Duisburg. Die Laternen in Duisburg-Ruhrort werden längst elektrisch betrieben. Warum es hier dennoch bis in die 1980er Jahre Laternenanzünder gab.

Wenn es in Duisburg-Ruhrort dunkel wird, zieht Holger Haering alias „Rikscha-Mick“ durch die Straßen des Hafenviertels. Ausgestattet mit einer Leiter und einer alten Öllampe bahnt er sich seinen Weg durch verwinkelte Gassen und hat dabei alle Straßenlaternen im Blick – wie es sich für einen echten Laternenanzünder gehört. Nun funktioniert die Ruhrorter Straßenbeleuchtung im Jahr 2022 auch ohne das Zutun von Mick Haering: Wie überall in Duisburg gibt es auch hier ausschließlich elektrische Laternen. In seiner Funktion als Gästeführer hat sich Haering aber ganz bewusst entschieden, einen Blick zurück in die Vergangenheit zu werfen. Wenn er als Laternenwächter durch Ruhrort spaziert, erfahren seine Begleiter nicht nur, was es mit den Laternenanzündern auf sich hatte – sie lernen den Stadtteil auch aus einer neuen Perspektive kennen.

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„Die Epoche der Laternenanzünder war relativ kurz“, erzählt Haering. „Eigentlich ist es nur ein halbes Jahrhundert, in dem dieser Beruf wirklich gelebt hat.“ Während in England bereits 1814 die ersten Gaslaternen leuchteten, setzte sich die technische Errungenschaft in Deutschland erst gegen Mitte des 19. Jahrhunderts durch. So wurde in Duisburg im Jahr 1854 das erste Gaswerk eröffnet, das die neuen Laternen mit Brennstoff versorgte.

Laternenanzünder gab es in Duisburg noch bis in die 1980er-Jahre

Holger Haering ist neuerdings auf den Spuren der historischen Laternenanzünder unterwegs.
Holger Haering ist neuerdings auf den Spuren der historischen Laternenanzünder unterwegs. © FUNKE Foto Services | Foto: Tanja Pickartz

„Der Berufsstand des Laternenanzünders hat damals viel Achtung erfahren“, berichtet Mick Haering. In vielen Städten gab es im 19. Jahrhundert den Posten des Oberlaternenanzünders. „Das war ein echter verbeamteter Beruf“, weiß der Stadtführer. Die Wächter waren nicht nur dafür zuständig, die Straßenbeleuchtung zu entfachen – sie sollten auch ungeliebtes Gesindel von der Straße vertreiben. Einmal im Monat gehörte es außerdem zu ihren Aufgaben, alle Laternen zu putzen.

Als zu Beginn des 20. Jahrhunderts der elektrische Strom an Bedeutung gewann, machte diese Entwicklung auch vor den Gasleuchten nicht halt. „Die meisten Systeme wurden schon vor dem Ersten Weltkrieg auf Elektrizität umgestellt“, erzählt Mick Haering. In der Folge brauchte man immer weniger Personen, die den Job ausübten. Das An- und Ausschalten der Beleuchtung wurde automatisch gesteuert. In Duisburg verschwanden die letzten Laternenwächter allerdings erst Anfang der 1980er-Jahre aus dem Stadtbild. Die Umstellung auf elektrische Laternen war zu diesem Zeitpunkt zwar längst abgeschlossen. Man betraute die Spezialisten jedoch über viele Jahre weiterhin mit der Aufgabe, durch die Straßen zu patrouillieren und nach defekten Leuchten Ausschau zu halten.

Alte Laternenmodelle bringen nostalgischen Charme nach Ruhrort

Wer heute noch echte Gaslaternen in Betrieb sehen möchte, muss nach Düsseldorf, Frankfurt oder Berlin reisen. In Ruhrort gibt es solche Laternen hingegen nicht mehr. Dafür sind dort viele ältere Modelle zu finden, die in den Augen von Mick Haering ihren ganz eigenen Charme versprühen. „Diese schönen alten Laternen hat man nicht überall“, zeigt sich der Gästeführer begeistert. Besonders zahlreich sind in Ruhrort die sogenannten Schinkelleuchten vertreten – Experten sprechen auch vom Modell „Alt Düsseldorf“. „Sie bringen ein bisschen Nostalgie in das Quartier“, findet Haering. Das war für ihn auch der ausschlaggebende Punkt, sich näher mit historischer Straßenbeleuchtung zu beschäftigen.

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Dabei ist er auch auf einige spannende Details der Ruhrorter Stadtgeschichte aufmerksam geworden: „Früher brannte hier auch mal die ein oder andere rote Laterne“, sagt er zum Beispiel mit Blick auf Ruhrorts Vergangenheit als „Vergnügungsviertel“. Eine zentrale Anlaufstelle war dabei vor allem in den 1960er-Jahren die Bar „Tante Olga“ in der König-Friedrich-Wilhelm-Straße. Dort trat regelmäßig der Schlagersänger Benny Quick auf, der seinerzeit mit dem Song „Motorbiene“ einen Hit in Deutschland hatte. In Tante Olgas Kneipe traf Benny Quick bei einem seiner Auftritte auf einen jungen Musiker, mit dem er sich über das Leben als Popstar unterhielt. Anders als Benny Quick damals kennt Mick Haering den Namen dieses Musikers: „Das war der junge Udo Lindenberg.“

>> Nostalgischer Rundgang mit Drehorgel

Mit seiner Rieke chauffiert Holger „Mick“ Haering seine Gäste durch den Stadtteil.
Mit seiner Rieke chauffiert Holger „Mick“ Haering seine Gäste durch den Stadtteil. © FUNKE Foto Services | Foto: Tanja Pickartz

Holger „Mick“ Haering arbeitet als Gästeführer und ist in Ruhrort vor allem wegen seiner Rundfahrten mit der Rikscha „Rieke“ bekannt. Darüber hinaus organisiert Haering im Auftrag der Duisburger Volkshochschule abendliche Wanderungen durch Ruhrort. Seine maritime Fackelrunde entlang des Hafens und die Laternenanzünder-Führung sollen auch im kommenden Semester Teil des VHS-Programms sein.

Noch in diesem Semester wird es einen 90-minütigen Rundgang samt nostalgischer Drehorgel geben. Anmeldungen für die Veranstaltung am Samstag, 11. Juni, sind ab sofort auf der Webseite der VHS möglich. Start ist um 20.15 Uhr.