Duisburg-Neudorf. Ursprünglich wollte die Gebag die Straußsiedlung in Duisburg-Neudorf abreißen. Nach Protesten werden die Wohnungen nun aufwändig renoviert.

Corona-Schutz macht auch auf Baustellen nicht Halt: Vor dem Häusereingang an der Straußstraße in Duisburg-Neudorf stehen mobile Waschbecken und ein Desinfektionsspender. Die Bauarbeiter, die derzeit die denkmalgeschützten Gebäude in der Straußsiedlung sanieren, arbeiten in festen Teams. Seit rund einem Jahr werden die Häuser aufgemöbelt – Wände instand gesetzt, Türen behutsam restauriert, neue Fenster, die dennoch in die alte Optik passen, eingesetzt.

Dass es überhaupt dazu kam, ist den hartnäckigen Anwohnern zu verdanken, die stets an den Denkmalwert der Häuser aus den 1920er Jahren erinnerten.

7,3 Millionen Euro werden in die Siedlung in Duisburg-Neudorf investiert

Jahrelang war in die Gebäude nicht mehr investiert worden. An einigen Häusern sind die Klingeln noch immer aus den Wänden gerissen. In den Fluren riecht es ein bisschen muffig. Dennoch fühlten sich die wenigen verbliebenen Mieter wohl, schätzten auch den günstigen Wohnraum. Deshalb protestierten sie entschieden, als die Gebag das Quartier ursprünglich abreißen wollte. Sie sammelten Unterschriften, planten sogar ein Heimatmuseum. Junge Aktivisten besetzten zwischenzeitlich ein Haus, um ein Zeichen gegen Gentrifizierung zu kämpfen und Freiräume einzutreten.

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Ein Neubaugebiet wäre die Gebag wesentlich billiger gekommen. Doch die städtische Wohnungsbaugesellschaft lenkte ein, stimmte sich mit den Denkmalbehörden ab und veranstaltete einen Architektenwettbewerb. Fachleute machten Vorschläge, wie man die alte Bausubstanz erhalten und dennoch modernen Wohnraum schaffen könne. Der Sieger-Entwurf des Kölner Büros Molestina wird derzeit in Neudorf umgesetzt.

Beim Ortstermin zeigte Gebag-Geschäftsführer Bernd Wortmeyer dem OB den Bau-Fortschritt.
Beim Ortstermin zeigte Gebag-Geschäftsführer Bernd Wortmeyer dem OB den Bau-Fortschritt. © FUNKE Foto Services | Foto: Oliver Müller

Nun investiert die Gebag rund 7,3 Millionen Euro. Die Straußsiedlung ist das einzige denkmalgeschützte Quartier im Bestand des kommunalen Unternehmens. „Wir stehen nicht nur für Stadtentwicklung und Neubau wie an der Neuen Freiheit und bei Sechs-Seen-Wedau, sondern auch für bezahlbare Quartiere mit Charme“, betont Bernd Wortmeyer, Geschäftsführer der Gebag, nun beim Ortstermin.

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Bärbel Bas hat Gelder aus Denkmal-Fördertöpfen nach Duisburg gelotst und Oberbürgermeister Sören Link freut sich bei einem Ortstermin: „Der Gebag gelingt es, den Charme der Straußsiedlung zu erhalten, und zugleich die Wohnqualität auf den neuesten Stand zu bringen.“ Diese Form der Stadtentwicklung stifte Identität und schütze den besonderen Charakter der Siedlung.

In früheren Wohnungen gab’s keine Duschen – Mieter bauten sich selbst welche ein

1925, als die Häuser entstanden, sollte die Wohnungsnot abgemildert werden, die Gebäude aber dennoch einer gewissen Qualität entsprechen. So waren Räume und Grundrisse eher klein. Toiletten gab es in den Wohnungen, allerdings keine Duschen. „Wahrscheinlich gab’s Badezuber“, vermutet Ralf Lützenrath, Abteilungsleiter Neubau bei der Gebag. Nach und nach hatten sich die Mieter selbst Duschen eingebaut, doch das führte zu Schimmelbildung in den Wänden. „Wenn die Wohnungen einmal vermietet sind, wird der Zustand nicht mehr überprüft“, erklärt Lützenrath.

Blick in eine alte Wohnung. Sieben Euro kostet die Netto-Kaltmiete später, wenn alles wieder modernisiert wurde.
Blick in eine alte Wohnung. Sieben Euro kostet die Netto-Kaltmiete später, wenn alles wieder modernisiert wurde. © FUNKE Foto Services | Foto: Oliver Müller

Es war nicht die einzige Überraschung, die bei den Arbeiten zutage gefördert wurde: Die Wände waren nicht in so einem guten Zustand wie erwartet. Es wurde Asbest entfernt und beispielsweise schiefe Böden angeglichen. „Manche frühere Sanierungen hätte man fachmännischer ausführen können“, kannte Gebag-Geschäftsführer Wortmeyer den Zustand der Gebäude schon früh.

Um die Wohnungen zu vergrößern, wurde an der Rückseite angebaut. „Das ist alles mit dem Amt für Denkmalschutz abgestimmt“, betont Lützenrath. Mieter der ersten Etage haben Zugang zu einem eigenen Garten. Die anderen Etage bekommen großzügige Balkone. Es soll sowohl kleinere Bleiben für Studenten geben, aber auch größere für Familie mit Kindern. Insgesamt wird Wohnraum für 101 neue Haushalte geschaffen: An der Straußstraße soll die ursprünglich geschlossene Bauweise durch Neubauten fortgesetzt werden. Die Bauhöhe und die Fassadenführung etwa sollen sich dort an dem historischen Grundgedanken orientieren.

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Für die modernisierten Wohnungen wird pro Quadratmeter eine Miete von sieben Euro aufgerufen. Zum Vergleich: In Neubaugebieten liege der Mietzins zwischen 8,50 Euro und 9 Euro, rechnet Wortmeyer vor. Das Wohnen solle erschwinglich bleiben. Das Interesse jedenfalls ist groß: Es gibt bereits eine Warteliste mit 150 Interessenten, die in die sanierten Gebäude ziehen wollen.

„Trotz Corona haben sich die Arbeiten nicht groß verschoben“, betont Ralf Lützenrath. Insgesamt sind die Arbeiten in drei Bauabschnitte unterteilt. Der Start der dritten Phase ist für das Frühjahr 2021 vorgesehen.

Siedlung wurde 2001 unter Denkmalschutz gestellt

  • Die Straußsiedlung wurde 2001 wegen ihrer hohen „architektonischen Qualität und dem außergewöhnlich gut gelungenen städtebaulichen Zusammenhang“ unter Denkmalschutz gestellt – so heißt es in Unterlagen der Denkmalbehörde.
  • „Die qualitätvolle Gestaltung und die städtebauliche Einbindung der Freiflächen und Straßenräume machen die Siedlung zu einem bedeutenden Erbe der Architektur der Zwischenkriegszeit.“