Duisburg-Neudorf. Die kleine Fußgängerzone in Duisburg-Neudorf hatte große Zeiten. Bei einem Rundgang zeigt sich, welche Geschäfte nach Jahrzehnten überlebt haben.
Wirklich schön ist der Treffpunkt nicht, zu dem die Neudorfer SPD eingeladen hat. Direkt vor der leerstehenden ehemaligen Filiale der Sparkasse Duisburg trotzen rund 30 Menschen dem ungemütlichen Wechsel von Wind, Sonne und Graupelschauern. Doch das Baustellen-Ambiente führt direkt hinein ins Thema des geplanten Rundgangs „Neudorf im Strukturwandel – die Oststraße“. Werner Pöhling, pensionierter Mitarbeiter des Kultur- und Stadthistorischen Museums, will ein paar Einblicke in die Geschichte der Straße geben.
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„Das war früher die wichtigste Einkaufsstraße in Neudorf“, leitete der auf der Koloniestraße geborene Pöhling das Treffen ein. Damit meinte er die Zeit in den 1950er und 1960er Jahren, noch bevor einige hundert Meter der Oststraße zu einer der ersten Fußgängerzonen in Duisburg wurden. Trotz enger Bürgersteige und Verkehr ging man damals hierhin, um größere Einkäufe jenseits des täglichen Bedarfs zu erledigen. „Und der Linienbus fuhr hier auch noch durch“, erinnert sich eine ältere Dame.
Kleine Fußgängerzone in Duisburg-Neudorf war im 19. Jahrhundert eine Mischung aus Heide, Werkstätten und Hochöfen
Zu Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert muss die Gegend eine heute schwer vorstellbare Mischung aus Heide, Werkstätten und kleinen Hochöfen gewesen sein. Sogar eine Zeche wurde an der nahen Memelstraße angelegt, nahm aber nie ihren Betrieb auf. Einen wichtigen Anteil an der Entwicklung der Oststraße hatte die 1897 erbaute Ludgerikirche, die damals die größte katholische Kirche der Stadt war.
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Für viele der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Rundgangs ist die Oststraße mit Erinnerungen an ihre „große“ Zeit verbunden. Das über vier Generationen existierende Eiscafé De Nadal war damals einer der Treffpunkte. Italienische Genüsse gibt es hier aber immer noch. Das „Strada Levante“ lockt mit Weinen, Essen und Espresso. Früher gab es hier sogar ein „mittelgroßes“ Kaufhaus, erzählt Pöhling. Zunächst unter dem Namen „Drolshagen“ und später als „Kaufhalle“. Wo heute der dm-Markt zu finden ist, zog es sich von der Oststraße bis hin zum Schemkesweg.
Ein breites Spektrum an Geschäften machte damals das kurze Straßenstück attraktiv für Kunden. Fachgeschäfte für Fernsehen und Radio, eine Kaffee-Rösterei, ein Fotogeschäft und sogar zwei Feinkost-Läden mit einem hochwertigen Angebot von Fisch, Wild und Geflügel säumten die Oststraße. Nur wenige der Alteingesessenen haben bis heute überlebt. Die Apotheke Pelikan, das Reisebüro Böger oder das Zigarren-Haus Gerhardt zählen ebenso dazu wie in unmittelbarer Nachbarschaft der Straße der auf Schlüssel, Schlösser und Tresore spezialisierte Betrieb Kluth und der Bestatter Jung.
Imbisse, Bäckereiketten und Schönheitssalons sind heute zu finden
Nachgerückt sind türkische oder arabische Lebensmittelläden, asiatische Imbisse und mehrere Filialen von Bäckereiketten. Auch ein paar Schönheitssalons warten auf Kundschaft wie die „Queen of Beauty“, die mit Dienstleistungen wie „Wimpernlifting“ und „Microneedling“ für sich wirbt. Und wo einst ein Schuhgeschäft ansässig war, wird jetzt Zubehör für E-Zigaretten verkauft.
Neue Läden, aber viel Leerstand auf Neudorfs EinkaufsstraßeEines wird bei dem Rundgang klar. Leerstand ist nicht das Hauptproblem der Oststraße. Es gibt ihn zwar in der früheren Sparkasse oder im leeren Reformhaus. Aber er dominiert die Fußgängerzone nicht. Doch ob die neuen Läden ähnlich lange durchhalten können, wie ihre Vorgänger, ist fraglich. Letztlich spiegele die Veränderungen in der Oststraße den Wandel in den Einkaufsgewohnheiten wider, fasst Werner Pöhling an der Kreuzung mit der Grabenstraße zusammen. Und genau in dem Augenblick zischt ein Pizza-Bote auf dem Fahrrad an ihm vorbei.
Woher die Grabenstraße ihren Namen hat, verriet er bei dieser Gelegenheit auch noch. Vor der Industrialisierung schützte hier eine Kombination aus Graben, Wall und dichter Hecke die Neudorfer Gärten und Felder vor den hungrigen Wildpferden und Wildschweinen aus dem nahe gelegenen Wald.
>> Straße wurde zwischenzeitlich in Klöcknerstraße umbenannt – Proteste folgten
Auf der Oststraße hat sich vieles verändert, auch der Name. Anfang der siebziger Jahre wurde die heutige Fußgängerzone in Klöcknerstraße umbenannt, um den Industriellen Peter Klöckner (1863 – 1940) zu ehren. Doch bei den Geschäftsleuten und Bewohnern stieß das auf wenig Gegenliebe. Straßenschilder wurden hartnäckig überklebt und „Oststraßenfeste“ hielten den alten Straßennamen hoch. „Das war ein echter Identitätsfaktor“, erinnerte sich Werner Pöhling an die erfolgreiche, aber lange Auseinandersetzung. Erst nach rund 30 Jahren bekam die Straße ihren alten Namen zurück.