nach wie vor bemüht, uns gütlich zu einigen, damit das Thema abgeschlossen werden kann und es voran geht.“

Sanierung muss wegen Kostensteigerung neu kalkuliert werden

Diese Häuserzeile soll eigentlich als nächstes renoviert werden – in der Zwischenzeit wurden von Vandalen allerdings die Scheiben eingeschlagen und Müll in die Kellerabgänge gekippt.
Diese Häuserzeile soll eigentlich als nächstes renoviert werden – in der Zwischenzeit wurden von Vandalen allerdings die Scheiben eingeschlagen und Müll in die Kellerabgänge gekippt. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Erst wenn die Familie ausgezogen sei, könnten auch die weiteren Gebäude renoviert werden. „Da die Modernisierung mit einer Asbestbeseitigung verbunden ist, muss hier ein so genannter Schwarzbereich eingerichtet werden, also eine Schleuse für Material und Arbeiter, die verhindert, dass Asbestfasern in die Umgebung freigegeben werden“, erläutert Gerhild Gössing. Dies gehe nicht, bevor nicht alle umgezogen sind. Und noch ein weiterer Aspekt könnte dafür sorgen, dass sich die Bauarbeiten noch etwas hinziehen: Durch die Verzögerungen seien die Baupreise inzwischen so angestiegen, dass man ganz neu kalkulieren müsse, um die Wirtschaftlichkeit der Maßnahme zu gewährleisten.