Duisburg. 33 junge Männer und 74 junge Frauen machen dieses Jahr Abi am Duisburger „Hildegardis“-Gymnasium. Ein historisches Ereignis für die Schule.

Es war ein Jahrhundertereignis: Das Hildegardis-Gymnasium, 1898 gegründet als „höhere Bildungsanstalt für Mädchen“ nahm am 20. August 2014 die ersten Jungen auf. Acht Jahre später haben 33 junge Männer und 74 junge Frauen ihr Abi in der Tasche. Antonia Czauderna, Janne Wißen, Alina Kohlhaas und Jannik Wodianka lassen Revue passieren, wie sie die Zeit mit und ohne Jungs im Unterricht fanden.

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Jannik Wodianka kann durchatmen. Abi bestanden – Schnitt 2,0 und was nach der Schule kommt, weiß er auch schon. Er macht eine Ausbildung mit kombiniertem Studium in der Hotelbranche und zieht dafür in den Schwarzwald. Vorher wird aber noch ein bisschen gefeiert, denn das dürfen sie in diesem Jahr nach Corona ja wieder. Dass es der erste gemischte Abi-Jahrgang an der Schule ist, fühlt sich für ihn und seine Stufenkameradinnen eigentlich „ziemlich natürlich“ an. Dabei war es ein historisches Ereignis als die katholische Schule entschied, künftig auch Jungs aufzunehmen.

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Bistum Essen entschied seinerzeit, dass die Duisburger Schule nicht mehr nur Mädchen offen steht

Das Bistum Essen beschloss seinerzeit, dass katholische Jungen nicht mehr abgelehnt werden dürfen. Der damalige Schulleiter Dr. Christoph Oster und sein Kollegium machten sich also Gedanken, wie die Jungen künftig unterrichtet werden sollen und wählten das so genannte „Bi-Edukation“-Modell. Jungen und Mädchen besuchen damit getrennte Klassen, gehen aber gemeinsam auf eine Schule. Nur in Musik und Religion werden die Kinder schon in der fünften Klasse gemischt. Später kommen noch Wahlfächer hinzu. In der Oberstufe wird die Geschlechtertrennung dann komplett aufgehoben.

Das Interesse der Jungen war so groß, dass direkt zwei Schuleingangsklassen gebildet wurden.
Das Interesse der Jungen war so groß, dass direkt zwei Schuleingangsklassen gebildet wurden. © RR | Foto: Katharina Gilles

„In der fünften Klasse fand ich es super, dass wir Mädchen unter uns waren. Da hatte man eine viel größere Auswahl an Freundinnen“, findet Antonia Czauderna. Sie würde sich auch heute wieder für eine Mädchenschule entscheiden. „Man würde ja denken, dass so viele Mädchen unter sich automatisch Zickenkrieg bedeuten, aber es war wirklich sehr harmonisch bei uns“, beschreibt Janne Wißen. Einen Blick auf die Jungs konnten sie dann auf dem Pausenhof werfen. „Ich kenn’ viele 5./6.-Klasse-Pärchen“, sagt Alina Kohlhaas und grinst. Auch in der Oberstufe, als die Trennung der Klassen komplett aufgehoben wurde, haben sich Stufenpärchen gebildet. Ob’s hält? Für Janne Wißen ist schon klar, dass sie nach der Schule nach Frankfurt ziehen will, um zu studieren. „Wir haben besprochen, dass wir erstmal jeder für uns glücklich werden wollen und es mit einer Fernbeziehung versuchen“, erklärt sie. Genauso wie die anderen kann sie noch gar nicht recht glauben, dass sie nun nie wieder in die Schule muss.

Jungen sind nicht automatisch besser in Mathe und Naturwissenschaften

Antonia Czauderna hatte als Fächer Mathe, Bio, Englisch und Erdkunde gewählt – und mit dieser Kombination die Traumnote 1,0 erreicht. „Es stimmt nicht, dass Jungs immer besser in Mathe und Naturwissenschaften sind. Wir waren im Mathe-Leistungskurs viel mehr Mädchen als Jungen.“

Sabine Kretschmann-Dulisch, Direktorin am Hildegardis-Gymnasium, weiß, dass Jungen anders unterrichtet werden müssen: „Sie brauchen mehr und klarere Anweisungen.“
Sabine Kretschmann-Dulisch, Direktorin am Hildegardis-Gymnasium, weiß, dass Jungen anders unterrichtet werden müssen: „Sie brauchen mehr und klarere Anweisungen.“ © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Schulleiterin Dr. Sabine Kretschmann-Dulisch erinnert sich: „Wir haben uns im Vorfeld beraten und unsere Arbeit von Supervisoren begleiten lassen.“ Der erste Eindruck: „Jungs brauchen klare Anweisungen und Arbeitsaufträge, während die Mädchen auch mal von sich aus etwas erzählen oder sich beschäftigen.“ In der Entwicklung seien die Jungs meist zwei Jahren den Mädchen hinterher. Es habe sich deshalb bewährt, dass beide Geschlechter erst einmal getrennt unterrichtet werden. In der vorpubertären Phasen lernten Jungs einfach anders als Mädchen – das sei wissenschaftlich erwiesen. „In der fünften und sechsten Klasse ist es sowieso einfacher, Sachen nur mit Mädchen zu besprechen“, sind sich auch die Abiturientinnen einig.

Rückblick: Entscheidung fürs Mädchen-Gymnasium nicht bereut

„Ich fand damals die Atmosphäre an der Schule gut, deshalb wollte ich gerne hierhin“, erinnert sich Jannik Wodianka und hat seinen Entschluss rückblickend nicht bereut. Die Nachfrage war jedenfalls so groß, dass direkt zu Beginn zwei Klassen gegründet wurden. „In unserer Klasse haben wir uns auch alle gut verstanden.“ Und als es in die gemeinsame Oberstufe ging, habe es sich nicht „komisch“, sondern eher „natürlich“ angefühlt. „Klar haben sich in der Oberstufe ein paar Grüppchen gebildet und es haben sich auch neue Freundschaften gefunden. Aber das wäre an anderen Schulen ja auch so“, sind sich die Stufensprecher einig.

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Nun fiebern sie ihrem Abi-Ball entgegen. Die Zeugnisse gibt es Mitte Juni. Das Motto haben sie nach diversen Abstimmungsrunden gemeinsam ausgesucht: „Abi 20,22 Promille – mehr dichter als Denker.“