Duisburg. Die Oper „Der Kaiser von Atlantis“ ist unter entsetzlichen Bedingungen entstanden. Die Inszenierung von Ilaria Lanzino hat Duisburg-Premiere.

Die Oper „Der Kaiser von Atlantis“ von Viktor Ullmann ist unter entsetzlichen Bedingungen entstanden. Warum dennoch ein „wahnsinnig humorvolles, poetisches Stück“ entstanden ist, erläutert Regisseurin Ilaria Lanzino im Videogespräch vor der Duisburg-Premiere im Stadttheater.

Viktor Ullmann hat diese Oper 1943/44 im Konzentrationslager Theresienstadt komponiert, das die Nazis in ihrer Propaganda als „Vorzeige-KZ“ benutzten. Es wurde als „Altersghetto“ und „jüdische Mustersiedlung“ verklärt und ausländischen Besuchern vorgeführt. Von 1941 bis 1945 wurden hier 140.000 Menschen gefangen gehalten, 33.000 starben im Ghetto, 88.000 wurden in andere Konzentrationslager deportiert, auch Viktor Ullmann und sein Librettist Peter Kien, die in Auschwitz ermordet wurden.

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Ullmann, ein bekannter Prager Komponist, war in Theresienstadt der „Sektion Freizeitgestaltung“ zugeordnet, es gab Opern- und Konzertaufführungen. Dass mit dem „Kaiser von Atlantis“ ein Werk entstand, das zu Widerstand und Umsturz auffordert, aber dort nie aufgeführt wurde, macht es zu einem „unfassbaren Zeugnis geistigen Widerstandes“, sagt Ilaria Lanzino.

Eine Inszenierung unter Corona-Bedingungen

Die junge Regisseurin hat das einstündige Werk an der Rheinoper unter Corona-Bedingungen inszeniert – mit Sängern, die auf sechs Meter Abstand agieren müssen. Doch ist ihr das so überzeugend gelungen, dass die Premiere und die Ausstrahlung über Operavision viel positive Beachtung gefunden haben. Zur Zeit inszeniert sie am Staatstheater Nürnberg Donizettis „L’elisir d’amore“.

Eine Szene aus Viktor Ullmanns Oper „Der Kaiser von Atlantis“, die jetzt Premiere in Duisburg hat.
Eine Szene aus Viktor Ullmanns Oper „Der Kaiser von Atlantis“, die jetzt Premiere in Duisburg hat. © DOR | Hans Jörg Michel

Die Parabel über die Arbeitsverweigerung des Todes, der sich nicht länger zum mörderischen Handlanger des despotischen Kaisers Overall instrumentalisieren lassen möchte, wurde erst 1975 in Amsterdam uraufgeführt. „Mit dem Kaiser ist Adolf Hitler gemeint“, sagt Ilaria Lanzino. Als sich der Tod dem Kaiser widersetzt, beginnen alle, sich zu widersetzen. Denn auch eine totalitäre Macht sei fragil, sei von den Menschen abhängig, sagt die Regisseurin. „Ich habe mich selten in ein Stück so verliebt, es ist von unfassbarer Qualität.“

Es gebe aktuelle Anknüpfungspunkte, bei denen es einem im Hals stecken bleibt, sagt Ilaria Lanzino. Bezogen auf den Ukraine-Krieg könne man es als Appell deuten, die Menschen in Russland sollten auf die Straße gehen und Putin den Zuspruch entziehen, so Dramaturgin Anne Grundmeier. „Aber der Kaiser hat sich eingeschlossen“, sagt Ilaria Lanzino. Daran habe man bei der Vorbereitung nicht denken können, aber ohnehin sei das Stück universell.

In Originalbesetzung auf der Duisburger Bühne

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Die Inszenierung, die unter Corona-Bedingungen entstand, kommt im Original und in der Originalbesetzung auf die Duisburger Bühne. Nur in einer Szene werde der damals geforderte Abstand von sechs Metern jetzt nicht mehr eingehalten.

„Trotz seiner Entstehungsgeschichte ist es ein wahnsinnig humorvolles, poetisches Stück“, sagt Ilaria Lanzino. „Mit Jazz-Elementen, Zitaten etwa aus dem Bach-Choral ,Ein feste Burg’ und dem ,Deutschlandlied’. Es macht Spaß, die Oper zu entdecken.“ Viktor Ullmann hat einen ganz eigenen Stilmix komponiert aus Marschmusik, den Lehren seiner Mentoren Arnold Schönberg und Alexander von Zemlinsky, jazzgeprägter Unterhaltungsmusik und der formalen Strenge Bachs.

„Der Mut zu Leichtigkeit, Humor und Liebe ist auch ein Akt des Widerstands“, sagt Ilaria Lanzino, die nach ihrem Regie-Debüt an der Rheinoper auch in Wien inszenieren wird. Der Norweger Stefan Herheim, neuer Intendant am Theater an der Wien, eröffnet die Saison mit „La Liberazione“, einer frühen Barockoper der Starsopranistin und Komponistin Francesca Caccini – inszeniert von Ilaria Lanzino.

>>> FÜNF VORSTELLUNGEN BIS ZUM SAISONENDE

  • Die Duisburger Philharmoniker spielen unter der Leitung von Christoph Stöcker. Die Besetzung: Emmett O’Hanlon (Overall, Kaiser von Atlantis), Thorsten Grümbel (Lautsprecher), Luke Stoker (Tod), David Fischer (Harlekin), Sergej Khomov, (Fischer), Anke Krabbe (Mädchen) und Kimberley Boettger-Soller (Trommler).
  • Die Premiere ist am Donnerstag, 12. Mai, um 19.30 Uhr im Theater Duisburg. Weitere Termine: 21. Mai, 19.30 Uhr, 29. Mai, 15 Uhr, 4. und 11. Juni, jeweils um 19.30 Uhr. Karten gibt es an der Theaterkasse am Opernplatz, 0203 283 62 100, oder unter www.operamrhein.de.