Düsseldorf. Jubelstürme bei der Premiere der Deutschen Oper am Rhein. Doch die Inszenierung legt dem spannenden Stoff Fesseln an, die ihm nicht guttun.
. Ein kluger Star-Regisseur wie Stefan Herheim, ein Sänger mit der überwältigenden Bühnenpräsenz eines Bo Skovhus und ein unter die Haut gehender Geniestreich wie Alban Bergs Büchner-Oper „Wozzeck“: Was soll, was kann da schiefgehen?
Einiges. Die Neuinszenierung der Deutschen Oper am Rhein kann selbst in der Traumkonstellation nicht restlos überzeugen. Das Premieren-Publikum im Düsseldorfer Opernhaus überschlug sich freilich vor Begeisterung.
Einheitsdekoration einer US-Hinrichtungskammer
Herheim zeigt uns Wozzeck, diese geschundendste Kreatur der Theatergeschichte, in der Einheitsdekoration von Christof Hetzer in einer US-Hinrichtungskammer. Auf einer Liege ausgestreckt, wird ihm das giftige Serum injiziert. Im Dämmerzustand des Opfers läuft die Handlung wie eine Rückblende ab, in der das Gefängnispersonal die Rollen der Figuren einnimmt. Eine auf den ersten Blick bestechende Idee, die allerdings eine räumliche Enge herstellt, die die Handlungsfreiheit der Figuren unnötig einschränkt.
Die in Büchners Text und Bergs Musik gleichermaßen herausgestellte Diskrepanz zwischen der geknebelten Freiheit Wozzecks und seinen alle Grenzen sprengenden Visionen, die sich in den Libretti auch in unterschiedlichen Schauplätzen niederschlägt, kann so nur angedeutet werden.
Wie ein gediegener Beamter
Das Spiel um die Todesliege, auf die sich Wozzeck immer wieder zurückzieht, nimmt auf Dauer stereotype Züge an. Der drohenden Monotonie begegnet Herheim mit einer agilen Personenführung mit teilweise drastischen sexuellen Anzüglichkeiten, unter denen auch Marie zu leiden hat. Dass sich ausgerechnet der sexistisch aufgeblasene Tambourmajor bei Herheim wie ein gediegener Beamter präsentiert, gehört zu den gelungenen Überraschungen.
Das vokale Niveau der Produktion entspricht der Bedeutung eines Opernhauses von der Größe der Rheinoper. Man hört Skovhus an, wie sehr ihn das Schicksal Wozzecks bis in die Fingerspitzen persönlich berührt und belastet.
Mit stimmlicher Leuchtkraft
Camilla Nylund als Marie versteht es, ihre von Schuldgefühlen getragenen Verzweiflungsausbrüche mit stimmlicher Leuchtkraft zum Ausdruck zu bringen. Bis in die kleinste Rolle ist eine glänzend besetzte Produktion zu würdigen.
Axel Kober am Pult der Düsseldorfer Symphoniker setzt zu stark auf expressionistischen Überdruck. Der dynamische Grundpegel ist permanent zu hoch angelegt und auf die von Berg minutiös ausnotierte klangliche Schichtung der Orchesterstimmen wird zu wenig Wert gelegt.
Die nächsten Aufführungen im Opernhaus Düsseldorf: am 25. und 27. Oktober sowie am 2., 5., 19., 23. und 26. November (Infos: www.rheinoper.de ).