Duisburg. Seit eineinhalb Jahren ist das Hildegardis-Gymnasium in Duisburg keine reine Mädchenschule mehr. Schüler, Lehrer und Schulleitung ziehen eine erste Bilanz.
Anfangs hatte er schon ein komisches Gefühl, gibt Mirkan zu. „Man fühlte sich irgendwie isoliert.“ Das war vor eineinhalb Jahren, als das Bischöfliche Hildegardis-Gymnasium im Dellviertel, bis dato eine reine Mädchenschule, zum Schuljahr 2014/2015 erstmals auch Jungen aufnahm. Mirkan gehörte zu den Ersten, die im Gegensatz zu seinen Erfahrungen auf der Grundschule getrennt vom weiblichen Geschlecht unterrichtet werden. „Ich habe mich daran aber schnell gewöhnt und finde es richtig gut“, sagt der Zwölfjährige. Kein Wunder also, dass auch beim heutigen Tag der offenen Tür der Schule auch viele Eltern mit ihren Jungen erwartet werden.
„Wir haben uns damals bei der Umstellung so viele Gedanken gemacht, so viele Gremien miteinbezogen und können längst sagen, dass es sich gelohnt hat“, sagt Sabine Kretzschmann-Dulisch, die kommissarische Schulleiterin. Sie ist ebenso wie Lehrerin Simone Wolf-Hein, zuständig für die geschlechterspezifische Förderung, vom Konzept überzeugt. „Wir hatten zuvor gezeigt, dass wir Mädchen sehr erfolgreich zum Abitur bringen“, so Wolf-Hein. „Diese Chance sollten eben auch die Jungen bekommen, die ja in den vergangenen Jahren zunehmend als Bildungsverlierer bezeichnet werden.“ Das Erfolgsgeheimnis sei der getrennte Unterricht, „weil Jungen und Mädchen gerade in der vorpubertären Phase unterschiedlich lernen“, erklärt Wolf-Hein. „Das zeigen ganz viele Studien. Jungen haben einen viel stärkeren Bewegungsdrang, wollen nicht so lange sitzen bleiben, nicht lange Anleitungen lesen, sondern sofort handeln.“
657 Mädchen und 83 Jungen
Sebastian Albiez, Klassenlehrer der 6d, erklärt das an einem einfachen Beispiel aus dem Physikunterricht. „Liegen ein paar Magneten und Schrauben auf einem Tisch, um das Thema Magnetismus zu verstehen, greifen die Jungen sofort zu und machen“, so Albiez. „Im Gegensatz dazu gehen die Mädchen strukturierter vor, wollen erst einmal genau wissen, was das Ziel der Aufgabe ist.“ Bis zur neunten Klasse wird, bis auf in einigen Arbeitsgemeinschaften oder Fächern wie Musik oder Religion getrennt gelernt, ab der Oberstufe dann aber komplett zusammen – weil sich der Entwicklungsstand bis dahin angleiche.
Jael (12) ist froh, dass sie im Unterricht noch nur unter Mädchen ist. „Es ist viel ruhiger, und es gibt bei der Gruppenarbeit weniger Konflikte“, ist die Sechstklässlerin überzeugt. Hanna (11) sieht das genauso, sagt aber immerhin auch: „Es ist schon gut, dass die Jungen da sind.“ Und Carina (16), die es Jahre lang gewohnt war, auf einer reinen Mädchenschule zu sein, sieht’s noch ein bisschen positiver: „Es ist bei uns viel lebhafter geworden, seit die Jungen da sind. Auf dem Schulhof ist viel mehr los. Das ist schon eine Bereicherung.“
Zum Schuljahr 2014/2015 starteten die ersten 53 Jungen am Hildegardis-Gymnasium im Dellviertel. Aktuell sind es 83 unter den insgesamt 740 Schülern. Die Schule versucht vor dem Hintergrund der viel diskutierten Feminisierung der Bildung auch bewusst, einen Klassenlehrer für jede Jungenklasse zu finden. Bei einem Tag der offenen Tür können können sich Viertklässler und ihre Eltern am Samstag, 9. Januar, von 9 bis 12 Uhr über die Schule an der Realschulstraße 11 informieren.